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Das neue Neue 


Über einige Paradoxien der Wissenschaftsorganisierung


1.


›Innovation‹ ist ein zentraler Ausdruck der Selbstbeschreibung von modernen Gesellschaften und in ihnen; so empfiehlt es sich beispielsweise, die Ankündigung, man wolle in einer Vorlesungsreihe über Innovation definitiv nichts Neues sagen, allenfalls in einem ironischen Modus vorzutragen. Zu den Möglichkeitsbedingungen dieser diskursiven Allgegenwärtigkeit gehört dabei indes zugleich der Sachverhalt, dass ›Innovation‹ ein besonders aspektereiches, vielschichtiges Wort ist, dessen man sich zur Bezeichnung sehr unterschiedlicher gedanklicher Konzepte bedienen kann.1

Es mag also nicht ganz unnütz sein, zu sagen, woran beim Gebrauch des Ausdrucks jeweils gedacht ist, denn was unter ›Innovation‹ verstanden wird, hängt von dem Diskurszusammenhang ab, in welchem man sich gerade ­bewegt: Derjenige der Kunst ist z. B. ein gänzlich anderer als derjenige der ­Innovationspolitik. In der Kunst mag man dort von Innovationen sprechen, wo epochal neue Modalitäten etwa des Visuellen in der Malerei – sagen wir: bei Giotto oder Kandinsky – oder des Hörens – wie in den letzten Streichquartetten Beethovens – erschlossen, wo bis dahin gültige Grenzen des ästhetischen Ausdrucks und der Wahrnehmung überschritten werden. Der Terminus ­›Innovation‹ bezeichnet dann die Durchbrechung etablierter Kunst-Konventionen und Kunst-Erwartungen. Ganz anders akzentuiert demgegenüber z. B. der Diskurs der Wirtschafts-, Industrie- und Innovationspolitik. Hier sind mit ›Innovation‹ Neuerungen auf der Grundlage wissenschaftlichen oder technischen Wissens gemeint, die als Produkte oder Dienstleistungen zur Marktreife geführt werden können. Bei einem solchen Sprachgebrauch werden nicht ­selten lineare Wirkungszusammenhänge impliziert, in denen Forschungsinvestitionen Forschung ermöglichen, welche zu Entdeckungen und sodann über die Auslotung ihrer praktischen Anwendungsmöglichkeiten zu vermarktbaren Produkten und schließlich zu Wohlstand führt. Dieser Verwendungskontext assoziiert ›Innovation‹ also weniger mit der nicht-antizipierten Durchbrechung bisheriger Ordnungen, als vielmehr mit der Vorhersagbarkeit und den Pfad­abhängigkeiten von Wertschöpfungsprozessen, welche als planbar angesehen werden und, wie es im herrschenden Diskurs der politischen Ökonomie heißt, Wirtschaftswachstum und Wohlstand bringen.


Dass es sich bei modernen Gesellschaften nicht einfachhin um, wie man sagt, Wissensgesellschaften (knowledge societies) handele, sondern genauer um Wissenschaftsgesellschaften, denn sonst wäre es ja ganz unplausibel, Forschung an den Anfang zu setzen, darin liegt nur eine der Prämissen dieses Diskurses der Wertschöpfungskette: Gesellschaftlicher Wohlstand beruht ihm zufolge auf Ökonomien, die ohne Wissenschaft und deren Wissensbestände gar nicht zu denken sind, und zwar nicht dort allein, wo es um Technik und Technologien geht, sondern auch etwa in der Finanzindustrie, in der öffentlichen Verwaltung, in den Sozialsystemen, in der Kultur- und Medienwirtschaft, überhaupt in so gut wie sämtlichen Bereichen der Gesellschaft. Weiterhin setzt dieser innova­tionspolitische Diskurs voraus, dass umgekehrt ›die Wissenschaft‹ Innovationen in diesem Sinne befördere, dass ohne unentwegte Innovationen Wirtschaftsleistung nicht zu steigern sei, dass wirtschaftliches Wachstum verlässlich mit steigendem Wohlstand einhergehe und dass umgekehrt Wohlstand notwendig Wirtschaftswachstum voraussetze. Es sind solche Prämissen, die sich im öffentlichen wirtschafts- und wissenschaftspolitischen Diskurs manifestieren: in der Rede vom rohstoffarmen Land, das daher ›in Köpfe‹ investieren müsse; in den Schlagworten von der ›Bildungsrepublik‹ oder dem ›High Tech-Standort‹ Deutschland; in den Forderungen nach einer Beschleunigung der ›Umsetzung‹ von Forschungsergebnissen bzw. ›Inventionen‹ in ›Innovatio­nen‹ und Produkte; in den programmatischen Benennungen wissenschafts­politischer Maßnahmen oder Einrichtungen.2

In diesem öffentlichen wirtschafts- und wissenschaftspolitischen Diskurs der Wissenschaftsgesellschaft, den ich hier lediglich mit knappen Strichen charakterisiere, markiert ›Innovation‹ einen unbestrittenen Konsensualwert: Durchweg ist er positiv konnotiert, wird er mit Verbesserung, mit Vorankommen, Erfolg, Wachstum oder Wohlstand assoziiert. Es handelt sich also um einen Schlüsselbegriff jenes spezifisch modernen, d. h. in älteren Gesellschaften keineswegs in gleicher Weise selbstverständlichen Fortschritts-Dispositivs, das unsere Welt und unsere Weltauslegung in so gut wie jeder Hinsicht prägt.


Allerdings: Dass ›Innovation‹ ein Konsensualwert öffentlicher Debatten über Wirtschaft und Wissenschaft ist, daraus folgt nun keineswegs, dass auch eben dieser innovationspolitische Begriff gemeint sei, wenn im Diskursraum der Wissenschaft von der Kategorie der Innovativität Gebrauch gemacht wird. Wenn man hier etwa sagt, dass ›ein methodischer Ansatz besonders innovativ‹ sei, dass ein Forschungsvorhaben, wie es beispielsweise ein Finanzierungs­antrag beschreibe, ›großes Innovationspotenzial erkennen‹ lasse oder dass jemand ›innovative Ergebnisse erzielt‹ habe, dann sind nicht je schon die mittleren Glieder einer Wertschöpfungskette (zwischen wissenschaftlicher Invention und marktreifem Produkt) angesprochen. Nicht sogleich um die Markt­fähigkeit von Produkten oder Dienstleistungen geht es dann, sondern zunächst einmal um Neuheit: um die besondere Qualität eines Wissens mithin, das den in einem bestimmten Forschungsbereich gegebenen Bestand des wissenschaftlichen Wissens zu korrigieren oder zu erweitern beansprucht. Innovativ könnte, so verstanden, z. B. auch eine Kritik des Ideologems der ›Wertschöpfungskette‹ sein.


Um ›Innovation‹ in diesem zuletzt genannten Sinne einer Kategorie wissenschaftlichen Wissens soll es im Folgenden gehen. Ich will einige Überlegungen zu dieser Kategorie selbst sowie zu den systematischen Voraussetzungen von Innovationsansprüchen anstellen. Dies führt zu einem Vorschlag, wie sich zwei Typen wissenschaftlicher Innovationen womöglich unterscheiden ließen, sie werden hier das ›alte Neue‹ und das ›neue Neue‹ genannt. Und das leitet dann über zur Beobachtung einiger Paradoxien, welche sich aus der Struktur wissenschaftlicher Innovationen für die Förderung und Organisierung von Wissenschaft ergeben und welche für die Möglichkeitsbedingungen produktiver Wissenschaft nicht ohne Bedeutung sind.


2.


Wissenschaftliche Innovation, so impliziert die vorangegangene Überlegung, ist ein wissenschaftliches Wissen, das einerseits einen Anspruch auf Korrektheit, Richtigkeit oder Wahrheit geltend machen kann, und andererseits einen Anspruch auf Neuheit. Es liegen hier also zwei, und zwar gleichrangige Prüfkriterien vor, und es genügt im Horizont wissenschaftlicher Innovativität keineswegs, lediglich einem dieser beiden Kriterien zu entsprechen; auf wahres, aber altes Wissen kommt es in diesem Rahmen ebenso wenig an wie auf neues, aber falsches Wissen. Und in jedem dieser beiden Prüfkriterien steckt nun allerdings wiederum (mindestens) eine ziemlich verwickelte Implikation, die alles andere als selbstverständlich ist.


Moderne Wissenschaft, dies wäre die erste dieser voraussetzungsreichen Implikationen, produziert Wissen, für das ein Anspruch auf Korrektheit, Richtigkeit oder Wahrheit vernünftig geltend gemacht werden kann, das aber keineswegs Gewissheit oder eindeutige und direkt handlungsleitende normativeKonsequenzen verbürgt. Es ist hier anders als in vormodernen Gesellschaften: Moderne Gesellschaften sind dezentral-pluralistisch, und (meta-physische) Letztbegründungen von Wissen und Normativität begegnen hier sozusagen stets im Plural (überdies weiß man, dass das so ist!), also als Konkurrenzen oder Konflikte zwischen unterschiedlichen Möglichkeiten solcher Letzt­begründung. Die Wissenschaften moderner Gesellschaften produzieren dementsprechend Wissen, dessen Geltung nicht absolut sein kann. Es ist vielmehr stets relativ, relativ nämlich zu unterschiedlichen Geltungsbereichen, die sämtlich darauf beruhen, dass zwischen diesen Geltungsbereichen Grenzen gezogen sind, Grenzen beispielsweise der wissenschaftlichen Disziplinen, der verschiedenen (experimentalwissenschaftlichen, empirischen, historisch-hermeneutischen, normwissenschaftlichen) Forschungstypen, Grenzen zwischen ›Theorie‹ und ›Praxis‹ oder zwischen Wissenschaft und Nicht-Wissenschaft. Was immer sich im Innern eines dieser Geltungsbereiche als verbindliche Geltung zeigen mag, kann daher von außen durchaus als bereichsspezifischer Anspruch erscheinen, als ein Anspruch mithin, den man in dieser Außenperspektive (also: in der Binnenperspektive eines konkurrierenden Geltungsbereichs) keineswegs teilen muss. Was hier gilt, muss nicht auch dort gelten. Und so ist es einerseits im Verhältnis von Wissenschaft und Gesellschaft, so ist es andererseits aber auch innerhalb der modernen, also pluralistisch-dezentralen Wissenschaften. Stets konkurrieren hier verschiedene Wissensansprüche, stets gibt es methodische, theoretische, disziplinäre Differenzen zwischen ihnen, und immer fehlt eine übergeordnete Instanz, die solche Konkurrenzen entscheiden könnte;3 ein chemischer Wissensanspruch kann nicht nach den Kriterien der Geschichtswissenschaft beurteilt werden, ein historischer nicht nach den Kriterien der Chemie.


Diese Unvermeidbarkeit der Konkurrenz pluraler Wissensansprüche in den heutigen Wissenschaften resultiert letztlich schon aus dem epistemischen Status von wissenschaftlichem Wissen in der modernen Welt: Es steht hier unter dem Vorbehalt prinzipiellen methodischen Zweifels. Seine enorme weltumgestaltende Macht, seine Dynamik, seine Expansion ist direkt mit dem Prinzip verbunden, dass dieses wissenschaftliche Wissen über die Welt stets perspektivisch und selektiv ist und dass man stets damit rechnen muss, dass man selbst es zukünftig oder dass andere es heute schon besser wissen können als man selbst. Seit dem epochalen Übergang zur Moderne ist für Wissenschaft also diese kognitive Zumutung konstitutiv, dass es wissenschaftliches Wissen allein im Maße seiner prinzipiellen methodischen Selbstinfragestellung geben kann, lediglich im Zeichen des methodischen Zweifels, nicht aber als eine Gewissheit.


Dies ist die eine hier zur Sprache zu bringende Implikation des Sachverhalts, dass innovatives wissenschaftliches Wissen ein Anspruch ist, der den beiden Kriterien von Korrektheit, Richtigkeit oder Wahrheit und von Neuheit zugleich genügen muss. Die zweite Implikation ergibt sich daraus, dass ›Neuheit‹ ihrerseits eine relationale Kategorie ist. Neu kann etwas immer nur gegen­über etwas Altem sein, von dem es unterscheidbar bleiben muss. Und diese Unterscheidung kann nur dann getroffen werden, wenn es leistungsfähige Wissensspeicher und Reproduktionssysteme gibt, die das alte Wissen zugänglich halten. Dass in dieser Hinsicht der Buchdruck einen epochalen Unterschied mache und insofern eine konstitutive Voraussetzung spezifisch moderner Wissenschaften sei, darauf hat vor allem Niklas Luhmann wiederholt hingewiesen:


Vor dem Buchdruck hätte man gar nicht wissen können, welches Wissen überhaupt neu ist. Man kann ja nicht ausschließen, daß es irgendwo schon vorhanden ist. Erst die Publikation im Druck und in ihrem Gefolge: die darauf basierte Ausdifferenzierung wissenschaftlicher Kommunikation stellen ein eindeutiges Kriterium bereit. Als neu zählt, was erstmals publiziert ist – gleichgültig, ob jemand und wer es vorher schon gewußt hat.4

Unter diesen Bedingungen der modernen Wissenschaften und ihrer medientechnischen Voraussetzungen gibt es stets spezifische Spannungslagen zwischen altem und neuem Wissen, zwischen Tradition und Innovation: Innovationsansprüche delegitimieren das Alte als bloß noch Veraltetes, indem sie die Differenz des Neuen ihm gegenüber dramatisieren. Doch dürfen sie zugleich keineswegs alle Bezüge zum Alten kappen, denn sonst könnte das Neue nicht als Innovation aufgefasst werden, nicht einmal als Neues. Was als innovativ soll bezeichnet werden können, muss sich folglich nicht allein von etablierten Wissensbeständen unterscheiden, sondern es muss als Abweichung zugleich auf sie beziehbar bleiben. Allein in der Bezugnahme auf Altes kann sich das Neue als ›Innovation von etwas‹ beschreiben:


Es gibt eine hübsche Anekdote, die Kaiser Wilhelm I. gerne erzählte. Als er noch König von Preußen war, besuchte er einmal das Bonner Observatorium und fragte den Direktor jovial: ›Na, lieber Argelander, was gibt’s Neues am Sternenhimmel?‹ Die prompte Gegenfrage Argelanders war: ›Kennen Eure Majestät das Alte schon?‹ Immer, wenn der Kaiser diese Geschichte erzählte, soll er sich vor Lachen geschüttelt haben.5

Der Astronom weist den König auf dieses konstitutive Bezugsverhältnis hin, in dem Neues und Altes jederzeit zueinander stehen. Neues am Sternenhimmel lässt sich nur entdecken, wenn man Abweichungen vom Alten überhaupt erkennen kann, wozu der Herrscher außerstande ist. Und diese Abweichungen müssen so signifikant sein, dass sie einen Anspruch auf Neuheit rechtfertigen. Anders gesagt: Innovationsansprüche in der Wissenschaft können allein in der Form erhoben werden, dass sie sich gegen jene alten Wissensansprüche durchsetzen müssen, die sie bestreiten. Typisch vergleichgültigen sie zu diesem Zwecke ihre eigene Relativität und leiten sie daraus so etwas wie übergreifende Geltung ab (was dann in den sciences zu subdisziplinären Ausdifferenzierungen führt), typisch verweisen sie auf die Unzulänglichkeiten bisher etablierter Wissensbestände (was in den historisch-hermeneutischen Wissenschaften zu linguistic, iconic, spatial oder vergleichbaren turns führt); die entsprechenden Formeln in der Rhetorik von Anträgen auf Forschungsfinanzierung heißen ›Leerstelle‹, ›Forschungslücke‹, ›Noch wenig beachtete Probleme‹ oder ›bislang nicht untersuchte Fragen‹.


Aus dem Gesagten ergibt sich, dass mit Innovationsansprüchen immer auch Innovationskämpfe einhergehen, und diese folgen einem spezifischen Verlaufsmuster: Auf die Behauptung einer wissenschaftlichen Innovation folgt deren Prüfung und Bestreitung in Innovationskämpfen, die, sofern sie nicht unentschieden bleiben, entweder zur Akzeptanz des umstrittenen Wissens­anspruchs führen (wahr und neu), oder aber zu seiner Klassifikation als entweder unwahr (Irrtum: neu, aber falsch) oder als nicht neu (wahr, aber alt) oder als beides (falsch und alt). Wissenschaftliche Innovationen haben also nicht allein einen Bezug auf Temporalität (das Neue im Unterschied zum Alten). Sie besitzen auch selbst eine Temporalstruktur: Innovationen sind Prozesse des Kampfes um die Geltung des mit ihnen erhobenen Anspruchs. Und diese Überlegung lässt sich schließlich zuspitzen zu einem Paradox. Wenn es nämlich richtig ist, dass wissenschaftliche Innovationen eine Temporalstruktur besitzen, dann gibt es diese Innovationen – so gesehen – nur als vergangene. Erst nämlich, wenn der Innovationsanspruch eines wissenschaftlichen Wissens sich durchgesetzt hat, kann dieses überhaupt als Innovation (und eben nicht lediglich als einer unter mehreren konkurrierenden Innovationsansprüchen) bezeichnet werden. Doch im Moment der Durchsetzung dieses Anspruchs handelt es sich gerade nicht mehr um eine Innovation, sondern um eine etablierte Wissenskonvention, um einen kanonischen Wissensbestand – der dann seinerseits durch neue Innovationsansprüche bezweifelt und umgeordnet werden kann.


In dieser stetigen Prozesshaftigkeit von Innovationsansprüchen und Innovationskämpfen manifestiert sich das wichtigste Prüfverfahren der Wissenschaften. In ihm werden Wissensansprüche unter dem Code von ›wahr (richtig, korrekt) und falsch‹ sowie ineins damit unter dem Code von ›alt und neu‹ beobachtet. Es ist diese Logik von Innovationskämpfen, welche zugleich der Dynamik kollektiver wissenschaftlicher Erkenntnisprozesse zugrunde liegt und welche die Qualität wissenschaftlichen Wissens sichert. Das Wissenschaftssystem weist ihr daher mit gutem Grund eigene institutionelle Orte zu: peer review und Rezensionswesen, Konferenz und Evaluation, die Begutachtungs-, Bewertungs- und Entscheidungsverfahren von Förderorganisationen und manches mehr.


3. 


Die Wissenschaft ist damit befasst, neues Wissen in die Welt zu bringen: Sie steht daher konstitutiv in der doppelten Spannung von Traditionsanbindung und Traditionsabstoßung sowie der Behauptung und Überprüfung von Innovation. Insofern neue Wissensansprüche sich durchsetzen, indem sie etabliertes Wissen in veraltetes transformieren, kann man also – jedenfalls metaphorisch – auch auf wissenschaftliche Innovationen einen Ausdruck anwenden, der im innovationspolitischen und -ökonomischen Diskurs, vor allem in der Fassung Joseph Schumpeters, bis heute prägend wirkt: ›Schöpferische Zerstörung‹. Schumpeter selbst hatte dabei übrigens die Relationalität von Altem und Neuem stets vor Augen, er sprach von »Schöpferischer Zerstörung« als dem


Prozess einer industriellen Mutation – wenn ich diesen biologischen Ausdruck verwenden darf –, der unaufhörlich die Wirtschaftsstruktur von innen heraus revo­lutioniert, unaufhörlich die alte Struktur zerstört und unaufhörlich eine neue schafft,6

als einem Prozess mithin, in dem sich ökonomische Innovation als »Durchsetzung neuer Kombinationen«7 ereigne.


Ich will diese letztere Formel benutzen, um einen besonders wichtigen ­Typus auch von wissenschaftlichen Innovationen zu kennzeichnen. Gemeint ist neues Wissen, das aus dem gegebenen Bestand von Problemen und Lösungen extrapoliert wird, das also von der Position dieses gegebenen Wissens aus in gewissem Sinne antizipierbar ist und sich von ihm her als ›neue Kombination‹ auf gegebenen, vielleicht sogar planbaren Erkenntnispfaden ergibt. Dieses Wissen möchte ich das ›alte Neue‹ nennen; und das ist keineswegs polemisch gemeint, sondern deskriptiv-analytisch. Es handelt sich um den Typus eines Wissens, das besonders dort vorherrschend ist, wo sich Forschung im Schema von ›außer­wissenschaftlicher Problemvorgabe‹ und ›wissenschaftlicher Lösung‹, von ›gesellschaftlicher Frage‹ und ›Forschungsantwort‹ bewegt. Es geht hier um Nützlichkeiten, wobei neues wissenschaftliches Wissen als ein Instrument zur Lösung praktischer gesellschaftlicher Problemvorgaben verstanden ist; in freier Anlehnung an den Digitalitäts-Kritiker Evgeny Morozov könnte man auch von ›solutionistischem Wissen‹ sprechen.8 Dabei sollte nicht übersehen werden, dass solcher Solutionismus das Zweiseitenschema von Wissenschaft als Weltverstehen und Weltgestaltung zugunsten letzterer vereinseitigt und dass er Forschung zugleich in Pfadabhängigkeiten bringt, in denen jeweilige gesellschaftliche Relevanzannahmen, aktuelle Problemwahrnehmungen und derzeitige außerwissenschaftliche Lösungserwartungen a priori vorzeichnen und begrenzen, welches neue Wissen überhaupt in Zukunft als Lösung in Frage kommen kann. Solutionismus führt für die wissenschaftliche Innovation neben Korrektheit (Richtigkeit, Wahrheit) und Neuheit folglich ein drittes Kriterium ein, welches die anderen beiden begrenzt: außerwissenschaftliche Relevanz a priori.9

Mit dem Solutionismus im angedeuteten Sinne liegt ein Argumentations- und Deutungsschema vor, das auf ungezählte Forschungsaktivitäten zutrifft und das einem durchaus legitimen Anspruch moderner Wissenschaftsgesellschaften Rechnung trägt, von öffentlich finanzierter Forschung Antworten auch auf solche Fragen zu erhalten, die sich diesen Gesellschaften als dringliche stellen. Gleichwohl ist der Deutungsrahmen des Solutionismus nicht geeignet, die wissenschaftliche Produktion neuen Wissens überhaupt zu charakterisieren. Wissenschaft löst nämlich nicht allein Probleme, sondern sie schafft auch neue – einerseits als Folgen ihrer ›Lösungen‹ etwa bioethischer oder finanz­politischer Art, andererseits insofern, als sie ein Modus der Problematisierung von ansonsten gesellschaftlich gänzlich Unproblematischem ist (dass etwa Äpfel nach unten fallen oder dass beim Fahrrad das vordere Rad lenkbar ist und nicht das hintere). Überdies befasst sich Wissenschaft auch mit solchen Problemen (Sterblichkeit etwa), welche zwar analytisch verständlich gemacht werden können, aber doch nicht zu lösen sind in dem Sinne, dass sie dann aus der Welt geschafft wären. Und endlich bearbeitet Wissenschaft nicht zuletzt Aufgaben, die überhaupt nur schwerlich im Muster von Problem und Lösung gefasst werden können, weil sie etwa in eine unabsehbare Zahl höchst spezialisierter und unterschiedlicher Forschungsfragen auseinandergelegt werden müssen, um überhaupt ›beforschbar‹ zu sein; die sogenannten grand challenges wären hierfür das derzeit wohl prominenteste Beispiel.


Es kommt in der Wissenschaft, so wäre aus dem Gesagten zu folgern, nicht allein auf das alte Neue an, auf jenes Wissen, das antizipierbar, erwartbar, vorhersehbar, bis zu einem gewissen Grade auch planbar ist. Man muss vielmehr zugleich auch auf einen zweiten Typus neuen Wissens setzen, auf das neue Neue: auf das Innovative in einem emphatischen Sinne, auf Unvorhergesehenes, das die Bahnen des Vertrauten verlässt, auf Antworten, die nicht schon von den gestellten Fragen vorgezeichnet sind. Es geht bei diesem neuen Neuen also nicht bloß um bisher Ungedachtes, sondern zugleich um bisher ganz Undenkbares. Von grundlegenden Erweiterungen der Möglichkeiten, die Welt wissenschaftlich zu verstehen und sich anzueignen, ist die Rede: von solchen wissenschaftlichen Erwartungsdurchbrechungen, die sich nicht von der je etablierten Wissensordnung her als deren Folge beschreiben lassen.10

Der amerikanische Wissenschaftssoziologe Robert K. Merton sprach in dem Zusammenhang, um welchen es hier geht, von serendipity, vom Finden dessen, was man gar nicht gesucht hatte, obwohl man durchaus auf der Suche gewesen war.11 Und die weltgeschichtliche Bedeutung dieses Entdeckungsprinzips verdeutlicht am prägnantesten Kolumbus: Amerika war freilich keineswegs die Lösung für das Problem des Seeweges nach Indien und dennoch (in der Retrospektive) nicht gänzlich irrelevant. Charakteristisch für das neue Neue der serendipity ist also das Moment der Emergenz, die Entstehung von ­etwas, das aus seinen Voraussetzungen nicht deduzierbar ist, sowie ein Moment der Kontingenz, insofern es weder zufällig noch notwendig entsteht. Und typisch kann die Plötzlichkeit sein, mit der eine solche Erkenntnis sich einstellt, der Überraschungseffekt. Wissenschaftliche Innovationen in diesem Sinne des neuen Neuen sind Erwartungsdurchbrechungen, die sich womöglich retrospektiv als evolutionär rekonstruieren lassen, die im Moment ihres Auftretens aber als Disruptionen gegebener Wissensordnungen und Denkmöglichkeiten wirken. Wissenschaftliche Innovationen in diesem Sinne schaffen in gegebenen Wissensordnungen Unordnung, die dann zu deren Um- und Neuordnung führen mag.


4. 


Legt man sich das alte Neue und das neue Neue wissenschaftlicher Innova­tionsansprüche in der hier gewählten Weise auseinander, dann wird die Organisierung von Forschung zu einer paradoxen Aufgabe, also das Handeln in jenem Ensemble von Forschenden, Forschungseinrichtungen und Förderorganisationen, in dem es um die Produktion neuen Wissens und die Aushandlung von Ansprüchen auf Korrektheit, Richtigkeit oder Wahrheit sowie auf Neuheit geht.


Augustinus hat (um 400 n. Chr.) in einer so berühmten wie epochalen Stelle der Confessiones (XI, 20) Folgendes gedacht:


Das ist nun wohl klar und einleuchtend, daß weder das Zukünftige noch das Vergangene ist. Eigentlich kann man gar nicht sagen: Es gibt drei Zeiten, die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, genau würde man vielleicht sagen müssen: Es gibt drei Zeiten, eine Gegenwart in Hinsicht auf die Gegenwart, eine Gegenwart in Hinsicht auf die Vergangenheit und eine Gegenwart in Hinsicht auf die Zukunft. […] Gegenwärtig ist hinsichtlich des Vergangenen die Erinnerung, gegenwärtig hinsichtlich der Gegenwart die Anschauung und gegenwärtig hinsichtlich der ­Zukunft die Erwartung.12

Diese Einsicht ist nun über 1.600 Jahre alt und sie gilt, solange man einen totalen Determinismus, er sei theologisch oder szientistisch grundiert, für unbegründbar hält, solange also in der Welt mit Nicht-Notwendigem, mit Zufall und mit Kontingenz gerechnet werden muss. Aus dieser Einsicht ist für den gegebenen Argumentationszusammenhang allerdings zu folgern: Wenn es Zukunft allein als in der Gegenwart statthabende Erwartung oder Prognose gibt, und wenn, wie gesagt, Innovationen (in einem leidlich ernsthaften Sinne) Erwartungsdurchbrechungen sind, dann kann es Innovationen allein als das Scheitern von Prognosen geben.


In der Forschungsförderung, auch derjenigen durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG), führt dieser Umstand freilich direkt in eine gewisse Verlegenheit hinein: Förderentscheidungen beziehen sich auf Forschungsvorhaben, sie werden im Hinblick auf zukünftige Erkenntnis getroffen und beruhen daher in erheblichem Umfang auf entsprechenden Prognosen. Darin liegt ein systematisch schwer vermeidbarer Grund des Risikos, dass ein solches Fördersystem einerseits auf der epistemischen Seite von Wissenschaft das alte (prognostizierbare) Neue gegenüber dem neuen (nicht-antizipierbaren) Neuen bevorzugen und daher mehr mainstream hervorbringen könnte, als im Interesse der Fortentwicklung von Wissenschaft und Gesellschaft wünschenswert wäre.


Andererseits können Förderorganisationen nicht umhin, auf der institutio­nellen Seite von Wissenschaft ein gewisses Maß an Erwartungssicherheit und Planbarkeit herzustellen – sowohl für die antragstellenden Forscher wie für ihre Forschungsinstitutionen als auch für die Zuwendungsgeber. Die Erwartungen an derartige Planungssicherheit wachsen übrigens, je höher die Finanzvolumina sind, um die es geht. Und umgekehrt: Je weniger kalkulierbar – und in diesem Sinne: je riskanter – Forschungsprojekte sind, umso schwieriger wird es, ihre Finanzierung vernünftig zu begründen. Es sei denn, man stellte entweder die Begründung einer Projektfinanzierung von prognostischen Behauptungen auf gesellschaftliche Relevanzansprüche um, wie es öfter beispielsweise in der Klinischen Medizin oder der Klimaforschung beobachtet werden kann, oder man verschöbe den Fokus vom Projekt selbst auf die Person des Forschenden, also von prognostischen auf Reputations-Behauptungen; es ließe sich auch sagen: auf Vertrauen.


Stets vollzieht sich in diesem Spannungsfeld die Praxis von Förderorganisationen. Sie sind Institutionen, und als solche produzieren sie Geltungen und Erwartungssicherheiten, indem sie Kontingenz kulturell reduzieren.13 Sie ­sichern gegen Überraschungen ab, indem sie Ordnungen und Erwartbarkeiten herstellen. Sie müssen insofern als Organisationen speziell der Förderung von Innovationen also gerade die Erwartungsdurchbrechung erwartbar machen und etwas institutionalisieren, was durch Anti-Institutionalität ausgezeichnet ist: Wissensinnovationen eben.


In dieser paradoxen Spannung, in dieser Komplikation liegen eine spezifische Schwierigkeit und, wie ich gerne gestehe, auch ein besonderer Reiz des wissenschaftspolitischen und wissenschaftsadministrativen Handelns. In erheblichem Umfang hat es solches Handeln zu tun mit der Institutiona­lisierung des Nicht-Institutionalisierbaren, mit der Organisierung dessen, was sich als Erwartungsdurchbrechung der Organisierung im Grunde gerade entzieht. Und deswegen empfiehlt es sich, präzise zu formulieren: Wissenschafts- und Wissenschaftsförderorganisationen organisieren und institutionalisieren streng genommen keineswegs die innovativen Erkenntnisprozesse selbst, sondern ­lediglich die Bedingungen ihrer Möglichkeit.


5. 


Daraus ergeben sich nun freilich komplexe Anforderungen an die Wissenschaftsorganisierung. Sie muss, um das Beispiel hier metaphorisch zu wiederholen, sozusagen die Erforschung des Seewegs nach Indien in der Weise in Gang setzen, dass die Entdeckung Amerikas zumindest nicht unmöglich gemacht wird. Sie muss das neue Neue nicht weniger als das alte Neue ermög­lichen. Und die Wissenschaftsorganisierung muss zu diesem Zweck stets durchschauen und berücksichtigen, dass ihre eigenen institutionellen Logiken der Planbarkeit, der Erwartungssicherheit, der Kontingenz- und Komplexitätsreduktion dem Eigensinn innovativer Forschung entgegenlaufen. 


Aus diesem Grunde kommt den Universitäten im System organisierter Wissenschaft eine funktional herausgehobene Funktion zu. Sie sind der wichtigste Ort, über den moderne Wissenschaftsgesellschaften überhaupt verfügen, um das ganze disziplinäre Spektrum wissenschaftlicher Weltzugänge, die ganze Bandbreite der Funktionen von Wissenschaft in der Reproduktion, Produktion und Distribution wissenschaftlichen Wissens sowie schließlich auch den gesamten Fächer der Forschungsformen und -praxen jeweils aufeinander zu beziehen und sich gegenseitig steigern zu lassen. In den internen Spannungen indes, die dabei unvermeidlich und konstitutiv sind, entstehen eben jene Irritationen, jene Reibungen, jene Offenheiten, in denen sich die Durchbrechung gegebener Erwartungshorizonte, die Störung etablierter Wissensordnungen, das Ausscheren aus Pfadabhängigkeiten ergeben kann. Wenn es 
gut läuft.


Auf diese Leistungen der Universitäten ist in besonderer Weise auch die Forschungsförderung durch die DFG bezogen. Sie setzt daher ihre Schwerpunkte bei der Unterstützung universitärer Forschung, und zwar der besten erkenntnisgeleiteten Forschung, also derjenigen, die zunächst einmal – ganz unabhängig von den gesellschaftlichen Funktionen, die ihr im Weiteren zuwachsen – der Logik wissenschaftlicher Erkenntnisprozesse folgt. Und die DFG tut dies zumal gemäß dem Prinzip der Responsivität: Einzelne Forschende, Gruppen oder Institutionen können jederzeit, zu jedem wissenschaftlichen Thema und in annähernd jedem Format und Volumen Förderanträge stellen. Insofern sucht die Organisation in einem beträchtlichen Teil ihres Förderhandelns auf das zu reagieren, was sich als Eigensinn und Eigenlogik von Forschung artikuliert. Sie macht weniger thematische, disziplinäre oder strukturelle Vorgaben als es in anderen Formen der Forschungsfinanzierung der Fall ist, beispielsweise in der sogenannten programmorientierten Förderung mit ihren Planungszusammenhängen und Pfadabhängigkeiten oder in der Auftragsforschung mit ihren konkreten Zeit-, Etappen- und Zielvorgaben. Vielmehr versucht die DFG, möglichst flexible Anpassungen an wissenschaftliche Erkenntnisdynamiken zu ermöglichen.


Oben deutete ich an, dass und inwiefern dem aus Gründen der institutionellen Logik der Förderorganisation selbst Grenzen gesetzt sind. Wo sie liegen, muss immer wieder neu ausgetestet und ausgehandelt werden. Ein wichtiges Mittel dessen sind solche Förderformen, welche die Anforderungen an die Prognostizierbarkeit des Forschungsprozesses abzusenken versuchen. Dazu können einerseits zum Beispiel gewisse Formate der Einzelförderung oder Kollegstrukturen in Verbundprojekten, andererseits aber auch solche Formen der Förderung gehören, die nicht auf der Grundlage einer ex ante-Begutachtungen von Projekten, sondern auf einer ex post-Bewertung bereits vorliegender Forschungsleistungen beruhen, etwa Preise und Stipendien. Solche merit grants ziehen gewissermaßen eine mögliche systematische Konsequenz aus der Einsicht, dass es in der Wissenschaft gerade die intendierten unintendierten Folgen sein können, auf welche es in besonderer Weise ankommt.


Ich meine nicht, dass das gesamte System der Forschungsfinanzierung den Prinzipien der DFG folgen sollte oder könnte. Dies schon deswegen nicht, weil es falsch wäre, Forschungsfinanzierung vollständig auf eine wettbewerbliche Grundlage zu stellen; die wissenschaftliche Produktivität wettbewerblicher Drittmittel setzt umgekehrt eine verlässliche Grundfinanzierung von Forschung vielmehr voraus. Auch muss es komplementäre Alternativen der Forschungsfinanzierung geben, weil die DFG ausschließlich beste Forschung fördert, weil aber auch Forschung durchschnittlicher Leistungshöhe, schon als Induktionsbasis der selektiven Herausbildung von Leistungsspitzen, ordentlich finanziert sein muss. Es kommt also auf ein in sich auch finanzierungsstrukturell differenziertes System der Forschung an. Dessen Leistungsfähigkeit ­allerdings hängt entscheidend davon ab, dass es immer auch in hinreichendem Umfang Forschungsförderung nach jenen Prinzipien der Responsivität und nach jenen Ansprüchen an Forschungsqualität gibt, welche für die DFG leitend sind. Das Forschungssystem muss also als Ganzes überhaupt in der Lage sein, Bezüge, produktive Spannungen oder selbst Kollisionen zwischen seinen verschiedenen Sektoren herzustellen. Solche produktive Rückkoppelungen, Rekursionen und Überkreuzungen zwischen verschiedenen Richtungen von Forschung haben institutionelle ebenso wie finanzielle und finanzstrukturelle Voraussetzungen. Sie setzen ausbalancierte Verhältnisse voraus zwischen jenen Strukturen, die insbesondere für das alte Neue, für die an gesellschaftlichen, wirtschaftlichen oder politischen Relevanzen und Programmen orientierte Forschung eingerichtet sind, und denjenigen, die zumal für das neue Neue sowie den Eigensinn wissenschaftlicher Welterkenntnis die Möglichkeitsbedingungen herstellen; dies konkreter auszuführen wäre ein weiteres Thema für eine andere Gelegenheit. Jedenfalls: An solchen ausbalancierten Verhältnissen müssen auch die Wissenschaftsgesellschaft und ihr technisch-ökonomisches Innovationssystem ein genuines Interesse haben.

  1. 1Der Text folgt weitgehend dem Vortrag, den ich am 15.4.2014 in Dresden hielt. Teilweise wiederholte ich dabei Beobachtungen und Argumente, wie sie in Form und Wortlaut andernorts bereits publiziert wurden (vgl. insbesondere Peter Strohschneider, »Innovative Philologie?«, in Hartmut Kugler (Hg.), www.germanistik2001.de. Vorträge des Erlanger Germanistentages, Bielefeld 2002, Bd. 2, S. 901–924; ders., »Das Neue und die Universität«, in Frankfurter Allgemeine Zeitung, 15.2.2013, S. 7). Aus beiden Gründen beschränken sich Nachweisungen auf das Unumgängliche.

  2. 2Pakt für Forschung und Innovation, EFI (Expertenkommission Forschung und ­Innovation), Innovationsindikator (der Telekom-Stiftung) usw.

  3. 3Vgl. dazu insbesondere Rudolf Stichweh, Zur Entstehung des modernen Systems wissenschaftlicher Disziplinen. Physik in Deutschland 1740–1890, Frankfurt a. M. 1984, bes. S. 39 ff.

  4. 4Niklas Luhmann, Die Wissenschaft der Gesellschaft, Frankfurt a. M. 1990, S. 296.

  5. 5Erwin Chargaff, Ernste Fragen. Essays, Stuttgart 2000, S. 259.

  6. 6Joseph Schumpeter, Kapitalismus, Sozialismus und Demokratie, Tübingen 1950, S. 137 f.

  7. 7So die Formel in der bereits 1912 erstmals erschienenen Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung; vgl. Joseph Schumpeter, Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung. Eine Untersuchung über Unternehmergewinn, Kapital, Kredit, Zins und den Konjunkturzyklus, Berlin 1964, S. 99 ff.
  8. 8Vgl. Evgeny Morozov, To save everything, click here. The Folly of Technological Solutionism, New York 2013.

  9. 9Beispiele dafür gibt es zuhauf, etwa in der Klima- und Nachhaltigkeitsforschung, in der Gesundheitsforschung, in der Mobilitätsforschung oder in der Demografie. Hier, also im Bereich dessen, was man auch grand challenges nennt, ist tendenziell je schon vorselegiert, welches neue Wissen als Lösung gesellschaftlicher Probleme in Frage kommt (Lithium-Ionen-Batterieforschung eher ja, Forschung zu Konsumgewohnheiten eher nicht; Forschung zu neurodegenerativen Erkrankungen eher ja, zu pädiatrischen Fragen eher nicht usw.). Ich darf in diesem Zusammenhang auf zwei eigene Aufsätze verweisen: Peter Strohschneider, »Zur Politik der Transformativen Wissenschaft«, in André Brodocz u. a. (Hg.), Die Verfassung des Politischen (Festschrift für Hans Vorländer), Wiesbaden 2014, S. 175–194; ders., »Funktionale Zweckfreiheit von Wissenschaft. Eine Erfahrungsskizze«, in Ronald Hitzler (Hg.), Hermeneutik als Lebenspraxis (Festschrift für Hans-Georg Soeffner), Weinheim 2015, S. 293–305.

  10. 10Wenigstens prospektiv nicht, denn in der Retrospektive kann das freilich anders sein, da mag die Wissenschaftsgeschichte rekonstruieren können, inwiefern die Erwartungsdurchbrechung längst schon sozusagen ›in der Luft gelegen‹ hatte.

  11. 11Vgl. Robert K. Merton und Elinor Barber, The Travels and Adventures of Serendipity. A Study in Sociological Semantics and the Sociology of Science, Princeton 2006.

  12. 12Augustinus, Die Bekenntnisse, nach der Übersetzung von O. [L]achmann, Passau 1960, S. 202 f.

  13. 13Dies bedarf nach den Forschungen des Dresdner SFB 537 »Institutionalität und Geschichtlichkeit« (1997–2009) am gegebenen Ort schwerlich einer eigenen Begründung.
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Heft 17 (2017)
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