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Das Institut für Literatur ›Johannes R. Becher‹, Leipzig (1955–1993)


Literarische Schreibprozesse im Spannungsfeld von kulturpolitischer Vereinnahmung, pädagogischem Experimentieren und poetischem 
Eigensinn


Der Forschungsgegenstand


Das Institut für Literatur wurde zu Beginn des Jahres 1955 auf Beschluss der SED-Parteiführung in Leipzig gegründet. Im September desselben Jahres nahm man den Lehrbetrieb auf. Als Gründungsdirektor konnte mit dem in sozialistischer Bewusstseinsbildung erfahrenen Schriftsteller Alfred Kurella ein Kulturfunktionär erster Güte gewonnen werden. In seiner eher kurzen zweijährigen Amtszeit prägte Kurella die Leitlinie des Instituts maßgeblich. 1958 erhielt das Institut Hochschulstatus. Im Jahr darauf wurde ihm der Name des ehemaligen Kulturministers der DDR verliehen, sodass fortan vom »Institut für Literatur ›Johannes R. Becher‹« die Rede war.


Im Verlauf des ersten Jahrzehnts hatte man drei Studienrichtungen entwickelt, in denen insgesamt 990 Studierende ausgebildet wurden. Man unterschied ein Direktstudium, ein Fernstudium und einen Sonderlehrgang. Den dreijährigen Direktstudiengang schlossen die Studierenden mit einem Diplom ab; für das berufsbegleitende dreijährige Fernstudium erhielten Absolventen ein sogenanntes ›Teildiplom‹. Die Sonderlehrgänge für arrivierte Autoren und Kulturschaffende dauerten in der Regel ein Jahr und verliefen ohne abschließende Prüfungsverfahren.


Die Lehre am Institut setzte sich zum einen aus den sogenannten ›Schöpferischen Seminaren‹ für Prosa, Lyrik und Dramatik zusammen und zum anderen aus wissenschaftlichen Seminaren und Vorlesungen zu Gesellschaftswissenschaften (Marxismus-Leninismus), Literaturgeschichte, Allgemeiner Geschichte, Ästhetik und Deutscher Sprache. Obligatorisch waren darüber hinaus mehrwöchige Praktika, die während des Studienjahres »in sozialistischen Großbetrieben, vor allem im Partnerbetrieb, dem Braunkohlenkombinat Regis geleistet«1 wurden.


Dozenten des Instituts kamen aus unterschiedlichen Bereichen: Schriftsteller wie auch Hochschullehrer konnten sich qualifizieren, aber auch Kulturfunktionäre und Personen mit überzeugender kommunistischer Vergangenheit lehrten am Institut. Um ein Studium am Becher-Institut aufzunehmen, galten hingegen klare Kriterien. Begabung allein reichte nicht aus: Eine vorhergehende Berufsbildung (Studium, Lehre) war genauso Bedingung wie erste Veröffentlichungen. Günstig erwiesen sich zudem Empfehlungen durch die Arbeitsgemeinschaften junger Autoren des Schriftstellerverbandes, Zirkel schreibender Arbeiter oder die Poetenseminare der FDJ. Dies führte dazu, dass die Studierenden des Becher-Instituts in der Regel älter waren als Studienanfänger an anderen Hochschulen.


Untersuchungsschwerpunkte


Unser Forschungsprojekt nimmt erstmalig eine profunde Einordnung des kulturpolitischen Stellenwerts bzw. eine genauere Analyse der produktiven Rolle vor, die dem Becher-Institut als Ausbildungsstätte zahlreicher später bedeutender Autoren über vier Dekaden hinweg zukam. Hierbei sind vier Aspekte von besonderer Relevanz: 1.) die historische Aufarbeitung des Auf- und Ausbaus, der Arbeitsstrukturen und Entwicklungsphasen des Instituts, 2.) die Dokumentation und Analyse der kulturpolitischen Einflüsse auf die Ausbildungssituation, 3.) die Bestimmung der ästhetischen Qualität und gesellschaftspolitischen Relevanz der aus dem Becher-Institut hervorgegangenen literarischen Erträge und 4.) die Erörterung der Ausbildungskonzeption und -praxis sowie der Beziehungskonstellationen am Becher-Institut hinsichtlich der epistemischen Bedeutung für die Diskussion um die Lehr- und Lernbarkeit literarischen Schreibens.


Vergegenwärtigt man sich das Aufgabenspektrum und die Zielstellung des Becher-Instituts am Beispiel von Alfred Kurellas programmatischen, in der Gründungsrede des Instituts formulierten Anspruch, »literarische Meisterschaft«2 zu erzielen und mit den Mitteln einer besonderen Ausbildung zu etablieren, ergibt sich ein Spannungsfeld, in dem kulturpolitische, literaturpädagogische und ästhetische Ansprüche aufeinandertreffen und die rekonstruierbare Praxis der institutionalisierten Schreibprozesse im Verhältnis zu ihren literarischen Ergebnissen exemplifiziert werden kann.


Archivbestände, Quellen und methodische Grundüberlegungen


Folgendes Quellenmaterial bildet die Grundlage für die Untersuchung des Becher-Instituts:


  1. Die nachgelassenen Akten des Instituts (Staatsarchiv Leipzig) sowie Nachlässe und Stasi-Unterlagen von Institutsangehörigen (Archiv der Akademie der Künste, Archiv des BStU),

  2. autobiografisches Material (Memoiren, Erinnerungen, Briefwechsel und eigens erhobene Zeitzeugenaussagen),

  3. Pressematerial über das Institut und Zeugnisse der hauseigenen Öffentlichkeitsarbeit (zu DDR-Zeiten und nach der Wiedervereinigung),

  4. aus dem Studium hervorgegangene literarische, poetologische und ästhetische ­Arbeiten.


Methodisch stützen wir uns in einem weiteren Sinne auf das Verfahren des ›New Historicism‹, einer kulturwissenschaftlich orientierten Literaturforschung, die unterschiedliche Textformen aus vergangenen Kulturpraxen miteinander »in Verhandlung«3 treten lässt. Dabei werden etwa die aus der Ausbildung hervorgegangenen literarischen Arbeiten mit dem offiziellen Archivmaterial des Instituts ebenso in Beziehung gesetzt wie mit Direktiven und Verlautbarungen aus der Kulturpolitik oder mit geisteswissenschaftlichen Untersuchungen bzw. philosophischen Erkenntnissen und gesellschaftlichen Diskursen. Gleichwohl fällt das autobiografische Material dabei entscheidend ins Gewicht. Als besonders einschlägig gilt uns dieser Ansatz, da er nicht von ideologischen Vorzeichen oder normierenden Kräften ausgeht, sondern diese allenfalls aus den vorliegenden Archivbeständen in Form von kulturellen Konstellationen und Denkmustern als Ergebnis herausliest. Durch eine solche Herangehensweise an das Quellenmaterial haben wir uns drei unterschiedliche, aber permanent ineinandergreifende Untersuchungskategorien erschlossen – die historische, thematische und perspektivische Kategorie.


Historische Kategorie


Synchrone wie auch diachrone Vergleiche lassen historische Gewichtungen und Auslotungen zu. Synchron ist zum Beispiel die Untersuchung des Instituts im Gründungsjahr – die grund- und maßgebende Experimentierphase für die weitere Entwicklung des Studienverlaufs. Der diachrone Vergleich unterschiedlicher Erfahrungen, Einschätzungen und Ereignisse über die vier Dekaden hinweg bzw. auf der Folie kulturpolitischer Zäsuren, macht hingegen den Wandel ästhetischer und ideologischer Leitlinien langfristig nachvollziehbar und hilft, didaktische Entwicklungsprozesse zu rekonstruieren.


Thematische Kategorie


Hier eruieren wir literatursoziologische und -politische sowie poetologisch-­ästhetische Themenkomplexe und untersuchen ihre Relation zueinander. So werden etwa hinsichtlich der Entwicklung von Autorenbiografien unterschiedliche Bewertungsmuster zum Einfluss des Studiums auf den Werdegang analysiert. Darüber hinaus kommen die Auswirkungen der (kultur-)politischen Kontrolle auf die literarischen Erträge in den Blick. Bezüglich der ästhetischen und literarischen Ansprüche und der Ausbildungspraxis wird die Bedeutung des ­ästhetischen Konzepts des ›Sozialistischen Realismus‹ erörtert.


Perspektivische Kategorie


Ambivalenzen und Widersprüchlichkeiten, etwa zu Fragen der kontroversen Einschätzungen der Institutspolitik, lassen sich einordnen, indem Zeitzeugenaussagen, offizielle Dokumente aus Institutsakten sowie kulturpolitischen Forderungen einander gegenübergestellt werden.


Die Erfahrung unserer bisherigen Forschungspraxis, in der sich in der Gegenüberstellung unterschiedlichster Zeugnisse und Dokumente wiederkehrend Widersprüche ergaben, hat gezeigt, dass ein quellenkritischer Umgang mit dem heterogenen Material notwendig ist. So liefern die offiziellen Akten des Instituts aus historischer Perspektive authentische Momentaufnahmen und sprechen mithin eine ganz andere Sprache als die Zeitzeugenerinnerungen, die als rückwirkende Zuschreibungen und Sinnkonstrukte immer in einen größeren biografischen Zusammenhang zu stellen sind. Gleichzeitig aber ist zu fragen, inwieweit die offiziellen Akten des Instituts im Moment ihres Entstehens bereits manipuliert wurden – etwa zum Zwecke pragmatisch-ideologischer Absicherung bzw. der Selbsterhaltung, was neben Rechenschaftsberichten auch Sitzungs- und Seminarprotokolle betrifft.


Und: auch die Biografie der Forscher kann in diesem Zusammenhang nicht ausgeblendet werden, bewegen wir uns doch im zeitgeschichtlichen Kontext, das heißt in einer »Epoche der Mitlebenden und ihre[r] wissenschaftliche[n] Behandlung«.4 Dass dabei die Fragen nach Herkunft, Erfahrungshorizont bzw. Generation der Forschenden mehr als in der Erforschung jeder anderen historischen Epoche eine Rolle spielen, darf weder unterschlagen noch überbewertet werden.


Periodisierung anhand (kultur-)politischer Zäsuren


Die Sichtung des Quellenmaterials und seine Einordnung in die größeren gesellschaftlichen Zusammenhänge zeigen den erheblichen Einfluss der kulturpolitischen Zäsuren der DDR auf den Lehrbetrieb des Becher-Instituts und die Beziehungsstrukturen seiner Akteure. Um diese Verbindungen zu größeren Entwicklungslinien und Zusammenhängen der DDR-Kulturpolitik darzustellen, erscheint uns eine Periodisierung gewisser Ereignisse, Vorkommnisse und Sanktionen am Becher-Institut anhand folgender kulturpolitischer Zäsuren hilfreich:


Bereits ein halbes Jahr nach der Gründung des Literaturinstituts erfolgte mit der Geheimrede Chruschtschows über die stalinistischen Verbrechen auf dem XX. Parteitag der KPdSU im Februar 1956 ein politischer Einschnitt, der auch den Unterrichtsalltag nicht unberührt ließ. Dass eine offizielle Positionierung der Direktion gegenüber der Vernichtungspolitik Stalins ausblieb, empörte die Studierenden des ersten Jahrgangs und veranlasste sie zu heftigen Diskussionen mit ihren Lehrkräften.


Als nächstes einschneidendes Ereignis ist der Beschluss des ›Bitterfelder Weges‹ im April 1959 zu nennen. Das seit diesem Jahr unter dem Namen 
›Johannes R. Becher‹ firmierende Institut reagierte auf den neuen ästhetischen und kulturpolitischen Leitdiskurs mit einer wesentlichen Umstrukturierung des Studiums. Aufnahmequoten für schreibende Arbeiter wurden eingeführt, es erfolgte die Einrichtung eines Fernstudiums für Arbeiter, und Betriebspraktika galten nun als verpflichtender Teil des Studiums. Gegenüber der herrschenden ästhetischen Ausrichtung am ›Sozialistischen Realismus‹ erstarkte nun aber auch das Interesse an der Lyrik, aus dem sich die ›Sächsische Dichterschule‹ im Umfeld des am Becher-Institut lehrenden Professors Georg Maurer entwickelte.


Das 11. Plenum des ZK der SED im Jahre 1965 gilt als eine der folgenreichsten kulturpolitischen Zäsuren in der DDR, die auch gravierende Auswirkungen auf die Institutspolitik hatte. Eine verstärkte Kontrolle durch das Ministerium für Kultur (MfK) und den Deutschen Schriftstellerverband führte zu ideologischen Verschärfungen des Auswahlverfahrens und zur Eröffnung von Disziplinarverfahren, die in zahlreiche Exmatrikulationen mündeten. Im Zusammenhang dieser Vorgänge, die sich vor dem Hintergrund des ›Prager Frühlings‹ zuspitzten, erfolgten auch der Rücktritt des stellvertretenden Direktors Horst Nalewski und die Suspendierung des Dozenten Werner Bräunig. Im Jahr 1967 wurde vom MfK sogar kurzzeitig in Erwägung gezogen, das Becher-Institut zu schließen, worauf die SED mit wiederholten Überprüfungen der Studierenden und des Lehrkörpers durch den Staatssicherheitsdienst reagierte.5

1971 erfolgte der Machtwechsel von Walter Ulbricht zu Erich Honecker, an den sich eine Tauwetterperiode anschließen sollte, die am Becher-Institut zur kulturpolitischen Enttabuisierung und Entfaltung literarischer Freiheit führte. Eine Entwicklung innovativer literarisch-ästhetischer Prozesse wurde in Gang gesetzt, während im Auswahlverfahren wieder das Kriterium der künstlerischen Eignung in den Vordergrund rückte.


Allerdings endete spätestens mit der Ausbürgerung Wolf Biermanns im November 1976 die Tauwetterperiode auch für das Becher-Institut, was sich nicht zuletzt in der Zunahme der Zahl der ›Operativen Vorgänge‹ durch die Staatssicherheit zeigte.


Der letzen Zäsur im Jahr 1989/90, dem Mauerfall und der Wiedervereini­gung, folgte schließlich das Ende des Becher-Instituts. Am 12. Dezember 1990 verfügte die Sächsische Landesregierung in Dresden die »Abwicklung« des Instituts mit dem Argument, das Studienangebot entspreche nicht »den Anforderungen, die eine freiheitliche Gesellschaft, ein demokratischer Rechtsstaat und eine soziale Marktwirtschaft an Lehre und Forschung stellen«, da der Unterricht »einseitig auf eine Ideologie und auf die Staats- und Gesellschaftsordnung des ›real existierenden Sozialismus‹ festgelegt« sei.6 Dieses Urteil bezieht sich vor allem auf die Gründungsgeschichte des Instituts: »Es war ein sozialistisches deutsches Literaturinstitut,« erklärte ein Abgeordneter der Landesregierung den Beschluss: »An einem Institut, das einst von Alfred Kurella und Max Zimmering stalinistisch geprägt worden sei, ginge es nicht, daß in alte Strukturen neuer Geist einziehe.«7 Die Dozenten und Studierenden des Instituts protestierten gegen eine solch pauschale Begründung und forderten eine differenzierte Untersuchung der Institutsgeschichte.


Bis zur Erfüllung dieser Forderung sollten Jahrzehnte vergehen: 2013, zwanzig Jahre nach der Schließung des Instituts und der anschließenden Neugründung des Deutschen Literaturinstituts Leipzig (DLL), begann unser Projekt mit der ersten umfassenden Aufarbeitung.8 In drei Einzeluntersuchungen präsentieren wir im Folgenden einige unserer Forschungsergebnisse: Zunächst stellen wir die maßgeblichen Debatten zu den ästhetischen und ideologischen Kategorien ›Realismus‹ und ›Formalismus‹ in der Gründungsphase des Literaturinstituts vor; anschließend wird das Institut als didaktisches Experimentierfeld im Kontext kontroverser Diskussionen um Lehr- und Lernbarkeit literarischen Schreibens in den Blick genommen; abschließend rücken die kulturpolitische Kontrolle, Sanktionen und die Kooperation mit der Staatssicherheit in den 1960er Jahren in den Fokus.


Die ästhetische und ideologische Bedeutung von Realismus und Formalismus für die Schriftstellerausbildung am Institut für Literatur


Mit der Entscheidung, Alfred Kurella zum Gründungsdirektor des Instituts für Literatur zu ernennen, wurden zugleich kulturpolitische bzw. ästhetische Weichen gestellt, deren Auswirkungen sich noch vierzig Jahre später in der Phase der Abwicklung des Becher-Instituts bemerkbar machen sollten. Der 1895 in Niederschlesien geborene Schriftsteller, Journalist und Kulturfunktionär hatte sich bereits während seines 20-jährigen Aufenthalts in der Sowjetunion kommunistische Meriten erworben. Als er sich 1954 in der DDR niederließ, ging ihm der Ruf voraus, ein überzeugter Vertreter sozialistischer Literaturvermittlung und Literaturproduktion zu sein. Die Ausbildung von Schriftstellern hatte sich Kurella zufolge ausschließlich nach den Prinzipien des Sozialismus zu richten, wobei die »Grundhaltung des Schriftstellers […] seine bejahende Haltung zu den Entwicklungstendenzen, die zum Sozialismus führen«,9 entscheidend sein sollte. Seines Erachtens waren für das literarische Schaffen vor allem die Wahl der Inhalte bzw. Themen ausschlaggebend und weniger die »Fragen der Form und des Stils«.10 Als glühender Verfechter des ›Sozialistischen Realismus‹ war er ein ebenso leidenschaftlicher Verächter der ›Klassischen Moderne‹, die er unter das Verdikt des ›Formalismus‹ subsumierte, den es laut eines Beschlusses des 5. Plenums des Zentralkomitees der SED vom 17. März 1951 zu bekämpfen galt. Eben auf diesem Plenum wurde auch der ›Sozialistische Realismus‹ als ästhetisches Konzept nach sowjetischem Vorbild zur maßgeblichen Kultur-Doktrin der DDR erklärt. An- und Aufforderung an den Schriftsteller sollten fortan darin bestehen, einer inhaltlich klar umrissenen und nicht in Zweifel zu ziehenden sozialistischen Programmatik und Handlungsmaxime zu folgen, die neben dem optimistischen sozialistischen Selbstverständnis die realistische Darstellung von ›positiven Helden‹ und eine Allgemeinverständlichkeit der Kunst verlangte. Über die wirklichkeitsgetreue Gestaltung hinausgehend, bestand eine weitere wesentliche Aufgabe des ›Sozia­listischen Realismus‹ darin, die Zukunft einer vom Sozialismus durchwirkten Welt in Aussicht zu stellen. Optionen und Probleme poetologischer Verfahren standen in diesen ästhetischen Konzeptionen nicht im Vordergrund. Vielmehr wurden alle ästhetischen Ansätze, die sich nicht an die Kriterien und Inhalte der kulturpolitisch verabschiedeten Verordnungen hielten, als ›Formalismus‹ verurteilt.11 Entsprechend untersagte Alfred Kurella als linientreuer Direktor des Instituts für Literatur strikt jegliche Plädoyers für formale Aufgeschlossenheit und ästhetische Unkonventionalität, wie sie etwa von Bertolt Brecht und Hans Mayer vertreten wurden.12 In solchen Bestrebungen sah er nur die spätbürgerliche Dekadenz der ›Klassischen Moderne‹ fortgesetzt, deren


Verarmung und Entleerung des praktischen Lebens in der imperialistischen Phase der Entwicklung [begleitet wird] von einer Auflösung der Formen nicht nur in allen Künsten, sondern auch in den Beziehungen der Menschen untereinander. Zur Begründung dieses ganzen Verfalls bemüht sich eine Schar von Theoretikern, das klassische Menschenbild aufzulösen[,] die ›Nachtseiten‹, das Tierische in der menschlichen Natur ins Blickfeld zu rücken, Entartung und Krankheit zu verherrlichen.13

Diese im Ton erschreckend nah am Jargon der Nationalsozialisten orientierte Kunstauffassung missfiel indes auch etlichen Studenten am Institut für Literatur. Erich Loest, Ralph Giordano, Fred Wander und Adolf Endler – alle vier waren Studenten des ersten Jahrgangs – bekundeten ihr Befremden gegenüber der dogmatischen Haltung Kurellas. Von Giordano wird Kurella des »Schmalspurismus« bezichtigt, der »keine Veränderung«, sondern »Bestätigung des Dogmas«, »keine Unruhe«, sondern »Glauben« von den Studenten fordere.14 Loest erschien Kurellas ästhetischer Anspruch höchst reduziert, bestand er doch seines Erachtens darin, »die Beschlüsse der Partei mit den Mitteln der Literatur den Massen nahezubringen.«15 Fred Wander hat ihn als unverbesserlichen Stalinisten in Erinnerung,16 und auch Endler entsinnt sich »unsäglicher Stalinismen«17 aus dem Munde des Institutsdirektors. So habe er unter anderem den Studierenden erklärt »daß diese Schriftsteller, wie Babel, in Moskau nicht wegen ihrer literarischen Abweichungen oder Formalismen erschossen worden sind, sondern wegen ihrer politischen Untergrundtätigkeit.«18 Auch seine Fähigkeiten als Pädagoge wurden angezweifelt. Obwohl Kurella in seiner programmatischen Rede auf der Eröffnungsveranstaltung des Instituts für Literatur die »Lehrbarkeit der literarischen Meisterschaft« proklamiert hatte, war er Erich Loest zufolge als Lehrender kaum dazu geeignet, dies praktisch umzusetzen.19 In Diskussionen mit seinen Studenten habe Kurella grundsätzlich nicht gelten lassen, »was ihm nicht behagte, und [er] griff an, wo er ­Lücken fand. […] Hier ging es nicht um Literatur, sondern um die Macht über Literatur.«20 Diese sehr einseitige und keine Widersprüche akzeptierende Haltung spiegelt sich auch in zahlreichen Artikeln und Vorträgen wider, die Kurella in den 1950er Jahren veröffentlichte.21

Dass es gleichwohl einen anderen Unterrichtsstil am Literaturinstitut gab und auch über den Tellerrand der ästhetischen Konventionen des Sozialistischen Realismus geschaut wurde, zeigen die nachgelassenen Seminarprotokolle des berühmten Dadaisten und Verlegers Wieland Herzfelde, der von 1955 bis 1956 als Dozent für Prosa die erste Matrikel unterrichtete, zu der auch die vier bereits Genannten gehörten. Die Unterrichtsprotokolle, die den Verlauf der Prosaseminar-Sitzungen dokumentieren, an denen bis zu 20 Hörer teilnahmen, geben Aufschluss über eine weitgehend undogmatische Diktion und eine liberale Diskussionsatmosphäre, die Kontroversen zuließ, statt sie zu unterbinden.22 Man diskutierte u. a. über die Notwendigkeit von ästhetischen Kategorien des Einzigartigen, über das Außergewöhnliche von Literatur wie auch über die Literatur des Außergewöhnlichen – alles Aspekte, die mit den Kriterien des Typischen und Volkstümlichen, wie sie der ›Sozialistische Realismus‹ vorsah, nicht unbedingt übereinstimmten.23 Entsprechend äußerten die Studierenden in dem Prosa-Seminar ihren Unmut über die von der DDR-Kulturpolitik verordnete Zensur und das Verbot von Literatur, die der DDR-Doktrin nicht entsprach.24 Zum Beispiel meldet sich mit Zustimmung Herzfeldes der Student Gotthold Gloger mit folgendem Kommentar zu Wort:


Um Kunst- und Literaturrichtungen abzulehnen, muss man sie erst kennenlernen. Man müsste auch in der DDR westliche Literatur zu lesen und z. B. abstrakte Kunstwerke zu sehen bekommen, damit man darüber diskutieren kann. Man darf sie den Menschen in der DDR nicht jahrelang einfach vorenthalten.25

Auch der Student Walter Püschel plädiert in einer anderen Seminarsitzung für eine öffentliche Auseinandersetzung über Literaturverbote.26

Besonders kritisch wurde Georg Lukács’ einschlägiger Essay Erzählen oder Beschreiben? im Herzfelde-Seminar beleuchtet, obwohl der ungarische Literaturkritiker mit seinem Realismus-Konzept zu diesem Zeitpunkt noch maßgeblich die Ästhetik des ›Sozialistischen Realismus‹ in der DDR prägte.27 Der 1936 von Lukács veröffentlichte Essay erörtert zwei im 19. Jahrhundert entwickelte Realismuskonzeptionen vor dem Hintergrund der Frage, inwieweit sie als ­literarisches Erbe für die Erneuerung einer Literatur auf der Basis einer marxistisch-sozialistischen Literaturtheorie Geltungsanspruch behaupten können. Lukács unterscheidet zwischen einem alten klassischen Realismus und einem modernen Realismus. Den klassischen Realismus mit seinem Gestaltungsprinzip des Erzählens erhebt er zur Norm des ›Sozialistischen Realismus‹. Der neue bzw. moderne Realismus hingegen wird von ihm als Vorbild für eine an den Maßstäben des Sozialismus orientierte zeitgenössische Narration entschieden abgelehnt. Denn wo der Realismus alter Schule mit seinem Kompositionsprinzip des Erzählens sinnstiftend, meinungsbildend und moralisierend wirke, da vertrete das Kompositionsprinzip des ›modernen‹ Realismus Fatalismus, Indifferenz und Amoralität.28 Damit seien dessen Vertreter aber zugleich zu Schriftstellern »im Sinne der kapitalistischen Arbeitsteilung«29 geworden im Unterschied zu den Vertretern des erzählenden Realismus, die sich eben noch nicht der kapitalistischen Arbeitsteilung unterworfen hätten.30 Unschwer erkennen lässt sich, dass mit der Abwertung des modernen Realismus gleichsam auch auf die literarischen Bewegungen jener Autoren angespielt wird, die im Sozialismus in der DDR bis mindestens in die 1970er Jahre hinein ungebrochen als Formalisten verpönt galten. Naturalisten, Symbolisten, Impressionisten, Expressionisten, Futuristen oder Surrealisten wenden sich Lukács zufolge ab sowohl von den Leistungen eines modernen bürgerlichen als auch sozialen Realismus. Diese Abkehr führe zu sinnentleerenden und destruktiven Gestaltungsprinzipien in avantgardistischen Strömungen der Kunst, die das Erbe des Humanismus verraten hätten.31

Die Seminargruppe begegnete diesen stark normierenden und instrumentalisierenden Vorgaben für die Literaturproduktion mit Skepsis. Der moderne Roman sozialistischer Prägung vertrage eine solche »Entweder-Oder-Entwicklung« kaum.32 Lukács’ rigoroses Werturteil bezüglich der jeweiligen Methoden des Schreibens lehnte man indes auch als viel zu einseitig ab.33 In seiner Rolle als Dozent bezog Wieland Herzfelde eindeutig Stellung gegen Lukács’ ästhetische Position und forderte die Studierenden zur kritischen Lektüre auf. So trat er nachdrücklich einer Normierung von Literatur entgegen: »Für das Schreiben kann man […] keine ewigen Regeln aufstellen«.34 In Anlehnung an Bertolt Brecht und Hans Mayer – und damit gegen Lukács und Kurella – plädierte er überdies für innovative Methoden und Formen, um die mit dem Sozialismus verbundenen Herausforderungen literarisch fruchtbar werden zu lassen.35 Andererseits zeigen die Seminarprotokolle, dass ihm der Duktus des Dogmatischen und Tendenziösen im Unterschied zu Kurella in Gänze fehlte. Vielmehr legte er Wert auf die Vermittlung profunden Wissens über die historischen Zusammenhänge und Sachverhalte und warnte seine Seminarteilnehmer wiederholt vor ahistorischen und vereinseitigenden Kurzschlüssen. 


Wieland Herzfeldes poetologische Positionen waren mit denen Alfred Kurellas indes auch kaum in Übereinstimmung zu bringen. Dass dennoch die Möglichkeit bestand, sie so offen wie offensiv im Seminar zu vertreten und den Studierenden zu vermitteln, verweist auf eine Praxis, die in dem vier Jahrzehnte bestehenden Becher-Institut in wiederkehrenden Phasen zu beobachten ist – die Tendenz einer relativen Autonomie der Dozenten und des Curriculums. Trotz vorgegebener offizieller Leitlinie, am Institut für Literatur Schriftsteller im Geiste eines ›Sozialistischen Realismus‹ auszubilden, dessen kulturpolitische Ausrichtung klar und deutlich schien, war es bereits im Gründungsjahr wie auch in späteren Jahren weitgehend möglich, in den Seminaren selbst gegen diese Ausrichtung zu argumentieren bzw. sie vollständig zu ignorieren. Neben Wieland Herzfelde, der nur ein Jahr am Institut für Literatur lehrte, ist als ein weiterer höchst undogmatischer Dozent der Lyriker Georg Maurer zu nennen. Maurer, der von 1955 bis 1970 als Professor für Lyrik am Becher-Institut wirkte, verwahrte sich gegen jede Art von ästhetischer Indoktrinierung und legte größten Wert auf die Vermittlung von poetischer Genauigkeit und Unbestechlichkeit abseits politischer Vorgaben (siehe ausführlicher unten im Abschnitt zur Unterrichtspraxis).


Noch während der Abwicklungsphase des Becher-Instituts wurde indes auch resümiert, dass Alfred Kurella und Georg Maurer stellvertretend für einen Konflikt stehen, der das Institut von Anbeginn an bis 1989 beschäftigt 
hatte.


Alfred Kurella, der erste Direktor des Instituts gehörte zu den kommunistischen Intellektuellen, vor denen sich die eigenen Genossen fürchteten, zugleich lehrte aber auch Georg Maurer, ein Lyriker von artifizieller Sprachkraft und epiku­reischer Heiterkeit.36

So wurden am Becher-Institut parallel und weitgehend ungestört voneinander »handwerkliches Können und Individualität« als auch »Instrumentalisierung der Kunst im Sinne der Staatsideologie« gelehrt wie gefordert.37 Dass diese Weichen bereits im Gründungsjahr gestellt wurden, wirft ein durchaus irisierendes wie irritierendes Bild auf den überwiegend als Dogmatiker in Erscheinung tretenden Alfred Kurella. Denn schließlich spricht dies auch für fachliche Kompetenz und Toleranz des Direktors, der letztlich darüber entschied, wer am Literaturinstitut lehrte.


»Lernen – schreiben – wirksam werden.« 
Zur Unterrichtspraxis am Institut für Literatur 
Johannes R. Becher


Der Gestaltungsspielraum der Lehrkräfte am Becher-Institut spiegelt sich auch auf didaktischer Ebene – galt die unter Schriftstellern und Intellektuellen umstrittene Institutsgründung doch als bildungspolitisches »Experiment […], das nicht nur in der deutschen Geschichte ohne Beispiel war.«38

»[D]ie Fragen nach dem Sinn des Instituts können nie ganz verstummen«, stellte Gerhard Rothbauer, Dozent für Stilistik und Weltliteratur, noch zum 30-jährigen Jubiläum des Instituts fest.39 In der Tradition eines tief verankerten Geniepostulats, das im Sturm und Drang und in der Romantik seinen Ausgangspunkt findet, galt die weit verbreitete Überzeugung, »Schriftsteller könne man nicht studieren« noch 1990 als Argument für die ›Abwicklung‹ der Einrichtung, als der amtierende Minister für Wissenschaft und Kunst, Hans-Joachim Meyer, das begabungspolitische Experiment, Schriftsteller an einer Hochschule auszubilden, für gescheitert erklärte.40 Auch zu DDR-Zeiten wurde bereits diskutiert, »[o]b sich das Institut ›rentiert‹ – für die Studenten und damit auch für unseren Staat, der großzügig Mittel zur Verfügung stellt«.41 Kritiker fanden sich unter anderem in den Reihen der Schriftsteller und Intellektuellen des Landes. Zu ihnen zählte Eva Strittmatter, die den Nutzen des Instituts 1961 auf dem V. Schriftstellerkongress der DDR öffentlich infrage stellte:


Wir haben ein Literaturinstitut, an dem wir rein theoretisch verfahren. Praktische Arbeit gibt es so gut wie gar nicht. Geschichte wird gelehrt, Literaturgeschichte wird gelehrt, Ästhetik, alles Mögliche, aber es ist zu beobachten, dass die Freunde, die dort hingehen, das Schreiben verlernen.42

In der Festschrift Zwischenbericht zum 25-jährigen Bestehen des Instituts werden die Anfangsjahre daher auch als Phase des »mühevollen Aufbaus«43 charakterisiert, in der nicht nur der »Sinn und Zweck eines Instituts für Literatur«44 öffentlich diskutiert wurde, sondern – trotz des Bezugs auf das Vorbild des Moskauer Maxim-Gorki-Literaturinstituts – auch die theoretischen und methodischen Grundlagen für die Ausbildungspraxis fehlten. Vor diesem Hintergrund lässt sich die Geschichte des Instituts auch als didaktische Versuchsanordnung begreifen, in der Strukturen, Methoden und Inhalte der Ausbildung erst hervorgebracht und in der Praxis unter Beweis gestellt werden mussten. Die individuellen Gestaltungsfreiräume, die den Lehrkräften dabei zukamen, wurden von den Verantwortlichen jedoch als unkontrollierbares Risiko wahrgenommen: »Sorgenkind sind vor allem die schöpferischen Seminare, deren Leiter sich selbst überlassen sind,« notierte Werner Baum, Abteilungsleiter in der HA Schöne Literatur des MfK, nach seinem »Besuch im Institut für Literatur, Leipzig, Schwägrichenstraße 3 vom 27. bis 30. November 1956.«45 Vor allem die freie Diskussion zu literarischen Texten bot, anders als die systematische Wissensvermittlung nach sozialistischen Themenkatalogen, weniger Möglichkeiten zur Kontrolle und Lenkung. Einen anschaulichen Beleg dafür liefern erneut die Protokolle des ersten Prosa-Seminars bei Wieland Herzfelde, der nicht nur »sich selbst überlassen« war, sondern auch auf den Mitgestaltungswunsch und die Ansprüche seiner Studierenden einzugehen hatte, die mehr Raum für ihre eigene schöpferische Arbeit einforderten.


In Herzfeldes ursprünglicher Seminarkonzeption war die Arbeit an ­eigenen literarischen Texten der Studierenden nicht vorgesehen. Vielmehr ­präsentierte er in der ersten Sitzung einen produktionsästhetischen Themenplan, nach dem er beispielsweise Gattungsfragen und Stilprobleme oder erzähltheoretische und handwerkliche Grundlagen mit Blick auf Literaturbeispiele erörtern wollte.46 Das Seminar entwickelte jedoch bald eine Eigendynamik, mit der Herzfelde von seinem deduktiv-systematischen Lehrkonzept abwich und die Literaturauswahl anpasste, um den Bedürfnissen der Studierenden stärker gerecht zu werden. Die folgenden Prozesse des Experimentierens, Improvisierens und Aushandelns werden dabei sichtbar: Bereits in der vierten Sitzung warf der Student Gotthold Gloger die Frage auf, ob man weiterhin von den vorgeschlagenen Themen oder nicht von »Fall zu Fall« vorgehen wolle, um sich »ohne besondere Konzepte über die Probleme [zu] unterhalten, auf die wir durch praktische Beispiele stossen.«47 Herzfelde war durchaus zur Diskussion mit seinen ›Hörern‹ bereit, sah aber die Gefahr, dass man nach Glogers Methode »immer wieder auf gleiche, oder zumindest ähnliche Dinge zurückkommt«,48 während es geschehen könne, »dass in allen gewählten Werken verschiedene Probleme nicht auftauchen, die zu behandeln notwendig«49 wären. Man einigte sich vorerst darauf, nach »der von Herzfelde vorgeschlagenen Methode zur Durchführung des weiteren Seminars«50 fortzufahren, was sich jedoch als problematisch erwies, da die meisten Studierenden die ausgewählten Literaturbeispiele nicht gelesen hatten, weshalb ein »echtes Gespräch«51 im Sinne des Dozenten nicht aufkommen konnte.


In einem nächsten Schritt schlug Herzfelde vor, dass die Teilnehmer selbstgewählte Literaturbeispiele mitbringen sollten.52 Auch dieser Aufforderung kam kaum jemand nach, weshalb man sich schließlich auf eine verbindliche Lektüre­liste einigte, um nunmehr doch von Werk zu Werk vorzugehen, wie Gloger es vorgeschlagen hatte. Zu den literarischen Beispielen zählten etwa Franz Fühmanns Erzählung Kameraden oder Stephan Hermlins Novelle Die Kommandeuse, die in der Gruppe einem Lektorat unterzogen wurden.53 In der 
11. Sitzung kam schließlich der Umschwung: Der Student Walter Püschel »schlägt im Auftrage der Hörer einige Änderungen in der Durchführung des Seminars vor«, unter anderem »als Lektüre auch Arbeiten der Hörer heranzuziehen.«54 Herzfelde nahm die Anmerkung zur Kenntnis, äußerte ­jedoch grundsätzliche Bedenken:


So wertvoll es für den einzelnen [sic!] sein mag, wenn sein Manuskript durch­gesprochen wird, so kommen doch die anderen Hörer zu kurz. […] Es ist auch möglich, dass einige nicht gern kritisiert werden, und die Kollegen aus irgendwelchen Gründen ihre Meinung nicht so frei äussern möchten.55

Aus den Zweifeln des Autors und Verlagsgründers sprach nicht nur der Respekt vor dem unfertigen Manuskript – er zeigte auch Sensibilität für Befindlichkeiten des Autors im Umgang mit öffentlicher Kritik. So schlug er schließlich vor: »Vielleicht sollten wir uns auf schon gedruckte Bücher beschränken und zunächst mit einem beginnen?«56

Man einigte sich auf Gotthold Glogers Roman Der Soldat und sein Lieutenant, der 1955 im Aufbauverlag erschienen war und in der Sitzung vom 2. März 1956 als Gesprächsgrundlage diente. Glogers Kommilitone Gottfried Lorenz eröffnete die Sitzung mit einer kurzen Einführung, in der er seinen Leseeindruck zusammenfasste, Charakteristika und literarische Traditionslinien des Romans benannte und Kritikpunkte formulierte, über welche die Gruppe im Anschluss diskutierte.57 Gloger selbst beteiligte sich an der Diskussion, indem er etwa den Einsatz seiner literarischen Mittel kommentierte, seine Intentionen darstellte oder den Schreibprozess beschrieb.58 Dass er seine Absichten formulierte, erlaubte es Herzfelde wiederum, das Handwerkszeug des Autors unmittelbar zu kommentieren: Manches Instrument hielt er für geschickt gewählt, an anderer Stelle bemängelte er: »Die Absicht ist nicht gut durchgeführt«.59 Zum Abschluss der Sitzung zog er ein Fazit, das sich nicht nur auf Glogers Roman, sondern auch auf die konstruktive Atmosphäre der Runde beziehen mochte: »Es ist schön, dass die Lust am Fabulieren nicht von der Lust am Belehren zerstört wurde.«60

Nachdem der Versuch geglückt war, hielt das Protokoll einige Änderungen zur Methodik des Seminars fest: »In den nächsten Sitzungen werden statt der festgelegten Bücher von Seghers, Zweig, und Strittmatter«61 weiterhin Bücher der Studierenden behandelt. »An dem für das jeweilige Seminar festgelegte Buch werden einführend Hörer (die sich im vergangenen Seminar dazu bereit erklärt haben) eine Charakterisierung und Deutung vornehmen und wichtige Fragen hervorheben.«62 Die Namen der Ko-Referenten wurden bestimmt und eine methodische Vorgabe für die Textbesprechung fixiert: »Bei Vergleichen soll sich vor allem auf die Werke bezogen werden, die schon im Seminar behandelt wurden, oder auf Romane, von denen man annehmen darf, dass sie alle Hörer gelesen haben.«63

Die letzte Vorstufe zum genuinen Werkstattgespräch – und damit zur Arbeit an noch entstehenden Texten, vollzog sich schließlich in der 25. Sitzung: »Auf Vorschläge von Hörern erzählt Erich Loest das Exposé einer Erzählung, über das anschliessend die Hörer diskutieren.«64

Viele der hier entwickelten Verfahren wurden auch in späteren Prosa-Seminaren am Becher-Institut beibehalten: die Besprechung eigener Arbeiten ebenso wie das Prinzip des »Einführungsvortrags« oder die Lektüre »mit vergleichender Darstellung«, wie sie auch der Schriftsteller Werner Bräunig, der 1961 sein Studium am Institut absolviert hatte und dort im Anschluss als Oberassistent tätig war, in die Konzeption seines Prosaseminars von 1966/67 schrieb.65 Auch Georg Maurer nutzte den Vergleich von Seminartexten mit Werken der Weltliteratur als zentrale didaktische Methode, wie sich unter ­anderem seine Studentin Sarah Kirsch erinnerte:


Dieses Leipziger Institut war außerordentlich schön, weil Georg Maurer dort lehrte, das Lyrikseminar hielt. Er hatte die wunderbare Methode, sich unsere Gedichte anzusehen und uns dann, eine Woche später, alles zum gleichen Thema aus der Weltliteratur vorzulegen. Diese Bücher gab es im Literaturinstitut. Wenn wir Regengedichte hatten, oder wenn ein Spiegel drin vorkam, da hatte er dazu alles. Von der Droste bis zu William Carlos Williams. Dann hörten wir die wunderbaren Texte und hatten alles gelernt, indem wir unsere nämlich wegschmeißen konnten.66

Eine typische Sitzung eröffnete Maurer etwa, indem er einen seiner eigenen Essays – beispielsweise zu Majakowski oder zu Eluards Die Gelegenheitsdichtung – vorlas. Von dort aus ging er in die Antike bis Hesiod und zurück zu Brechts Erziehung der Hirse, um die »universelle Beziehung von Dichtung und Wirklichkeit« anhand von Beispielen in ihren »zeitlichen Extremen« abzustecken, wie es in seinem Lehrplan für diese Sitzung heißt.67 An kanonische Grenzen hielt sich Maurer bei seiner Auswahl nicht: Die ›verfemte‹ Literatur der Moderne stand ebenso auf seinem Lehrplan, wie beispielsweise ein Vergleich der ästhetischen Prinzipien in der Lyrik aus Ost- und Westdeutschland.68

Maurer wollte den jungen Lyrikern anhand dieser »vergleichende[n] Analyse früherer und heutiger Gedichte« sowie der Texte seiner Studierenden verdeutlichen, »daß Qualität von Dichtung nachweisbar ist«.69 Ziel sei es, die Studenten mit den Gedichten »der großen Lyriker der Weltliteratur […] gleichsam in eine hautnahe Beziehung zu bringen« und ihnen die »Dichter, auch wenn sie vor tausenden Jahren gelebt haben, […] als ringende Kollegen« vorzustellen, »als Kollegen, die vor den Problemen ihrer Zeit standen«. Und schließlich ging es darum, »die handwerklichen Griffe […] als lehr- und lernbar« aufzuweisen.70 Immer wieder notwendig sei es etwa, 


darauf hinzuweisen, daß auch die Bildersprache einer Logik bedarf. Die ersten und auch am meisten erfolgversprechenden Schritte tut der junge Lyriker dann, wenn er an den eigenen Gedichten erkennen lernt, an welchen Stellen der Ausdruck nicht präzis dem entspricht, was er aussagen wollte – oder dem gar unwillkürlich widerspricht. Lernt er dies, ist der Weg zu einer objektiv zwingenden Aussageform erschlossen und damit zur bewußt erzielten Wirkung.71

So lehrte Maurer seinen Schülern und Schülerinnen »Genauigkeit, eine ästhetische Kategorie, die bei uns verwildert ist!«72 Auch Sarah Kirsch erinnerte sich, bei Maurer gelernt zu haben, 


(d)aß man nicht die großen ›philosophischen‹ Gedichte machen soll, wie das im Sozialismus üblich war, so etwas wie der späte Becher machte, soviel Verblasenes hat man ja selten gehört. Davon hat uns Maurer wenigstens abgehalten, das nachzuahmen. Er sagte, wir sollten lieber den kleinen Gegenstand nehmen.73

Auch Maurers Beispiel verdeutlicht, wie groß der Spielraum prägender Lehrerpersönlichkeiten am Becher-Institut in Bezug auf die Seminargestaltung und Literaturauswahl war. Neben der großen Achtung, die Maurer von seinen Studierenden für seinen Unterricht erfuhr – etwa von Adolf Endler, der in seinen Erinnerungen hervorhob, dass Maurer im Unterschied zu allen anderen Dozenten »vollkommen undogmatisch« gewesen sei, »sich auch immer selbst in Frage gestellt« und keine vorgefertigten Antworten präsentiert, sondern »einen in seine Überlegungen ein(bezogen)«74 habe – wurde Maurer von seinen Kollegen in einer internen Evaluation im Frühjahr 1960 für diesen Unterrichtsstil kritisiert: Seine Thematik sei »nicht systematisch« ausgewählt, wobei er aber »recht interessante Entwicklungslinien der inhaltlichen Bewältigung zieht«, wie Trude Richter, Dozentin für Sowjetliteratur, in ihrem »Hospitationsbericht«75 anmerkte, unterstützt vom Stilistikdozenten Horst Nalewski, der ebenfalls festhielt, dass Maurers Ausführungen »ein bisschen zerflatterten, nicht systematisch genug zusammengefasst wurden.«76

So wurde die Diskussion um die Inhalte und Methoden der Ausbildung und die Rolle des Dozenten – als lenkende Autorität oder primus inter pares – schließlich auch im Kollegium fortgesetzt, um angehende Schriftsteller nach der »Devise des Studiums ›Lernen – schreiben – wirksam werden‹«77 auszubilden. Insbesondere die ›Schöpferischen Seminare‹ standen erneut in der Kritik, boten sie den Lehrkräften doch besondere Gestaltungsfreiheiten. Zentraler Streitpunkt war wieder einmal die Frage, wie viel Raum den literarischen Projekten der Studierenden und der freien Diskussion eingeräumt werden könne. In einer protokollierten Sitzung vom 5. Oktober 1960 sprachen sich die meisten Dozenten des Becher-Instituts dafür aus, »daß man methodisch in diesem Seminar im wesentlichen von den Arbeiten der Studenten ausgehen sollte«,78 jedoch gab es, etwa mit der überzeugten Kommunistin Trude Richter, auch Gegenstimmen: »Dieser Plan könnte auch der Lehrplan einer Westdeutschen Bildungseinrichtung sein,«79 hielt sie fest und forderte, auch im ›Schöpferischen Seminar Prosa‹ »überwiegend Beispiele aus der sozialistischen Literatur ab[zu]handeln«80 und Prinzipien des ›Sozialistischen Realismus‹ zu vermitteln: »Also wichtig ist die Herausarbeitung des Typs, die Darstellung des Menschen im Kollektiv, die Darstellung von Personengruppierungen und Kontrast­typen.«81 Der Dozent für Ästhetik Günther Lehmann hingegen »möchte davor warnen, daß in diesem Seminar abstrakte Definitionen gegeben werden. Das pädagogische Ziel dieses Seminars ist, die Studenten mit einer besseren Beobachtungsgabe vertraut zu machen.«82 Ähnlich äußerte sich der spätere Direktor Max Walter Schulz, damals noch Dozent im Prosaseminar. Er wäre zwar bereit, »auf die Gestaltung der Typen« einzugehen sowie »die Fragen des Märchens mit aufzunehmen und die Skizze noch etwas weiter zu behandeln«, jedoch beharrte er darauf, »zwei Drittel der Zeit zur Besprechung von Studentenarbeiten« zu benötigen.83

Der Spielraum, den die Dozenten zu nutzen wussten, zeigte sich zu Beginn der 60er Jahre schließlich auch in den Lehrplänen, die an das MfK weitergeleitet wurden. So wurde in den Lehrkonzeptionen von 1960 an mehreren Stellen betont, »daß es hier auf elastische Durchführung ankommt, die sich sofort dem Verhalten der jeweiligen Seminargruppe anpasst, d. h. sowohl das Teilnehmerkollektiv wie das individuelle Interesse anspricht.«84 Eine solche »elastische« Konzeption und Durchführung schien wenige Jahre später, im Anschluss an das 11. Plenum, nicht mehr möglich zu sein. Es entsteht der Eindruck einer verschärften kulturpolitischen Kontrolle, die auch aus den Lehrplänen spricht, die nicht länger Zusammenfassungen darstellten, sondern detailliert ausgearbeitete Stoffpläne waren und den Unterrichtsgegenstand jeder einzelnen Doppelstunde festlegten.


Im Jahr 1967 drohte mit einer Prüfung des Instituts durch das MfK gar die Schließung des Hauses: Nach dem Ergebnis der internen Untersuchung ­erschien das Becher-Institut weder in Hinblick auf die ideologische Erziehung, noch auf die künstlerische Leistung rentabel.85 Auch die Grundsatzfrage, ob Schriftsteller tatsächlich an einer kostenintensiven Hochschule ausgebildet werden müssten, oder nicht vielmehr, wie von Ulbricht auf der 5. Sitzung des Staatsrates gefordert, »im Kampfe wachsen«86 oder – mit Maxim Gorkis Worten – an den »Universitäten des Lebens«87 studieren sollten, wurde vor diesem Hintergrund erneut diskutiert. Wesentlichen Einfluss auf die Schließungs­debatte hatten auch die Exmatrikulationen zahlreicher Studierender in den Jahren 1965 bis 1970, in deren Zusammenhang der Einfluss der Staats­sicherheit auf das Becher-Institut deutlich wurde.


Die Kooperation des Instituts für Literatur ›Johannes 
R. Becher‹ mit dem DDR-Staatssicherheitsdienst – 
dargestellt am Fallbeispiel des zwangsexmatrikulierten Studenten Dieter Mucke


Das Institut für Literatur ›Johannes R. Becher‹ in Leipzig bildete über all die Jahre seines Bestehens einen kontinuierlichen Schwerpunkt in der politisch-operativen Arbeit des Staatssicherheitsdienstes, wie beispielsweise der Akte des Geheimen Informators (GI)88 mit dem Decknamen ›Boris‹ aus dem Jahr 1966 zu entnehmen ist.89 ›Boris‹ war von 1965 bis 1967 im Direktstudium am Institut immatrikuliert und berichtete den hauptamtlichen Mitarbeitern der Leipziger Bezirksverwaltung des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) über den Studienalltag der Dozenten und Studenten. Insbesondere in den Wochen und Monaten vor und nach dem berüchtigten 11. Plenum des ZK der SED (Dezember 1965) konzentrierten sich die geheimpolizeilichen Ermittlungen der Leipziger Tschekisten auf das Becher-Institut, sollte es doch zu diesem Zeitpunkt ein Hort der gegen die Kulturpolitik der Partei gerichteten »politisch-ideologischen Diversion« gewesen sein. Das geht unter anderem aus der Akte eines weiteren GI hervor, einer studentischen Parteigenossin mit dem Deck­namen ›Julia‹, die ab September 1965 ebenfalls am Becher-Institut immatrikuliert war.90 Vor allem im Verzeichnis des neuen Jahrgangs, der am 15. September 1965 sein dreijähriges Direktstudium antrat, finden sich die Namen dreier Personen, deren Studienverläufe als exemplarisch für die sporadisch liberale Immatrikulationspolitik, aber auch den zeitweilig recht wankelmütigen Umgang der Institutsleitung mit kritischen Studenten gelten müssen: Helga Maria Novak (verheiratete Vigfusson), Andreas Reimann und Dieter Mucke. Schon wenige Wochen nach Beginn des Semesters ermittelte die Staatssicherheit im Rahmen des Gruppen-Operativ-Vorgangs ›Autor‹ gegen die drei miteinander befreundeten Studenten, warf ihnen staatsfeindliche Gruppenbildung und die Vorbereitung revisionistischer Handlungen gegen die Republik vor und setzte zahlreiche inoffizielle und hauptamtliche Mitarbeitern aus der Leipziger und weiteren Bezirksverwaltungen auf sie an.91 Helga M. Novak, mit einem Isländer verheiratet und für einige Zeit in Island lebend, war eine Rückkehrerin in die DDR, deren erster Gedichtband Ballade von der reisenden Anna 1965 im westdeutschen Luchterhand Verlag veröffentlicht wurde und sofort für Auf­sehen sorgte.92 Dem Leipziger Lyriker Andreas Reimann hingegen wurde seine Bekanntschaft mit Robert Havemann und Wolf Biermann zum Verhängnis, deren gegen jeglichen Dogmatismus gerichtete Ansichten und Schriften er seinen Kommilitonen am Becher-Institut näherbringen wollte.93 Und Dieter Mucke, der in der Vergangenheit bereits von seinen Ausbildungen an der Karl-Marx-Universität Leipzig und der Deutschen Hochschule für Filmkunst in Potsdam relegiert wurde, musste wegen einer eigens verfassten literarischen Seminar­arbeit das Becher-Institut verlassen. Die Institutsleitung um den Direktor Max Walter Schulz hatte diese Studenten aufgrund deren dichterischer Begabung immatrikuliert, obwohl sie um die »schwankende politische Haltung« von Mucke, Novak und Reimann wusste; dass alle drei kurz nach Studienbeginn exmatrikuliert wurden und der stellvertretende Direktor Horst Nalewski im Zuge dieser Ereignisse das Institut verlassen musste, zeigt jedoch, dass man an der damaligen »kleinsten Hochschule der Welt« durchaus vielversprechende Talente und langjährige Mitarbeiter fallen ließ und sie unter Umständen den Repressalien der Staatsicherheit preisgab, um einen irreparablen Schaden zu vermeiden. Insbesondere die Affäre um Dieter Mucke94 ist in den nachgelassenen Akten des Staatssicherheitsdienstes gut dokumentiert und soll hier als ­außerordentliches Beispiel für die folgenschwere Wechselwirkung von kulturpolitischer Einflussnahme und rücksichtslosem Konfliktmanagement zwischen der Staatsmacht und dem Becher-Institut dargestellt 
werden.


Im September 1965 war am Institut der ehemalige Republikflüchtling, Wismut-Kumpel und Schriftsteller Werner Bräunig für das ›Schöpferische Seminar Prosa‹ zuständig, in dem die Institutsstudenten eigene und fremde literarische Arbeiten zur kritischen Diskussion stellten. Bräunig kämpfte in der zweiten Hälfte des Jahres 1965 mit den Reaktionen auf die Veröffentlichung des titelgebenden ›Rummelplatz‹-Kapitels seines in Arbeit befindlichen Entwicklungsromans.95 Anfang November stellte er den Erstsemestern seines Seminars die Aufgabe, als Schreibübung einen kurzen Prosatext zu verfassen, der eine konkrete Ankunfts- oder Abschiedssituation verhandeln soll. Am 24. November 1965 forderte er den Studenten Dieter Mucke auf, seine Seminararbeit zu verlesen. In dieser literarischen Etüde mit dem Titel Ankunft und Abschied in einem Café folgt der Erzähler seinem Protagonisten T., der gerade von der Deutschen Hochschule für Filmkunst aufgrund von »Parteifeindlichkeit« relegiert wurde, in ein Café, in dem »Kuchen und Schlagsahne schlingende Kleinbürger« an den Tischen hocken; dort betrachtet T. das Porträt eines »großen«, omnipotenten Staatsmannes an der Wand, unter dem eine Dame sitzt und ihm lüsterne Blicke zuwirft; schließlich horcht er auf, als ein elegant gekleideter, parteitreuer Herr aus dem Filmgeschäft sich darüber beschwert, kürzlich beim Anblick ­eines Kunstwerks, ein Rosenstrauß in einem Schmalzfleischglas, schwer beleidigt worden zu sein, woraufhin T. ihm lakonisch erklärt, dass man sich mal einen Eimer voll gekochter Parteiabzeichen vorstellen solle, deren Nadeln man wie Spelzen unter den Tisch zu spucken habe.96 Die Reaktionen auf den Text, eine zornig-sarkastische Abrechnung mit kleinbürgerlichen Bürokraten und scheinheiligen Parteigängern, könnten nicht unterschiedlicher ausfallen: Die Studenten schwiegen betreten, Bräunig verlor einige allgemeine Worte zum Thema ›Satire‹ und ging nicht weiter auf den Text ein. Wahrscheinlich durch den im Prosa-Seminar anwesenden GI ›Julia‹ wurden am 26. November die Leipziger Bezirksleitung der SED und schließlich die örtliche Bezirksverwaltung des MfS über die Etüde informiert.97 Nach Begutachtung des Textes warf man Mucke »inhumane« und »faschistische« Tendenzen vor, bezichtigte ihn des hetzerischen Angriffs gegen die SED, staatliche Einrichtungen und den Vorsitzenden des Staatsrates, Walter Ulbricht, und unterstellte ihm eine fehlende Distanzierung zwischen seiner Person als Autor und dem von ihm konstruierten Erzähler.98 Am Becher-Institut wurde umgehend seine Zwangsexmatrikulation ohne Rücksprache mit ihm eingeleitet, und schon am 2. Dezember war er dort nicht länger Student.99 Bräunig musste sich in einer Aussprache mit der Institutsleitung dafür rechtfertigen, die Etüde nicht augenblicklich der hauseigenen Parteileitung übergeben zu haben. Er verblieb als Dozent am Institut und löste Anfang 1967 seinen Arbeitsvertrag aufgrund verschiedener disziplinarischer Verstöße und eines Parteiverfahrens auf.100

Am 5. Dezember 1965, nur wenige Tage nach seiner Exmatrikulation, schrieb Dieter Mucke einen ersten Brief an den stellvertretenden Direktor des Becher-Instituts und Dozenten für das Fach Stilistik, Horst Nalewski.101 Darin ging er wütend mit der gesamten Institutsleitung ins Gericht und kritisierte mit drastischen Worten deren fehlendes Vermögen zur Differenzierung autofiktionaler Darstellungsverfahren und eine gravierende lehrmethodische Engstirnigkeit, die »vieles Schöne und Gute, daß es bei uns geben könnte«,102 im Keim ersticke; außerdem prangerte er den menschenverachtenden Widerhall des »automatisierten, lebens- und kunstfeindlichen Gehabe[s]«103 kulturpolitischer Dogmatiker im gesellschaftlichen Leben in der DDR an. Am 12. Dezember erreichte ein weiterer Brief Muckes die Institutsleitung, in dem er sich in harschem Tonfall gegen kursierende Verunglimpfungen seiner Person verwahrt.104 Daraufhin erhielt er in einem offiziellen Schreiben die Aufforderung, seine Attacken sofort einzustellen, anderenfalls werde man sich gezwungen sehen, die Staatsanwaltschaft einzuschalten.105 In der ersten Hälfte des Jahres 1966 schrieb Mucke jedoch weitere Briefe, u. a. an den Mitteldeutschen Verlag Halle a. d. S. und an das Psychologische Institut der Karl-Marx-Universität Leipzig.106 Indes war die Staatssicherheit längst in den Besitz seiner Etüde und seiner Kaderakte gelangt: Die Institutsdirektoren Max Walter Schulz und Horst Nalewski sowie Klaus Steinhaußen, Parteisekretär am Becher-Institut, hatten sie als Beweismittel im Rahmen eines Untersuchungsvorgangs (UV) während eines offiziellen Treffens mit Unterleutnant Tinneberg von der MfS-Bezirksverwaltung Leipzig am 1. Juli 1966 übergeben.107 In einer internen Einschätzung zum Operativen Vorgang (OV) ›Autor‹ gegen Dieter Mucke schlug Leutnant Henke von der Abteilung XX/1 die Eröffnung eines Ermittlungsverfahrens und die Erwirkung eines Haftbefehls nach § 19 Absatz 1 Ziffer 2 und Absatz 2 StEG (›Staatsgefährdende Propaganda und Hetze‹) vor, deren Grundlage jedoch eine Anzeige des Direktoriums des Becher-Instituts sein müsse, dass der Beschuldigte seine brieflichen Attacken trotz Warnung nicht eingestellt habe.108 Dieser ›Straftatbestand‹ erfüllte sich mit Muckes Brief an Max Walter Schulz vom 
12. Juli, der von ihm zeitgleich als Eingabe an die Abt. Kultur des ZK der SED, das Ministerium für Kultur und den Vorstand des Deutschen Schriftstellerverbands (DSV) gesandt wurde; darin kritisierte er ein weiteres Mal die starren Ausbildungsmethoden am Becher-Institut und die dort vorherrschende »Atmosphäre der Unehrlichkeit« innerhalb des Lehrkörpers, zwischen den Kommilitonen sowie zwischen den Dozenten und ihren Studenten.109 Die Leitung des Becher-Instituts reagierte prompt und schickte am 19. Juli eine Mitteilung im Namen von Direktor Schulz an die Leipziger Bezirksverwaltung des MfS, in der erklärt wird, dass man zwar in der Vergangenheit von einer Anzeige abgesehen habe, jedoch nach diesem letzten Brief die »Verleumdungen« Muckes nicht mehr ignorieren könne.110

Das Ermittlungsverfahren wurde am 21. Juli eröffnet, und noch am selben Tag verhaftete man Dieter Mucke und unterzog ihn einer Reihe von Verhören, die bis zum 9. August andauerten. Minutiös arbeitete sich der vernehmende Offizier am Inhalt der Etüde Ankunft und Abschied in einem Café ab,111 fragte nach der Situation in Werner Bräunigs Prosa-Seminar112 und den aus der Exmatrikulation resultierenden negativen Folgen für Muckes beruflichen Werdegang,113 ermittelte die politische Gesinnung des Verhörten und den ideologischen Einfluss seiner Lektüre von Ingeborg Bachmann, Heinrich Böll, Hans Magnus Enzensberger, Robert Havemann oder Peter Weiß114 und versuchte, Informationen darüber zu erlangen, auf welche Weise sich die Dozenten am Becher-Institut zur Literaturdiskussion im Umfeld des 11. Plenums ihren Studenten gegenüber geäußert hatten.115 Am 10. August erfolgte Muckes Entlassung aus der Haft, da seine gemachten Aussagen, die im Seminar verlesene Etüde und die verfassten Briefe weder den Vorwurf der staatsgefährdenden Propaganda und Hetze (§ 19 StEG) rechtfertigten noch einen stichhaltigen Beweis für öffentliche Staatsverleumdung (§ 20 StEG) lieferten.116 Vielmehr billigte die Staatssicherheit Mucke zu, sich lediglich über die seiner Meinung nach ungerechtfertigte Exmatrikulation beschwert und Kritik an der Leitungs- und Ausbildungstätigkeit am Becher-Institut geübt zu haben.117

Nun könnte man die Affäre um Dieter Mucke als ›Überreaktion‹ von Institutsleitung und MfS im Zuge des 11. Plenums bewerten, doch mit der Weitergabe von Muckes Studiendokumenten durch Angehörige des Instituts an die Tschekisten der Leipziger Bezirksverwaltung begannen für den jungen Schriftsteller Jahrzehnte andauernde Observationen, u. a. im Rahmen des OV ›Schreiber‹. Publikationsmöglichkeiten wurden verhindert und ›zersetzende‹ Maßnahmen durch inoffizielle und hauptamtliche Mitarbeiter der Staatssicherheit gegen ihn und seine Familie angewendet.


Oft wurde in der öffentlichen Bewertung des Becher-Instituts nach dem Ende der DDR, vor allem aber in den Nachbetrachtungen einiger ehemaliger Institutsangehöriger, der Begriff der ›Käseglockenpolitik‹ bemüht,118 als Bezeichnung für einen von der Außenwelt abgeschotteten Ort und seine Praxis, alles dort Gesprochene unter der Fürsorge der Hausleitung nicht nach außen dringen zu lassen. Die Einflussnahme staatlicher Organisationen auf den Studienbetrieb von 1955 bis 1989, sei es durch das MfS, das MfK oder den Schriftstellerverband, war jedoch so immens, dass eine Abschottung nicht dauerhaft und in jedem Fall vollzogen werden konnte. Es handelt sich dabei mitnichten um einen bloßen Mythos, was auch der Versuch der Institutsleitung zeigt, das Publikationsverhalten der Studierenden zu kontrollieren, aber auch nicht um einen Begriff, der pauschal für das Miteinander von Dozenten und Studenten am Institut genutzt werden kann. 


Liest man hingegen Dieter Muckes Gedicht Installation einer Zeitbombe, so stellt sich dank seiner sprichwörtlichen Plastizität ein Gefühl dafür ein, dass die zahlreichen »Erdbeben« unterschätzt wurden, »die dem Unterdrückungsapparat ein Ende machen sollten«:119

Wen der heiße Dampf stört 
Bei dem brodelnden Kessel
Der tue einen Deckel drauf.


Wem der Deckel zu laut klappert
Auf dem brodelnden Kessel
Der schraube ihn einfach fest.


Wer endlich seine Ruhe haben will
Der hat sie nun für ein Weilchen.120

Auch nach Einschätzung von Siegmar Faust, der von 1967 bis 1968 am Becher-Institut studierte und ebenfalls zu den Relegierten zählte, legte das Institut unter der Direktion von Max Walter Schulz vor allem eine strategisch-pragmatische Haltung ohne Rücksicht auf Verluste an den Tag: »Max Walter Schulz sah das Institut gefährdet, und nun waren zu dessen Rettung ›Bauernopfer‹ nötig.«121 Schulz erscheint dabei als ambivalente Figur, die Jahre später das Aufbegehren des literarischen Talents gegenüber Autoritäten zu einer geradezu konstitutiven Eigenschaft der künstlerischen Begabung erklärt, wobei er eher als autoritative Vaterfigur erscheint, als die Rolle des primus inter pares einzunehmen:


Talentierte Kinder fallen […] gewöhnlich weit vom Stamm. Denn sie besitzen ein ausgesprochen heftiges Selbstwertempfinden, was zwar zum Besten gehört, das der Mensch empfinden kann, sich jedoch auch als Unvernunft austut. Denn es hat als künstlerisches Talent etwas mit dem zu tun, was gemeinhin ›schön‹ ­genannt wird, von den einschlägigen Wissenschaften hingegen ›das Ästhetische‹. Und man sage, was man wolle: Das Schöne ist und bleibt ein Selbstwertfaktor, ein sehr empfindlicher, unter den Wert- und Wirkungsfaktoren eines Kunstwerks. Nur – das ist der springende Punkt – es trägt ein Quentchen Unvernünftigkeit in sich. Dieses Verwandtschaftsverhältnis von Talent und Quentchen Unvernunft gibt den Talentbildnern und -erziehern immer wieder harte Nüsse zu knacken. Nicht selten tun talentierte Kinder das Gegenteil von dem, was die Alten von ihnen ­erwarten.122

Die aufgebrochenen Konflikte erscheinen in dieser Deutung als unumgäng­licher, sogar notwendiger Entwicklungsschritt des Talents – nicht etwa als Versagen von Lehre und Erziehung unter der Verantwortung der Institution. Der Widersprüchlichkeit des eigenen Handelns, seine Schützlinge dennoch nicht vor Exmatrikulation und Verfolgung bewahrt zu haben, schien sich Schulz im Rückblick auf sein Leben bewusst zu sein, als er 1987, vier Jahre vor seinem Tod, zum Erhalt der Ehrendoktorwürde in Leipzig erklärte: »Wenn du den Widerspruch achtest als ein dialektisches Gesetz des Lebens, dann sei so frei, den Widerstand, den dir der Widerspruch entgegensetzt, weder zu verteufeln, noch zu verdrängen«.123 Dieser Grundsatz muss auch für die Erforschung der Institutsgeschichte gelten, die nur in der diskursiven Verbindung scheinbar widersprüchlicher Zuschreibungen wie ›Insel der Toleranz‹ oder ›sozialistische Kaderschmiede‹ ein differenziertes Bild zeichnen kann. Durch eine von der Deutschen Forschungsgemeinschaft bereitgestellte Anschlussförderung hat das Forschungsprojekt die Gelegenheit, dies für zwei weitere Jahre zu tun.


  1. 1Marianne Schmidt, »Einleitung«, in Institut für Literatur ›Johannes R. Becher‹ (Hg.), Zwischenbericht. Notate und Bibliographie zum Institut für Literatur ›Johannes R. Becher‹, Leipzig, Leipzig 1980, S. 7–9, hier S. 8.

  2. 2Alfred Kurella, »Von der Lehrbarkeit der literarischen Meisterschaft. Vortrag zur Eröffnung des Instituts für Literatur in Leipzig«, in Ruf in den Tag. Jahrbuch des Instituts für Literatur ›Johannes R. Becher‹, Leipzig 1960, S. 17–36.

  3. 3Vgl. Stephen Greenblatt, Verhandlungen mit Shakespeare. Innenansichten der englischen Renaissance, Frankfurt a. M. 1993; Moritz Baßler, Die kulturpoetische Funktion und das Archiv. Eine literaturwissenschaftliche Text-Kontext Theorie, Tübingen 2005.

  4. 4Hans Rothfels, »Zeitgeschichte als Aufgabe«, in Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte 1/1(1951), S. 1–8, hier S. 2.

  5. 5Vgl. Joachim Walther, Sicherungsbereich Literatur. Schriftsteller und Staatssicherheit, Berlin 1996, S. 752.
  6. 6Vgl. Presserklärung des Sächsischen Staatsministeriums für Wissenschaft und Kunst vom 12. 12 . 1990.

  7. 7Rolf Richter, »Es geht um einen neuen Geist. Parlamentarier vom Regierungssitz Dresden des Landes Sachsen bei der Aktionswoche am Literaturinstitut«, in Leipziger Volkszeitung, 7. 1. 1991.

  8. 8Das Projekt mit dem Titel Literarische Schreibprozesse im Kontext der institutio­nellen Hochschulausbildung – dargestellt am Beispiel des Instituts für Literatur ›Johannes R. Becher‹ Leipzig wurde am DLL unter der Leitung von Hans-Ulrich Treichel von Februar 2013 bis Dezember 2014 bearbeitet. Gefördert hat dieses Vorhaben das Sächsische Ministerium für Wissenschaft und Kunst (SMWK) in Verbindung mit der Sächsischen Akademie der Wissenschaften (SAW).

  9. 9Alfred Kurella, Bilanz der Sowjetliteratur (II), in Neue Deutsche Literatur 3/3 (1955), S. 121.

  10. 10Ebd.

  11. 11Vgl. die grundlegende Darstellung von Günther Erbe, Die verfemte Moderne. Die Auseinandersetzung mit dem ›Modernismus‹ in Kulturpolitik, Literaturwissenschaft und ­Literatur der DDR, Opladen 1993.

  12. 12Vgl. etwa Bertolt Brecht, »Was ist Formalismus?«, in ders., Schriften zur Literatur und Kunst. Bd. 3: 1934–1956. Anmerkungen zur literarischen Arbeit. Aufsätze zur Literatur. Die Künste in der Umwälzung, Frankfurt a. M. 1967, S. 185–189 ; Hans Mayer, »Zur Gegenwartslage unserer Literatur«, in Sonntag, 28. 11. 1956.

  13. 13Alfred Kurella, »Die Einflüsse der Dekadenz«, in Sonntag, 21. 7. 1957.
  14. 14Vgl. Ralph Giordano, Die Partei hat immer Recht. Ein Erlebnisbericht über den Stalinismus auf deutschem Boden, Freiburg 1990, S. 161 f.

  15. 15Erich Loest, Durch die Erde ein Riß. Ein Lebenslauf, Hamburg 1981, S. 259.

  16. 16Fred Wander, Das gute Leben oder Von der Fröhlichkeit im Schrecken. Erinnerungen, Göttingen 2006, S. 176.

  17. 17Adolf Endler, Dies Sirren. Gespräche mit Renatus Deckert, Göttingen 2010, S. 145.

  18. 18Ebd.

  19. 19Vgl. Loest, Durch die Erde (Fn. 15), S. 259.

  20. 20Ebd., S. 268.

  21. 21Vgl. etwa Alfred Kurella, »Tatsachen gegen Legenden. Zur Geschichte des Begriffs ›Sozialistischer Realismus‹«, in Neue Deutsche Literatur 5/2 (1957), S. 136–145; ders., »Wer bagatellisiert? Zur Gegenwartslage unserer Literatur«, in Sonntag, 3./4. 12. 1956; ders., »Die Einflüsse der Dekadenz«, in Sonntag, 21. 7. 1957.
  22. 22Vgl. die Unterrichtsprotokolle. In: Sächsisches Staatsarchiv, Staatsarchiv Leipzig, Bestand 20311, Institut für Literatur, Nr. 629. Im Folgenden zitiert als SStAL, Institut für Literatur, Nr. 629 sowie die Angabe des Blattes.

  23. 23Vgl. SStAL, Institut für Literatur, Nr. 629, Bl. 132.

  24. 24Vgl. ebd., Bl. 29.

  25. 25Ebd., Bl. 133.
  26. 26Ebd., Bl. 29 ff.
  27. 27Kurze Zeit danach galt Lukács allerdings aufgrund seiner Verstrickungen in den Ungarn-Aufstand als diskreditiert und verlor seinen Status als Leitfigur des Sozialistischen Realismus in der DDR. Vgl. Wolfgang Emmerich, Kleine Literaturgeschichte der DDR, ­erweiterte Neuausgabe, Berlin 2009, S. 120.

  28. 28Vgl. Georg Lukács, »Erzählen oder Beschreiben?«, in ders., Probleme des Realismus, Berlin (Ost) 1955, S. 103–145, hier S. 110 f.

  29. 29Ebd., S. 110.

  30. 30Ebd., S. 111.

  31. 31Vgl. ebd., S. 137 ff.
  32. 32SStAL, Institut für Literatur, Nr. 629, Bl. 50.

  33. 33Vgl. ebd., Bl. 51.

  34. 34Ebd., Bl. 120.

  35. 35Vgl. ebd., Bl. 53.

  36. 36Günter Giessler, »Das Literaturinstitut J. R. Becher und das kreative Schreiben«, in Wilhelm Gössmann und Christoph Hollender (Hg.), Schreiben und Übersetzen, Tübingen 1994, S. 131–144, hier S. 135.
  37. 37Ebd.

  38. 38Institut für Literatur, Zwischenbericht (Fn. 1), S. 7.
  39. 39Gerhard Rothbauer, »Aus dem 1. Institutsjahrbuch ›Ruf in den Tag‹ (1960)«, in Rudolf Gerke und Lothar Zschuckelt (Hg.), Selbstermutigung. Erwägungen ums Schreiben, Leipzig 1986, S. 67–80, hier S. 67.

  40. 40Vgl. Richter, Es geht um einen neuen Geist (Fn. 7).

  41. 41Max Zimmering, »Vorwort«, in Ruf in den Tag. Jahrbuch des Instituts für Literatur ›Johannes R. Becher‹, Bd. 1, Leipzig 1960, S. 9–16, hier S. 13 f.

  42. 42Eva Strittmatter, »Diskussionsbeitrag«, in Deutscher Schriftstellerverband (Hg.), V. Deutscher Schriftstellerkongreß, 25.–27. Mai 1961. Referate und Diskussionsbeiträge, Berlin 1962, S. 83–88, hier S. 87f.; vgl. auch David Clarke, »Parteischule oder Dichterschmiede? The Institut für Literatur ›Johannes R. Becher‹ from Its Founding to Its Abwicklung«, in German Studies Review 29/1 (2006), S. 87–106, hier S. 82.
  43. 43Institut für Literatur, Zwischenbericht (Fn. 1), S. 7.

  44. 44Alexander Abusch, »Sinn und Zweck eines Instituts für Literatur. Rede zur Eröffnung des Instituts für Literatur am 30. 9. 1955 in Leipzig«, in Ruf in den Tag. Jahrbuch des Instituts für Literatur ›Johannes R. Becher‹, Bd. 2, Leipzig 1962, S. 11–16, hier S. 11.

  45. 45Bundesarchiv (BArch), DR1/1321. Vgl. auch Clarke, Parteischule oder Dichterschmiede (Fn. 42), S. 103.

  46. 46Herzfeldes ›Themen für die Seminare‹ lauten: Über Begriffsdefinitionen, 1. Sprach- und Ausdrucksprobleme, 2. Die persönliche Note, 3. Das Problem der Proportionen, 
4. Probleme der Charakterisierung, 5. Das Problem des Hintergrundes, 6. Probleme der ­Totalität (Lukács), 7. Grenzen und Möglichkeiten verschiedener Genres, 8. Problem der ­Fabel, 9. Humor, Satire, Ironie, Komik, Groteske, Karikatur, 10. Stilprobleme, 11. Parteilichkeit, 12. Was langweilt den Leser?, 13. Über Erfolg (SStAL, Institut für Literatur, Nr. 629, Bl. 1 und 2).

  47. 47Ebd., Bl. 66.

  48. 48Ebd.

  49. 49Ebd., Bl. 67.

  50. 50Ebd., Bl. 70.

  51. 51Ebd., Bl. 27.

  52. 52Ebd., Bl. 70 und 75.

  53. 53Ebd., Bl. 37.

  54. 54Ebd., Bl. 103.

  55. 55Ebd., Bl. 103 f.

  56. 56Ebd., Bl. 104.
  57. 57Vgl. ebd., Bl. 55–58.

  58. 58Ebd.

  59. 59Ebd., Bl. 57.

  60. 60Ebd., Bl. 58.
  61. 61Vgl. Wieland Herzfelde Archiv, Archiv der Adk, Nr. 2872 (Sitzung vom 13. 3. 1956).

  62. 62Ebd. Bei dieser Form des ›Ko-Referats‹ handelt es sich um ein didaktisches Verfahren, dass man auch heute noch in den Textwerkstätten am DLL vorfinden kann.

  63. 63Ebd.
  64. 64SStAL, Institut für Literatur, Nr. 629, Bl. 137. Hervorhebung im Original.
  65. 65SStAL, Institut für Literatur, Nr. 536, Bl. 68.

  66. 66»Selbstauskunft. Sarah Kirsch im Gespräch (August 1993)«, in Wolfgang Heidenreich und Bernhard Rübenach (Hg.), Sarah Kirsch. Texte, Dokumente, Materialien (Peter-Huchel-Preis. Ein Jahrbuch, 1993), Baden-Baden 1995, S. 47.
  67. 67Georg-Maurer-Archiv (GMA), Stadtbibliothek Leipzig, Zweigstelle Plagwitz, Bl. 7.

  68. 68Ebd., Bl. 6.
  69. 69Ebd., Bl. 7.

  70. 70GMA, AdK, Nr. 1199, Bl. 2.

  71. 71Ebd.
  72. 72Georg Maurer, Was vermag Lyrik?, hg. von Heinz Czechowski, Leipzig 1982, S. 144.

  73. 73Kirsch, Selbstauskunft (Fn. 66), S. 49.

  74. 74Endler, Dies Sirren (Fn. 17), S. 145 f.

  75. 75SStAL, Institut für Literatur, Nr. 358, Bl. 158.

  76. 76Ebd., Bl. 159.

  77. 77Institut für Literatur, Zwischenbericht (Fn. 1), S. 8.

  78. 78SStAL, Institut für Literatur, Nr. 358, Bl. 125.

  79. 79Ebd., Bl. 124. 

  80. 80Ebd., Bl. 125.

  81. 81Ebd.

  82. 82Ebd.

  83. 83Ebd.

  84. 84SStAL, Institut für Literatur, Nr. 536, Bl. 27.

  85. 85SStAL, Institut für Literatur, Nr. 851, Bl. 94.

  86. 86Ebd., Bl. 97.

  87. 87Ebd., Bl. 99.

  88. 88›Geheimer Informator‹ bezeichnet die Klassifizierung gewöhnlicher IM von 1950 bis 1968, ehe der Begriff ›Inoffizieller Mitarbeiter‹ auch offiziell in die Dokumente der Staatssicherheit übernommen wurde. Vgl. hierzu: Helmut Müller-Enbergs, Art. »Geheimer Informator (GI)«, in Roger Engelmann u. a., Das MfS-Lexikon: Begriffe, Personen und Strukturen der Staatssicherheit der DDR, Berlin 2012, S. 103.

  89. 89Vgl. Vorschlag zur Werbung eines inoffiziellen Mitarbeiters (GI auf Linie Abwehr/Kultur) vom 28. 1. 1966, in BStU, MfS, BV Lpz., AIM, Nr. 290/74, Teil I, Bd. 1, Bl. 67.

  90. 90Vgl. Hausinterne Mitteilung der MfS-Bezirksverwaltung Leipzig, Abteilung XX/1 an die Abteilung II vom 31. 1. 1966, in BStU, MfS, BV Lpz., AIM Nr. 1149/67, P.-Akte, Bd. 1, Bl. 53.

  91. 91Vgl. Sachstandsbericht zum Operativ-Vorgang ›Autor‹ vom 10. 9. 1968, in BStU, MfS, BV Lpz., AOP, Nr. 840/71, Bd. 8, Bl. 90.

  92. 92Vgl. hierzu Uta Grundmann, Klaus Michael und Susanne Seufert (Hg.), »Revolution im geschlossenen Raum«. Die andere Kultur in Leipzig 1970–1990, Leipzig 2002, S. 105.

  93. 93Vgl. hierzu die Berichte des GI ›Julia‹, u. a. über Planung und anschließendes Verbot einer Lesung mit Havemann im institutseigenen Studentenklub, in BStU, MfS, BV Lpz., AIM Nr. 1149/67, A.-Akte, Bd. 1, S. 158.

  94. 94Dieter Mucke, 1936 in Leipzig geboren, veröffentlicht seit 1969 Lyrik, Erzählungen, Märchen und Kinderbücher. Er ist Träger des Kunstpreises der Stadt Halle a. d. S., des Österreichischen Staatspreises für Kinderlyrik 2003 und des Walter-Bauer-Literaturpreises der Stadt Merseburg 2010. Von 1991 bis 1994 war er Mitglied im Bundesvorstand des Verbandes Deutscher Schriftsteller.

  95. 95Bräunig ließ das Kapitel in Ausgabe 10 der KulturzeitschriftNeue Deutsche Literatur drucken. Daraufhin sah er sich insbesondere im Neuen Deutschland und auf dem 11. Ple
num mit schwerwiegenden Anfeindungen bezüglich seiner modernistischen Wiedergabe von sozialistischer Alltags- und Arbeitswirklichkeit konfrontiert. Vgl. hierzu: Martina Langermann, »Rummel um den Rummelplatz von Werner Bräunig«, in Simone Barck, Martina Langermann und Siegfried Lokatis, »Jedes Buch ein Abenteuer«. Zensur-System und literarische Öffentlichkeit in der DDR bis Ende der sechziger Jahre, Berlin 1998, S. 319–331.

  96. 96Vgl. Abschrift der Etüde Ankunft und Abschied in einem Café (eine Etüde), in BStU, MfS, BV Hle., AOP Nr. 3486/84, Bl. 11 f.

  97. 97Vgl. Tonbandabschrift eines Berichts des GI ›Julia‹ vom 22. 12. 1965, in BStU, MfS, BV Lpz., AIM Nr. 1149/67, A.-Akte, Bd. 1, Bl. 165.

  98. 9824 Vgl. Vorführbericht vom 6. 7. 1966, in BStU, MfS, BV Hle., AOP, Nr. 3486/84, Bl. 81.

  99. 9925 Vgl. Information über Angelegenheit Dieter Mucke (Schreiben des stellvertretenden Institutsdirektors Horst Nalewski an die MfS-Bezirksverwaltung Leipzig) vom 6. 7. 1966, in ebd., Bl. 200 f.

  100. 100Vgl. hierzu Angela Drescher, »›Aber die Träume haben doch Namen‹. Der Fall Werner Bräunig« (Nachwort), in Werner Bräunig, Rummelplatz, Berlin 2007, S. 666.

  101. 101Vgl. hierzu: Ergänzungsbericht zum Sachstandsbericht UV Mucke, Dieter vom 6. 8. 1966, in BStU, MfS, BV Lpz., AU, Nr. 1762/66, Bl. 69 ff.

  102. 102Grundmann, Michael, Seufert, Revolution (Fn. 92), S. 105.

  103. 103Ebd.

  104. 104Vgl. Ergänzungsbericht (Fn. 101), Bl. 70.

  105. 105Vgl. Schreiben von Horst Nalewski, Institut für Literatur, an Dieter Mucke vom 15. 12. 1965, in BStU, MfS, BV Lpz., AU, Nr. 1762/66, UV, Bl. 82.

  106. 106Vgl. Ergänzungsbericht (Fn. 101), Bl. 69 f.

  107. 107Vgl. Aktennotiz: Aussprache mit der Leitung des Instituts für Literatur Genossen Max-Walter Schulz [sic!], Genossen Nalewski sowie dem Parteisekretär Genossen Steinhaußen, in BStU, MfS, BV Hle., AOP Nr. 3486/84, Bl. 78.

  108. 108Vgl. Einschätzung zum Op.-Vg. ›Autor‹ der Abt. XX/1 der BV Leipzig vom 13. 7. 1966, in BStU, MfS, BV Lpz., AU, Nr. 1762/66, Bl. 15.

  109. 109Vgl. An die Leitung des Instituts für Literatur (Brief von Dieter Mucke vom 12. 7. 1966), in ebd., Bl. 154 ff.

  110. 110Vgl. Mitteilung des Instituts für Literatur an das Ministerium für Staatssicherheit, Bezirksverwaltung Leipzig, vom 19. 7. 1966, in ebd., Bl. 153.

  111. 111Vgl. Vernehmungsprotokoll des Beschuldigten Mucke, Dieter vom 21. 7. 1966, in ebd., Bl. 81 f.

  112. 112Vgl. ebd., Bl. 79.

  113. 113Vgl. Vernehmungsprotokoll des Beschuldigten Mucke, Dieter vom 29. 7. 1966, in ebd., Bl. 106.

  114. 114Ebd., Bl. 109 f.

  115. 115Vgl. Vernehmungsprotokoll des Beschuldigten Mucke, Dieter vom 9. 8. 1966, in ebd., Bl. 199.

  116. 116Vgl. Entlassungsbeschluss vom 10. 8. 1966, in ebd., Bl. 209.

  117. 117Ebd.
  118. 118So z. B. in: Holger Jackisch, »Einsames Literaturinstitut«, in Die Andere Zeitung, 9. 1. 1991, S. 4.

  119. 119Hubert Witt, »Nachbemerkung«, in Dieter Mucke, Panik im Olymp. Gedichte, Halle a. d. S./Zürich 1995. S. 123.
  120. 120Ebd., S. 47.
  121. 121»Gespräch mit Siegmar Faust«, in Grundmann, Michael, Seufert, Revolution (Fn. 92), S. 106–109, hier S. 106.

  122. 122Max Walter Schulz, Pinocchio und kein Ende. Notizen zur Literatur, Halle a. d. S./Leipzig 1980, S. 185.
  123. 123Vortrag über Literatur und Pädagogik anlässlich der Verleihung des Dr. phil. h. c. durch die Philosophische Fakultät der Pädagogischen Hochschule ›Clara Zetkin‹, Leipzig, am 24. 2. 1987 (Archiv der Akademie der Künste, Max Walter Schulz Archiv, Nr. 15, Bl. 5).
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Heft 14 (2015)
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