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Johann Christoph Gottsched: Briefwechsel. Historisch-kritische Ausgabe


Unter Einschluss des Briefwechsels von Luise Adelgunde Victorie Gottsched. Im Auftrage der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig herausgegeben von Detlef Döring † und Manfred Rudersdorf


Band 12: Oktober 1746 – Dezember 1747. Herausgegeben und bearbeitet von Caroline Köhler, Franziska Menzel, Rüdiger Otto und Michael Schlott, de Gruyter, Berlin/Boston 2016, LXVII + 670 Seiten, Festeinband


Als Leitmotiv für das Wirken Johann Christoph Gottscheds kann das Bemühen um den Anschluss der deutschen Sprache, Literatur und Kultur an westeuropäische Vorbilder und speziell an das kulturell dominante Frankreich angesehen werden. Ein Mittel zur Geschmacksbildung bestand in Übersetzungen klassischer französischer Dramen, die Gottsched anfertigte oder anregte. Überdies forderte er seine Zeitgenossen auf, Originalstücke zu erfinden, nachdem er selbst mit gutem Beispiel vorgegangen war. Infolgedessen setzte eine bemerkenswerte Dramenproduktion und Theaterleidenschaft ein, die im Laufe des Jahrhunderts nicht mehr erlosch. Die ersten zehn Bände der Gottsched-Briefausgabe dokumentieren diese Bemühungen, deren Resultate in der sechsbändigen Stückesammlung zu besichtigen sind, die Gottsched von 1741 bis 1745 unter dem Titel Deutsche Schaubühne veröffentlichte. Mitte der vierziger Jahre nahm Gottsched ein weiteres Großprojekt in Angriff. Gegen Ende des Jahres 1746 trat er mit der Ankündigung an die Öffentlichkeit, er wolle eine Geschichte der deutschsprachigen Literatur von den Zeiten Kaiser Karls des Großen bis ins siebzehnte Jahrhundert verfassen. Es fehlte indes an den Grundlagen. Die Literaturwerke der vergangenen Jahrhunderte waren vielfach noch gänzlich unerschlossen, und es kam darauf an, überhaupt erst einmal die poetischen Schätze der Vergangenheit zu erschließen. Deshalb appellierte er an die Öffentlichkeit, ihm – aus Liebe zum gemeinsamen Vaterland, »propter Patriae communis amorem« – bei der Suche nach poetischen Zeugnissen in Gestalt von Handschriften oder Drucken behilflich zu sein. Band 12 der Gottsched-Briefausgabe zeigt die ersten Reaktionen auf diesen Aufruf. Freunde und Schüler aus Königsberg oder Kassel sagten ihre Unterstützung zu. Mitunter wurden ihm aus entlegenen Gutsbibliotheken Texte zugesandt. Dank enger persönlicher Beziehungen standen ihm Handschriften aus der herzoglichen Bibliothek in Gotha zur Verfügung. Auch die Herzog August Bibliothek in Wolfenbüttel war beteiligt. Intellektuelle mit gleichen Interessen traten mit ihm in Austausch. Man erfährt aber auch von Schwierigkeiten. So war eine Bibliothek in den Wintermonaten wegen Kälte und Dunkelheit für Suchaktionen ungeeignet, in Kassel war die Genehmigung schwer zu erlangen. Gelegentlich wollte man die Schätze nicht einfach Gottsched überlassen, sondern, wie in Jena, den eigenen Wissenschaftlern vorbehalten. Das mit wechselseitiger Abneigung verbundene Konkurrenzverhältnis zu den Schweizern Bodmer und Breitinger wirkte sich auch auf die literaturgeschichtliche Arbeit aus. Wie Gottsched hatten die Schweizer ihr Augen­merk auf die ältere deutsche Literatur gerichtet. Beide Seiten waren darüber im Bilde, dass eine der wichtigsten Sammlungen mittelhochdeutscher Lyrik in der Pariser Königlichen Bibliothek aufbewahrt wurde, die sogenannte Manessische Liederhandschrift. Auszüge aus der Sammlung waren seit Anfang des 17. Jahrhunderts im Druck bekannt und beflügelten den Wunsch nach Einsicht in den gesamten Codex. Nachdem im Januar 1747 die kursächsische Prinzessin Maria Josepha den französischen Kronprinzen Louis-Ferdinand de Bourbon geheiratet hatte, war für Gottsched mit seinen guten Verbindungen zu hohen Beamten am Dresdner Hof eine günstige Gelegenheit gekommen. Aber auch die Schweizer waren gut vernetzt. Als die Sachsen ihr Anliegen in Paris vortrugen, war die Handschrift bereits nach Zürich verliehen. Als weitere Themen des 12. Bandes verdienen die Auseinandersetzungen mit der Berliner Akademie über die Geltung der Leibnizschen Monadenlehre besondere Aufmerksamkeit. Im engeren Kreis von Gottsched-Vertrauten wurde anlässlich einer problematischen Veröffentlichung über den Status der christlichen Offenbarung debattiert. In den Zeitraum des Bandes fällt auch ein Phänomen, das nicht leicht mit dem Zeitalter der Aufklärung in Verbindung zu bringen ist. Im Collegium Carolinum in Braunschweig, einer jungen zukunftsweisenden Bildungseinrichtung, der sich Gottsched besonders verbunden fühlte, weil sie von einem seiner Schüler, dem namhaften Aufklärungstheologen Johann Friedrich Wilhelm Jerusalem maßgeblich initiiert worden war und etliche seiner Leipziger Absolventen zum Lehrkörper zählten, sollte es eine Geisterscheinung gegeben haben. Nach ersten Gerüchten über den Vorfall wollte man in Leipzig genaueres wissen. Es stellte sich heraus, dass einer der seriösen Wissenschaftler der Einrichtung die Begegnung mit dem Geist bezeugte. Gottscheds Briefpartner kommentierten die Berichte auf unterschiedliche Weise, nur Jerusalem war hin- und hergerissen zwischen dem Vertrauen in die Glaubwürdigkeit seines Kollegen und der Position der Leipziger Aufklärungsfreunde, die das Phänomen nur mit Betrug oder Sinnestäuschung erklären konnten. Das Ereignis rief etliche Publikationen hervor und noch in Johann Heinrich Jung-Stillings Theo­rie der Geisterkunde von 1808 wird über »die bekannte Geistererscheinung in Braunschweig« berichtet. Wie bereits in den vorherigen Bänden zu lesen ist, wird Gottsched für verschiedene Dienstleistungen in Anspruch genommen. Er soll eingesandte Verse begutachten, von ihm werden Gelegenheitsgedichte erbeten, er soll Stellen für arbeitslose Akademiker vermitteln und er wird nach geeigneten Absolventen befragt, die sich in eine Hofmeisterposition schicken können. Vor allem erreichen ihn, den Bewohner des Breitkopfschen Hauses zum Goldenen Bären, von allen Seiten Bitten um Vermittlung eines Verlags für Manuskripte unterschiedlicher Art. Der Verlag von Bernhard Christoph Breitkopf stand in der Wunschliste wegen der Qualität seiner Drucke ganz oben. Gottsched war um Unterstützung bemüht, aber die Wünsche der Autoren und die Interessen der Verleger waren auch für ihn oft schwer vermittelbar.


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Heft 20 (2018)
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1867-7061

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