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Isentrope Energiespeicher


Einleitung


Im vorliegenden Beitrag werden Systeme für die Speicherung elektrischer Energie im Gigawattstundenmaßstab vorgestellt. Isentrope Energiespeicher wandeln Strom auf »isentrope« (reversible) Weise in andere Energieformen, insbesondere Wärme, um und bei Bedarf in Strom zurück. Auf Grund eines intelligenten Wärmemanagements besitzen sie im Idealfall einen Wirkungsgrad von 100 %. Im Beitrag werden Funktionsweise und Anwendungsgebiete vorgestellt. 


Die ortsunabhängige und gleichzeitig preiswerte Speicherung elektrischer Energie in der Größenordnung des Tagesverbrauches einer Großstadt (Gigawattstunden, GWh) ist ein weitgehend ungelöstes Problem der Energietechnik. Seine Lösung ist jedoch der Schlüssel für die Integration regenerativer Energiequellen in den Energiemix der Bundesrepublik Deutschland und der ganzen Welt. Das Energiespeicherproblem in GWh-Maßstab ist zwar prinzipiell durch Pumpspeicherwerke und Batteriespeicher lösbar, doch ist das Potenzial für Pumpspeicherwerke in Deutschland erschöpft und Batteriespeicher sind für diesen Zweck gegenwärtig zu teuer und zu wenig zyklenfest. Isentrope Energiespeicher besitzen das Potenzial, die Nachteile hoher Kosten und geringer Zyklenfestigkeit zu überwinden und überdies an beliebigen Orten der Welt installierbar zu sein. Im vorliegenden Beitrag wird das Grundkonzept der isentropen Energiespeicherung erläutert, an drei Beispielen illustriert und die zentrale Rolle der Wärmespeicher dargestellt.


Was ist ein isentroper Energiespeicher?


Ein isentroper Energiespeicher ist ein thermodynamisches System, bei dem elektrischer Strom reversibel in Wärme sowie gegebenenfalls in weitere Energieformen umgewandelt wird und dessen maximaler theoretischer Wirkungsgrad deshalb 100 % beträgt. Das Wort »isentrop« steht für Vorgänge, die sich bei konstanter Entropie abspielen und deshalb umkehrbar sind. 


Das einfachste Beispiel eines isentropen Energiespeichers ist ein Pumpspeicherwerk. Hier wird elektrische Energie im Idealfall reversibel in potenzielle Energie von Wasser umgewandelt. Dabei handelt es sich allerdings um einen trivialen isentropen Energiespeicher, weil die Umwandlung elektrischer Energie in potenzielle Energie ein rein mechanischer Prozess ist. 


Auch ein Schwungradspeicher ist ein isentroper Energiespeicher. Hier wird elektrische Energie im Idealfall reversibel in kinetische Energie einer rotierenden Masse verwandelt. Auch hier handelt es sich um einen trivialen isentropen Energiespeicher, weil die Umwandlung elektrischer Energie in ­kinetische Energie ebenfalls ein rein mechanischer und im reibungsfreien Fall isentroper Prozess ist.


Abb. 1 zeigt das einfachste nichttriviale Beispiel eines isentropen Energiespeichers – einen Strom-Wärme-Strom (SWS) Energiespeicher. Hier wird elektrische Energie in Wärme verwandelt und die Wärme anschließend rückverstromt. Bei dem in Abb. 1a gezeigten Beispiel handelt es sich um einen SWS-Speicher, der noch nicht isentrop ist. Zwar kann elektrischer Strom vollständig in Wärme verwandelt werden, wie etwa die Erwärmung eines Speicherbehälters von 20 °C auf 100 °C im Bild zeigt. Doch kann bei der Rückverstromung – beispielsweise mittels einer Organic-Rankine-Cycle (ORC) Anlage – nur ein kleiner Teil dieser Energie in Elektrizität zurückverwandelt werden. Die Rückverwandlung der Wärme in Strom ist nämlich durch den Carnotschen Wirkungsgrad η=(TH-TC)/TH begrenzt. Hierbei bedeutet TH die Speichertemperatur und TC die Temperatur der Umgebung. Würde man beispielsweise Wasser mit Strom von 20 °C auf 100 °C aufheizen und die Wärme anschließend mit einer Carnot-Maschine verstromen, so ergäbe sich ein idealer Speicherwirkungsgrad von 80/373 ≈ 21 %. Davon ist in der Praxis bestenfalls die Hälfte, also etwa 10 %, technisch machbar. Lässt sich dieses Carnot-Dilemma 
umgehen?

Abb. 1: Strom-Wärme-Strom Energiespeicher: (a) Ein Strom-Wärme-Strom (SWS) Energiespeicher mit elektrischer Erwärmung des Wärmespeichermediums ist kein isentroper Energiespeicher, weil die Entropie S des aus dem Wärmespeicher (kleiner blauer Behälter) und der Umgebung (großer blauer Behälter) bestehenden thermodynamischen Systems bei der Erwärmung anwächst. (b) Ein SWS-Speicher bestehend aus einer Wärmepumpe und einer Wärmekraftmaschine (ORC = Organic Rankine Cycle) ist hingegen im Idealfall ein isentroper Energiespeicher, weil die Entropie S konstant bleibt. Die Entropiewerte sind willkürlich gewählt und dienen nur der Illustration. Die Zahlenwerte 20,001 °C in (a) und 19,999 °C in (b) sind fiktiv und drücken aus, dass sich die Umgebung durch den Wärmeaustausch mit dem Wärmespeicher nur geringfügig erwärmt bzw. abkühlt. Quelle: Autor.
 Abb. 1: Strom-Wärme-Strom Energiespeicher: (a) Ein Strom-Wärme-Strom (SWS) Energiespeicher mit elektrischer Erwärmung des Wärmespeichermediums ist kein isentroper Energiespeicher, weil die Entropie S des aus dem Wärmespeicher (kleiner blauer Behälter) und der Umgebung (großer blauer Behälter) bestehenden thermodynamischen Systems bei der Erwärmung anwächst. (b) Ein SWS-Speicher bestehend aus einer Wärmepumpe und einer Wärmekraftmaschine (ORC = Organic Rankine Cycle) ist hingegen im Idealfall ein isentroper Energiespeicher, weil die Entropie S konstant bleibt. Die Entropiewerte sind willkürlich gewählt und dienen nur der Illustration. Die Zahlenwerte 20,001 °C in (a) und 19,999 °C in (b) sind fiktiv und drücken aus, dass sich die Umgebung durch den Wärmeaustausch mit dem Wärmespeicher nur geringfügig erwärmt bzw. abkühlt. Quelle: Autor.


Abb. 1b zeigt einen isentropen SWS-Energiespeicher. Wandelt man die elektrische Energie W nicht mittels elektrischer Heizung, sondern mittels einer Carnotschen Wärmepumpe mit dem Leistungsfaktor β=TH/(TH-T) in Wärme um, so lässt sich eine größere Wärmemenge, nämlich Q=bW=TH/(TH-TC)W, in den Wärmespeicher einspeisen. Wird diese gespeicherte Wärme bei Bedarf mittels einer Carnotschen Wärmekraftmaschine wieder in Arbeit W‘ zurückverwandelt, so ergibt sich für die wiedergewinnbare Energie W‘=hQ=bhW wobei η der oben definierte Carnotsche Wirkungsgrad ist. Da das Produkt aus Carnotschem Leistungsfaktor β und Carnotschem Wirkungsgrad η gleich eins ist, folgt daraus W‘=W! Das heißt, dass ein durch Kombination aus Carnotscher Wärmepumpe und Carnotschem Wärmekraftprozess bestehender SWS-Speicher einen isentropen Energiespeicher verkörpert. Diese einfache thermodynamische Überlegung zeigt im Übrigen auch, dass die landläufige Aussage, derzufolge elektrische Energie »die Energieform mit dem höchsten Wert« sei, nicht korrekt ist.


Systematik isentroper Energiespeicher


Abb. 2: Systematik isentroper Energiespeichertechnologien: (a) Ein Strom-Wärme-Strom (SWS) Energiespeicher mit elektrischer Erwärmung des Wärmespeichermediums ist kein isentroper Energiespeicher, weil die Umwandlung von Strom in Wärme durch »einfaches« elektrisches Heizen irreversibel (nicht umkehrbar) ist. (b) Ersetzt man den Elektroheizer durch eine Wärmepumpe, so entsteht ein isentroper SWS-Energiespeicher, weil das System im Fall einer idealen Wärmepumpe und einer idealen Wärmekraftanlage reversibel (umkehrbar) arbeitet. (c) Ein Druckluftspeicher ist in der Regel kein isentroper Energiespeicher, weil bei der Kompression von Luft irreversibel Wärme produziert wird und bei der Expansion Wärme von außen zugeführt werden muss. (d) Durch Zwischenspeicherung der Kompressionswärme in einem Wärmespeicher und Verwendung dieser Wärme bei der Expansion entsteht ein adiabatischer Druckluftspeicher (ADS), der einen isentropen Energiespeicher verkörpert. (e) Eine Kombination aus einem Elektrolyseur und einer Brennstoffzelle ist in der Regel kein isentroper Energiespeicher, weil in der Brennstoffzelle irreversibel Wärme produziert wird und bei der Elektrolyse Wärme von außen zugeführt werden muss. (f) Durch Zwischenspeicherung der in der Brennstoffzelle erzeugten Wärme und Verwendung dieser Wärme im Elektrolyseur entsteht ein isentroper Energiespeicher in Form eines reversiblen Brennstoffzellensystems (RBZ). Quelle: Autor.
 Abb. 2: Systematik isentroper Energiespeichertechnologien: (a) Ein Strom-Wärme-Strom (SWS) Energiespeicher mit elektrischer Erwärmung des Wärmespeichermediums ist kein isentroper Energiespeicher, weil die Umwandlung von Strom in Wärme durch »einfaches« elektrisches Heizen irreversibel (nicht umkehrbar) ist. (b) Ersetzt man den Elektroheizer durch eine Wärmepumpe, so entsteht ein isentroper SWS-Energiespeicher, weil das System im Fall einer idealen Wärmepumpe und einer idealen Wärmekraftanlage reversibel (umkehrbar) arbeitet. (c) Ein Druckluftspeicher ist in der Regel kein isentroper Energiespeicher, weil bei der Kompression von Luft irreversibel Wärme produziert wird und bei der Expansion Wärme von außen zugeführt werden muss. (d) Durch Zwischenspeicherung der Kompressionswärme in einem Wärmespeicher und Verwendung dieser Wärme bei der Expansion entsteht ein adiabatischer Druckluftspeicher (ADS), der einen isentropen Energiespeicher verkörpert. (e) Eine Kombination aus einem Elektrolyseur und einer Brennstoffzelle ist in der Regel kein isentroper Energiespeicher, weil in der Brennstoffzelle irreversibel Wärme produziert wird und bei der Elektrolyse Wärme von außen zugeführt werden muss. (f) Durch Zwischenspeicherung der in der Brennstoffzelle erzeugten Wärme und Verwendung dieser Wärme im Elektrolyseur entsteht ein isentroper Energiespeicher in Form eines reversiblen Brennstoffzellensystems (RBZ). Quelle: Autor.


Der eingangs erläuterte SWS-Energiespeicher ist eines von drei generischen isentropen Energiespeicherkonzepten. Bei den anderen beiden handelt es sich um den adiabatischen Druckluftspeicher (ADS) und um den reversiblen Brennstoffzellenspeicher (RBZ). Abb. 2 zeigt isentrope Energiespeicher von ­einem vereinheitlichten thermodynamischen Standpunkt aus gesehen. Jeder der drei Speicher (SWS, ADS und RBZ) besteht aus einem Beladesystem, einem Speichersystem und einem Entladesystem. Je nach Art dieser Systeme kann das Gesamtspeichersystem entweder nicht-isentrop sein (idealer Wirkungsgrad kleiner als 100 %, Abbildungen 2a, 2c, 2e) oder isentrop (idealer Wirkungsgrad gleich 100 %, Abbildungen 2b, 2d, 2e).

Abbildungen 2a und 2b zeigen die nicht-isentrope beziehungsweise isentrope Variante des bereits diskutierten SWS-Speichers. In den Abbildungen 2c und 2d sind die analogen Varianten für die Druckluftspeicherung dargestellt. In herkömmlichen Druckluftspeichern, so wie sie in Huntorf (Deutschland) und MacIntosh (USA) existieren, wird Luft mittels elektrischer Energie auf einen Druck in der Größenordnung von 60 bar komprimiert, abgekühlt und in einer unterirdischen druckfesten Kaverne gespeichert. Bei Strombedarf wird die komprimierte Luft mit fossiler Heizung über eine Turbine entspannt und dabei elektrische Energie ins Netz zurückgespeist. Anhand einer elementaren Rechnung unter Verwendung der Formel für die Entropie eines idealen Gases lässt sich zeigen, dass bei einer adiabatischen Kompression gefolgt von einer Abfuhr der Kompressionswärme an die Umgebung Entropie produziert wird. Ebenso lässt sich nachweisen, dass bei einer adiabatischen Expansion (verbunden mit einer Abkühlung) und einer anschließenden Aufnahme von Wärme aus der Umgebung ebenfalls Entropie erzeugt wird. Diese beiden Entropieproduktionsprozesse sind dafür verantwortlich, dass der Wirkungsgrad herkömmlicher Druckluftspeicher (Abb. 2c) auf etwa 50 % be
schränkt ist. 


Könnte man die Kompression der Luft hingegen unendlich langsam und isotherm durchführen, so würde die Entropie des thermodynamischen Systems, bestehend aus komprimierter Luft und Umgebungsluft, konstant bleiben. Dies ist in Abb. 2d symbolisiert. Die Zustandsänderung wäre mithin reversibel und elektrische Energie ließe sich verlustfrei in Form von Druck und Um­gebungswärme speichern. Dies wäre ein isentroper Energiespeicher. In der Praxis lassen sich Kompressionsvorgänge nicht unendlich langsam durchführen. Deshalb besteht die technische Realisierung eines solchen Speichers in Gestalt des sogenannten adiabatischen Druckluftspeichers darin, dass die beim Komprimieren erzeugte Wärme gespeichert wird, um bei der Expansion wieder verwendet werden zu können. In dem laufenden Projekt ADELE (Adia­batische Druckluftspeicherung von Elektrizität) wird dieses Konzept unter maßgeblicher Beteiligung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) zusammen mit Kooperationspartnern im Detail erarbeitet. 


Abb. 2e und 2f zeigen schlussendlich die nicht-isentrope beziehungsweise isentrope Variante des RBZ-Speichers. In einem »naiven« RBZ-Speicher wird elektrische Energie mittels eines Elektrolyseurs zur Aufspaltung von Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff eingesetzt. Dies ist ein endothermer Prozess. Zur Rückverstromung werden Wasserstoff und Sauerstoff in einer Brennstoffzelle in einem exothermen Prozess in elektrische Energie zurückverwandelt. Die in Abb. 2e dargestellte Wirkungskette ist durch einen Gesamtwirkungsgrad (Strom zu Strom) von weniger als 50 % gekennzeichnet, weil ein Teil der elek­trischen Energie bei der Elektrolyse in Wärme umgewandelt wird und weil die in der Brennstoffzelle gebildete Wärme als Energieverlust an die Umgebung abgeführt wird. Das System in Abb. 2e ist somit nicht isentrop.


Integriert man hingegen einen Hochtemperaturwärmespeicher in das Speichersystem, so kann die in der Brennstoffzelle abgegebene Wärme zwischengespeichert und bei der Elektrolyse eingesetzt werden. Im Idealfall lässt sich so ein isentroper RBZ-Speicher realisieren.


Allen drei genannten isentropen Energiespeicherkonzepten ist die zentrale Bedeutung der Wärmespeicherung gemeinsam. 


Ausblick und Forschungsbedarf


Obwohl es zu jedem der drei Speicherkonzepte Forschungsaktivitäten gibt, existiert noch keine vereinheitlichte thermodynamisch-ökonomische Theorie der isentropen Energiespeicher, mit der eine zuverlässige Vorhersage der Wirkungsgrade und der Kosten dieser Systeme möglich ist. Es besteht somit die Notwendigkeit, diese Theorie zu erarbeiten und experimentell zu validieren. Auch ist es notwendig, preiswerte und zyklenfeste Wärmespeicher als Kernstück der isentropen Energiespeicherung zu entwickeln. Die erfolgreiche Entwicklung isentroper Energiespeicher kann einen wichtigen Beitrag zur Speicherung großer Mengen Elektroenergie leisten.

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Heft 20 (2018)
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