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Karl-Heinz Schlote: Von geordneten Mengen bis zur Uranmaschine. Zu den Wechselbeziehungen zwischen Mathematik und Physik an der Universität Leipzig in der Zeit von 1905 bis 1945. Verlag Harri Deutsch, Frankfurt/M. 2008. 436 Seiten.

Basierend auf der Auswertung des Archivmaterials im Leipziger Universitätsarchiv, im Sächsischen Hauptstaatsarchiv Dresden und im Bundesarchiv Berlin, der Vorlesungsverzeichnisse der Universität Leipzig und von Originalarbeiten der in Leipzig tätigen Mathematiker und Physiker wird die Entwicklung der Wechselbeziehungen zwischen Mathematik und Physik an der Leipziger Universität in der Zeit von 1905 bis 1945 analysiert. Mit der Einweihung des neuerbauten Physikalischen Instituts im Herbst 1904 verfügte die Leipziger Universität über eine der modernsten Einrichtungen auf diesem Fachgebiet. Damit verbunden war die Begründung eines Instituts für theoretische Physik und die Schaffung eines entsprechenden Ordinariats. Die damit entstandenen günstigen Rahmenbedingungen konnten jedoch in der theoretischen Physik nicht genutzt werden. Nach einer kurzen Aufschwungphase verharrte sie für zwei Jahrzehnte auf durchschnittlichem Niveau. Erst durch einen historischen Zufall, nämlich das fast gleichzeitige Freiwerden der beiden Physikordinariate, konnte mit der Berufung von Peter Debye und Werner Heisenberg ein fulminanter Aufschwung der theoretischen Physik eingeleitet werden. Leipzig wurde in der Folge für etwa ein Jahrzehnt zu einem führenden Zentrum der quanten- und kernphysikalischen Forschungen. Unterstützt wurde dieser Prozess durch die zeitweilige Beteiligung des ab 1930 ebenfalls in Leipzig lehrenden Mathematikers B. L. van der Waerden an den theoretisch-physikalischen Untersuchungen. In diesem Zeitraum erreichten die Wechselbeziehungen zwischen Mathematik und Physik eine neue Qualität und verkörperten bzw. bestimmten den internationalen Entwicklungsstand.

Von mathematischer Seite war diese Entwicklung von einer stärkeren Kontinuität in den mathematisch-physikalischen Forschungen geprägt. Mit der Einrichtung des mathematischen Instituts im Jahre 1905 erhielten die Mathematiker erstmals ein eigenes Institutsgebäude und dadurch verbesserte Lehr- und Forschungsbedingungen. Die von Carl Neumann und Carl von der Mühll im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts begründete Traditionslinie in der mathematischen Physik konnte erhalten und fortgesetzt werden. Das Ziel der mathematischen Physik sah Neumann insbesondere in einem möglichst einfachen, streng logischen Aufbau der physikalischen Theorien, der von wenigen, nicht weiter erklärbaren Grundvorstellungen ausging. Durch seine stark mathematisch orientierten Auffassungen zur theoretischen und mathematischen Physik und deren Exemplifizierung am Aufbau der Elektrodynamik leistete er einen wichtigen Beitrag zur genaueren Bestimmung und Unterscheidung dieser beiden Disziplinen. In G. Herglotz, L. Lichtenstein und E. Hopf fand er renommierte Nachfolger, die die mathematische Physik um wichtige neue Resultate und Methoden bereicherten, auch wenn, wie durch Herglotz’ Weggang nach Göttingen, manche hoffungsvollen Ansätze durch den Wechsel einzelner Mathematiker an andere, attraktiver erscheinende mathematische Zentren abbrachen.

Am Schicksal Lichtensteins werden zugleich die Auswirkungen des Nationalsozialismus sehr drastisch spürbar, die ebenfalls eine eingehende Betrachtung erfahren. Neben den Anfeindungen gegen Lichtenstein und dem Lehrverbot für F. Levi ist hier speziell der Niedergang der Heisenberg’schen Schule in der theoretischen Physik zu nennen. In diese Zeit fallen auch die Forschungen zur Uranmaschine.

Die skizzierten Entwicklungen werden in dem Buch sowohl hinsichtlich der institutionellen Aspekte als auch bezüglich der inhaltlichen Seite durch die Analyse der Forschungsarbeiten der einzelnen Wissenschaftler behandelt. Die Darstellung knüpft damit nahtlos an die in den Abhandlungen der mathematisch- naturwissenschaftlichen Klasse der Sächsischen Akademie erschienene Übersicht über die Entwicklung der besagten Wechselbeziehungen an der Leipziger Universität in der Zeit von ca. 1830 bis 1904/05 an, ohne aber die Kenntnis dieser früheren Publikation vorauszusetzen.

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Heft 1 (2008)
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ISSN:
1867-7061

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