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Briefwechsel Robert und Clara Schumanns mit Korrespondenten in Berlin 1832 bis 1883

Herausgegeben von Klaus Martin Kopitz, Eva Katharina Klein und Thomas Synofzik, Schumann-Briefedition, Serie II, Freundes- und Künstlerbriefwechsel, Band 17, hrsg. vom Robert-Schumann-Haus Zwickau und dem Institut für Musikwissenschaft der Hochschule für Musik Carl Maria von Weber Dresden in Verbindung mit der Robert-Schumann-Forschungsstelle Düsseldorf und der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig, Köln, Dohr, 2015, 1000 Seiten, 4 Tafeln, Festeinband


Briefwechsel Clara Schumanns mit Korrespondenten in Berlin 1856 bis 1896

Herausgegeben von Klaus Martin Kopitz, Eva Katharina Klein und Thomas Synofzik, Schumann-Briefedition, Serie II, Freundes- und Künstlerbriefwechsel, Band 18, hrsg. vom Robert-Schumann-Haus Zwickau und dem Institut für Musikwissenschaft der Hochschule für Musik Carl Maria von Weber Dresden in Verbindung mit der Robert-Schumann-Forschungsstelle Düsseldorf und der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig), Köln, Dohr, 2015, 868 Seiten, 16 Tafeln, Festeinband


Unter den Musikern, die im 19. Jahrhundert in der preußischen Metropole Berlin ansässig waren, befanden sich – anders als in Leipzig – kaum Persönlichkeiten, die die europäische Musikgeschichte nachhaltig prägten. Bedingt durch das Königshaus und dessen Geschmack erfuhr das Musikleben der Stadt eine eher konservative Ausrichtung. Dennoch waren die Beziehungen Robert und Clara Schumanns zu Berlin äußerst vielfältig. Die Stadt diente ihnen immer wieder als Ziel zahlreicher Reisen und war Ort vieler Konzerte. Mehrere Jahre wohnte Clara Schumann sogar in Berlin, ebenso ihr Halbruder Woldemar Bargiel und ihre Mutter Mariane Bargiel geschiedene Wieck. Teilweise lebten einige der Schumann-Kinder auch allein dort, etwa bei dem Pädagogen Hermann Planer, Lehrer am renommierten Joachimsthalschen Gymnasium. Zu jenen, die sie betreuten, gehörte Elisabeth Werner, eine Schülerin von Woldemar Bargiel, die für die Kinder weit mehr als nur Erzieherin war. Für Clara Schumann war sie durchaus Freundin und Vertraute. 


Attraktiv für Musiker erschien Berlin durch die von Carl Friedrich Zelter begründete Singakademie, die Königliche Kapelle, das Königliche Opernhaus Unter den Linden und nicht zuletzt durch die Königliche Bibliothek mit einer der weltweit größten Musiksammlungen. Clara Schumann hat später einen beträchtlichen Teil vom Nachlass ihres Mannes dorthin verkauft. Die zähen Verhandlungen, für die das preußische Kultusministerium zuständig war, lassen sich jetzt erstmals detailliert nachverfolgen.


In Berlin wirkten auch einflussreiche Musikjournalisten, insbesondere der für die Vossische Zeitung tätige Ludwig Rellstab, den Robert Schumann für seine Neue Zeitschrift für Musik gewinnen konnte, ebenso Hieronymus Truhn, der gleichfalls für die Neue Zeitschrift für Musik schrieb.


Später wurde die Musikstadt Berlin vor allem durch den Geiger, Komponisten, Dirigenten und Brahms-Freund Joseph Joachim geprägt, der 1869 von König Wilhelm I. zum Gründungsrektor der Berliner Musikhochschule berufen wurde, der heutigen Universität der Künste. Joachims Bemühungen, der befreundeten Clara Schumann dort ebenfalls eine Professur zu verschaffen, endeten jedoch, als ihr das Hoch’sche Konservatorium in Frankfurt am Main weit bessere Konditionen bot. Die Korrespondenz zwischen Robert und Clara Schumann sowie Joseph Joachim, deren Herausgabe derzeit in Arbeit ist, wird innerhalb der Serie II der Schumann-Briefedition gesondert als Band 2 erscheinen.


Wichtige Korrespondenzpartner in den Bänden 17 und 18 sind die Musikschriftsteller Siegfried Wilhelm Dehn, Adolf Bernhard Marx, Johann Philipp Schmidt und Philipp Spitta, die Schriftsteller Bettina von Arnim, Gisela von Arnim, Herman Grimm, Louis du Rieux, Jegór von Sivers und Titus Ullrich, der Philosoph Moritz Lazarus, der Altertumsforscher und Museumsdirektor Richard Schöne sowie der musikliebende Kaufmann Martin Levy, bei dem Clara Schumann mehrfach logierte.


Nicht unerwähnt bleiben darf König Friedrich Wilhelm IV., dem Robert Schumann Widmungsexemplare seines Oratoriums Das Paradies und die Peri sowie seiner Oper Genoveva zusandte. Der Monarch revanchierte sich dafür mit der Kleinen bzw. der Großen Goldenen Medaille für Kunst. Die Berliner Erstaufführung des Oratoriums Das Paradies und die Peri, die am 17. Februar 1847 unter der Leitung des Komponisten in der Singakademie stattfand, dürfte ein gewisser Höhepunkt in Schumanns Leben gewesen sein, war doch Friedrich Wilhelm dabei persönlich anwesend. Weitere Berliner Politiker, die zum ­Bekanntenkreis der Familie Schumann gehörten, waren Friedrich Althoff, Gustav von Goßler, Julius Greiff, Robert von Keudell und Graf Friedrich Wilhelm von Redern, von denen Letzterer gleichfalls bei der Berliner Erstaufführung des Oratoriums zugegen war.


Darüber hinaus sind als Korrespondenzpartner zahlreiche bekannte und weniger bekannte Komponisten, Pianisten und Dirigenten vertreten, darunter Julie von Asten, Ludwig Berger, Gustav Heuser, Herrmann Hirschbach, Friedrich Kiel, Hermann Krigar (der Schwager des Malers Adolph Menzel), Theodor Kullak, Oskar Kolberg, Marie Lichtenstein, Johanna Mathieux (die spätere Frau des Theologen Gottfried Kinkel), Carl Moeser, Siegfried Ochs, Robert Radecke, Laura Rappoldi-Kahrer, Carl Friedrich Rungenhagen, Gaspare Spontini, Julius Stern und Wilhelm Taubert – außerdem Sängerinnen und Sänger wie Pauline Decker, Heinrich Salomon, Henriette Sontag und August Zschiesche. 


Viele dieser Namen sind in den Biografien des Musikerpaars bislang kaum oder gar nicht genannt worden. Daneben tauchen bislang völlig unbekannte Personen auf, über die kein noch so spezielles Nachschlagewerk Auskunft zu geben vermag. Einer dieser vollkommen Vergessenen ist der Schriftsteller Ludwig Eichler, der Robert Schumann 1839 seine humoristische Novelle Abenteuer eines Contrabassisten sandte, die dieser freundlicherweise an das Pesther Tageblatt weiter vermittelte. Später gehörte Eichler in Berlin zu den zentralen Gestalten der 1848er Revolution und musste bald darauf – steckbrieflich gesucht – ins Ausland fliehen. 


Vollständig übersehen wurde bisher der Berliner Kaufmann Joseph Fürst, obwohl er ein enger Freund von Felix Mendelssohn Bartholdy war und am Libretto von dessen Oratorium Paulus beteiligt. 1848 ließ sich Fürst von der Berliner Märzrevolution zu dem Gedicht Deutscher Freiheitssang inspirieren, das er Schumann sandte, der es tatsächlich vertonte. Da Fürst seine Briefe an Mendelssohn und Schumann nur mit »J. Fürst« zeichnete, ging die Forschung bislang davon aus, es handele sich um den bekannten Leipziger Orientalisten Julius Fürst. Alle Briefe von »J. Fürst« wurden allerdings in Berlin geschrieben, und – wie ein Schriftvergleich ergab – ist die Handschrift dieser Briefe nicht identisch mit derjenigen von Julius Fürst. Auch wenn in zahlreichen Büchern inklusive der neuen Mendelssohn-Briefausgabe zu lesen ist, der Orientalist hätte zum Freundeskreis von Mendelssohn und Schumann gehört, so ist dies offenkundig nicht der Fall und bedarf einer Korrektur.


Insgesamt demonstriert allein der unerwartet große Umfang der Korrespondenz mit Berliner Persönlichkeiten, dass Berlin schon im 19. Jahrhundert eine bedeutende Musikmetropole war. Auch für die Musikgeschichtsschreibung der Stadt dürften die Bände 17 und 18, die kürzlich innerhalb der Serie II der Schumann-Briefedition erschienen, von nicht geringem Wert sein.


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Heft 16 (2016)
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ISSN:
1867-7061

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