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Karriere von Frauen und Männern in der Wissenschaft – die derzeitige Situation des Mittelbaus an Universitäten und Forschungseinrichtungen aus Sicht der Medizin­wissenschaften

Im Rahmen einer Podiumsdiskussion an der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig1 hatte ich als Mitglied des Jungen Forums der Akademie von meinen eigenen Erfahrungen berichtet, die ich im Laufe meiner wissenschaftlichen Karriere gemacht habe. Wobei es in meinem Fall den glücklichen Umstand gab, dass mein Karriereweg durch viel Unterstützung aus dem familiären und auch beruflichen Umfeld gekennzeichnet war.

Nach dieser Podiumsdiskussion wurde deutlich, dass sich viele Lebensmodelle mit einer wissenschaftlichen Karriere nicht vereinbaren lassen und zudem die Perspektiven nicht nur für Frauen, sondern für den wissenschaftlichen Nachwuchs generell nach Beendigung der Promotion teilweise katastrophal sind. Ein Artikel in der Zeitschrift Forschung & Lehre bringt es auf den Punkt: Das Spannungsverhältnis zwischen extremen Arbeitsanforderungen (hohe Arbeitsmenge, lange Arbeitszeiten) und geringen oder höchst unsicheren Belohnungen (geringer Lohn, befristete Verträge, Karriereunsicherheit) ist für Postdoktoranden besonders eklatant ausgeprägt, was in aller Regel zu Arbeitsstress führt, der wiederum einen Abbruch der wissenschaftlichen Karriere begünstigt.2 An diesem Punkt steht die Politik in der Pflicht, eine Alternative zur derzeitigen 12-Jahresregelung nach dem Wissenschaftszeitvertragsgesetz zu schaffen. Eine Erhöhung der Arbeitsplatzsicherheit an den Universitäten könnte beispielsweise durch Tenure-Track-Positionen und Verträge mit einer langen Laufzeit oder unbefristeten Positionen unterhalb der Professorenebene geschaffen werden.

Auch würde es sich anbieten, an den Universitäten Leistungsmodelle zu entwickeln und im Zuge dieser Modelle eine gezielte Leistungsabforderung innerhalb eines vorgegebenen Zeitraumes vorzunehmen, deren erfolgreiches Bestehen mit einer Entfristung des Arbeitsvertrages entlohnt wird. Eine solche Leistungsbeurteilung kann beispielsweise eine Evaluierung von Leistungen in Forschung und Lehre beinhalten. Dabei sollte die Forschungsleistung nicht alleiniges Leistungskriterium sein, sondern auch der Ausübung der Lehre ein vergleichbarer Stellenwert eingeräumt werden. Dies ist insbesondere in lehr­intensiven Studiengängen wie der Medizin notwendig, wo besonders im vorklinischen Abschnitt des Medizinstudiums die Grundlagen gelegt werden für die weitere medizinische Qualifizierung und Laufbahn von Studierenden der Human- und Zahnmedizin.

Eine derartige Perspektivlosigkeit in der Postdoc-Phase bzw. für den Mittelbau, wie sie momentan vorherrscht, hemmt die eigene Kreativität und Entfaltung, da im Hinterkopf immer die Uhr eines ablaufenden Arbeitsverhältnisses tickt, verbunden mit der Frage: Was kommt danach!? Die eigene Psyche und Leistungsbereitschaft leidet, wenn man sich fragen muss, welchen Sinn die ganzen Qualifikationen und Weiterbildungen in der Postdoc-Phase einschließlich einer Habilitation haben, wenn man sich am Ende dann doch sehr wahrscheinlich beruflich völlig um- bzw. neuorientieren muss.

Ein(e) wissenschaftlich(e)r Mitarbeiter(in) im Fach Anatomie muss beispielsweise einen langen und harten Lernprozess durchlaufen haben, um ein gefestigtes Wissen über die Anatomie des gesamten menschlichen Körpers zu besitzen. Dazu gehört es u. a. auch, den Präparierkurs, einen wesentlichen Baustein in der vorklinischen Lehre, mehrfach absolviert und dabei tiefgreifende präparatorische Kenntnisse und Fertigkeiten erworben zu haben. Die Erfahrungen, die hier gemacht werden, sind elementar wichtig, um Studierende beim Präparieren des menschlichen Körpers fachgerecht anzuleiten. Diese jahrelangen Erfahrungen gehen aber verloren, wenn ein Arbeitsvertrag nach 12 Jahren ausläuft und stattdessen eine Neueinstellung erfolgt, bei der sich das ganze Procedere für den »Neuling« wiederholt.

Wie ich aus eigener Erfahrung berichten kann, war die Entfristung des Arbeitsvertrages ein Befreiungsschlag – wie ein anderer Leidensgenosse nach Entfristung seines Arbeitsvertrages treffend formulierte: »Ich konnte endlich meine Bleischuhe abstreifen«.

Die Studierenden möchten berechtigterweise von erfahrenen Dozentinnen und Dozenten unterrichtet werden, die Wissen fachkompetent und didaktisch geschult vermitteln. Auch die eigenen Zielvorstellungen von Dozenten lassen sich nur jenseits der Befristung verwirklichen: Studierende der Human- und Zahnmedizin auf höchstem Niveau auszubilden und damit die Grundlage zu schaffen, dass zukünftige Ärztinnen und Ärzte, hochqualifiziert und empathisch, als wesentliche Grundlage ihrer Tätigkeit ein solides Wissen der menschlichen Anatomie mitbringen.

Die Universitäten sollten endlich die Möglichkeit erhalten, auch unabhängig vom Fach, Arbeitsverträge von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die auf einer befristeten Mittelbaustelle/Drittmittelstelle angestellt sind und die über einen langen Zeitraum gut ausgebildet und didaktisch geschult wurden, zu entfristen. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die sich über viele Jahre in Lehre und Forschung bewährt haben, die durch die Studierenden ihres Fachs positiv evaluiert wurden, die regelmäßig ihre Forschungsergebnisse in angesehenen Fachjournalen publizieren, die Drittmittelverträge einwerben und auch sonst ihre Arbeit mit viel Freude, Leidenschaft und Enthusiasmus durchführen, sind ein Gewinn für die Universitäten und ein Garant für die Ausbildung des Nachwuchses. Oder wie die Sächsische Staatsministerin Eva-Maria Stange so treffend formulierte: »Ein gut qualifizierter Mittelbau kann ein Rückgrat für eine hohe Lehrqualität sein«.

Dem sei noch hinzuzufügen, eine Entfristung bedeutet keineswegs, sich auf seinen Lorbeeren auszuruhen: Nach meiner Entfristung habe ich erfolgreich ein durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördertes Forschungsprojekt (knapp 250.000 EUR inklusive einer Postdoc-Stelle) und knapp ein Jahr später ein weiteres Projekt an der Medizinischen Fakultät der Martin-Luther-Univer­sität Halle-Wittenberg im Fördermodul ›Translationale / Interdisziplinäre Forschung‹ (mit Sachgeldern und Doktorandenstelle) bewilligt bekommen.

  1. 1Akademie-Forum: »Frauen in der Wissenschaft«, 7.11.2016.
  2. 2Isabelle Dorenkamp und Eva-Ellen Weiß, »Warum wollen sie gehen? Ursachen für Karriereabbrüche von Postdoktoranden«, in Forschung & Lehre 12 (2017), S. 1076–1077.
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Heft 20 (2018)
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1867-7061

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