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Johann Wolfgang Goethe. Briefe. Historisch-kritische Ausgabe


In Verbindung mit der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig und der Mainzer Akademie der Wissenschaften und der Literatur im Auftrag der Klassik Stiftung Weimar / Goethe- und Schiller-Archiv herausgegeben von Georg Kurscheidt, Norbert Oellers und Elke Richter


Band 9 I. 1791–1793. Texte. Herausgegeben von Volker Giel und Norbert Oellers unter Mitarbeit von Yvonne Pietsch, de Gruyter, Berlin/Boston 2020, XXIV + 317 Seiten, 25 Abbildungen, Festeinband


Band 9 II. 1791–1793. Kommentar. Herausgegeben von Volker Giel und Norbert Oellers unter Mitarbeit von Gerhard Müller und Yvonne Pietsch, de Gruyter, Berlin/Boston 2020, LXII + 729 Seiten, 11 Abbildungen, Festeinband


Im Mai dieses Jahres erschien im Verlag de Gruyter Band 9 der historisch-kritischen Gesamtausgabe »Goethes Briefe«, die am Goethe- und Schiller-Archiv in Weimar erarbeitet wird. Die Ausgabe zählt seit ihrer Initiierung vor rund zwei Jahrzehnten zu den philologischen Kernaufgaben des zur Klassik Stiftung Weimar gehörenden Archivs, das den Hauptfundus der Briefe Goethes (etwa 20.000 Brief- und Konzepthandschriften) beherbergt. Und die Edition, die bisher von der wissenschaftlichen Öffentlichkeit insgesamt als maßstabsetzend in der Aufbereitung von literarhistorischem Quellenmaterial angesehen wurde, kommt gut voran: Nach ihrem Erscheinungsbeginn im Jahr 2008 sind nunmehr bereits neun Doppelbände (Text und Kommentar; Bd 1–4 und Bd 6–10) verfügbar und in den folgenden Jahren werden kontinuierlich die nächsten folgen. Dabei konnten durch die 2015 erfolgte Integration in das gemeinsam von den Wissenschaftsakademien in Leipzig und Mainz sowie der Klassik Stiftung Weimar getragene Langzeitunternehmen »PROPYLÄEN. Forschungsplattform zu Goethes Biographica«, das eine direkte Zusammenarbeit und vor allem die digitale Vernetzung der editorischen Goethe-Projekte Briefe von und an Goethe, Tagebücher und der Dokumentenreihe »Begegnungen und Gespräche« ermöglicht, wissenschaftliche Potentiale gestärkt sowie Fortschritt und Niveau der Ergebnisse weiter angehoben werden. 


Im Band 9, der die Briefzeugnisse Goethes aus den Jahren 1791 bis 1793 enthält, ist nunmehr bis auf die Briefe der Jahre 1781 bis 1784, die in dem noch fehlenden Band 5 dokumentiert werden, das gesamte überlieferte Briefkorpus Goethes bis in die Mitte der 1790er Jahre, von seinem Beginn 1764 bis Ende 1795, neu ediert. Mit Band 9 sind 236 Briefe, an 58 unterschiedliche Adressaten gerichtet, hinzugekommen. Ferner konnten für 243 Briefe des Zeitraums, die nicht mehr überliefert sind, belegbare Nachweise geführt werden (Erschlossene Briefe). Die Handschriften der überlieferten Ausfertigungen der Briefe dieses Bandes werden in 25 Standorten weltweit verwahrt. Ihre Präsentation erfolgte entsprechend der historisch-kritischen Prinzipien der Ausgabe dokumentengetreu, also ohne jedwede Eingriffe in den Text. Streichungen und Korrekturen werden als Autorvarianten direkt unter dem Brieftext mitgeteilt. Auf Schreibversehen wird im Kommentar hingewiesen.


In Bezug auf die Textgrundlage, die Datierung wie die Adressierung der Briefe konnten im Band zum Teil erhebliche Verbesserungen erreicht werden. Zwei Briefe wurden hier zum ersten Mal gedruckt (Nr 86: An Friederike Juliane Griesbach vom 12. Mai 1792 und Nr 149: An Unbekannt von Mitte März 1793), ein weiterer fehlte noch in der Weimarer Ausgabe (Nr 205: An Gottlob Ephraim Heermann vermutlich vom 22. September 1793). Knapp ein Drittel der Briefe, nämlich 74, musste erstmals oder neu datiert werden. Bei zwei Drittel dieser Fälle (49) führten die neu gewonnenen Erkenntnisse zum Teil zu durchaus erheblichen Korrekturen und Präzisierungen der Angaben in der Weimarer Ausgabe oder in anderen Drucken. In zwei Fällen konnten die Namen der bisher unbekannten Adressaten mit großer Wahrscheinlichkeit ermittelt (Nr 61: Georg Heinrich Deyn und Nr 205: Gottlob Ephraim Heermann) und bei einem Brief die bisher vermutete Adressierung korrigiert werden (Nr 31: Johann Friedrich Gottlieb Unger). Bei einem weiteren Brief (Nr 39) ließen sich die bisher angenommenen Adressaten (Christian Ernst Carl Graf von Bentzel-Sternau oder Jakob Dominikus) nicht bestätigen. Im Vergleich zur Weimarer Ausgabe konnte für 32 Briefe zusätzlich die vollständige Originalhandschrift selbst statt eines Drucks, einer Abschrift, eines Faksimiles oder eines Konzepts zugrunde gelegt werden. Für einen weiteren Brief (Nr 29: An Johann Heinrich Voigt von Ende Mai oder 1. Juni 1791) bietet der Band im Unterschied zur Weimarer Ausgabe den überlieferten Text vollständig. 


Als Lebens- und Wirkungsdokumente zeigen die Briefe dieses Zeitraums Goethe fest eingebunden in die Belange der Weimarer Residenz, des Hofes wie der Administration. Privat hat Goethe mit Christiane Vulpius und dem gemeinsamen Sohn August jetzt eine eigene Familie. In der wachsenden Fülle der Dienstgeschäfte rücken vor allem der Wiederaufbau des Weimarer Schlosses, die Neuorganisation des Hoftheaters, die Weiterführung des Ilmenauer Bergbauunternehmens sowie die administrativen Belange der Jenaer Landesuniversität in den Vordergrund. Auf wissenschaftlichem Gebiet verlagert sich Goethes Interesse immer mehr auf die Erschließung eines völlig neuen Themenfeldes, das der Optik und Farbenlehre, das ihn nicht zuletzt durch sein stets komplexer werdendes wissenschaftliches Experimentieren in den Bann zieht. 1792 erscheint der erste Band der neuen Werkausgabe »Goethe’s neue Schriften« im Verlag von Johann Friedrich Unger in Berlin. Daneben gibt es aber außer dem relativ kontinuierlich fortgesetzten Schaffen auf lyrischem Gebiet nur noch wenig Raum für literarische Arbeiten. Außer den beiden Lustspielen »Der Groß-Cophta« und »Der Bürgergeneral« sowie dem Versepos »Reinecke Fuchs« bleibt anderes weiter nur Fragment wie der Roman »Wilhelm Meisters theatralische Sendung« oder Entwurf wie die Komödie »Die Aufgeregten« bzw. »Die Zauberflöte. Zweiter Teil«. Auch das Vorhaben eines Librettos für eine von Johann Friedrich Reichardt zu vertonende große deutsche Oper wird nie 
umgesetzt.


Die Jahre 1792 und 1793 sind wesentlich geprägt durch eine jeweils mehrmonatige Abwesenheit Goethes von Weimar. Herzog Carl August, als preußischer General Teilnehmer an den militärischen Auseinandersetzungen zwischen der alliierten deutschen Reichsarmee und den Truppen des revolutionären Frankreich, beordert ihn als Vertrauten und Begleiter während des Feldzuges gegen Paris 1792 sowie bei der Belagerung von Mainz 1793 für mehrere Wochen an seine Seite. Goethe schließt daran mehrtägige Besuche in Frankfurt a. M. bei seiner Mutter und 1792 auch bei Friedrich Heinrich Jacobi in Düsseldorf an. Diese Reisen prägen seine Korrespondenzen 
wesentlich. 


Im privaten Bereich wird Christiane Vulpius zur wichtigsten Briefpartnerin. Dieser Briefwechsel nimmt hier seinen Anfang. Dienstliche Belange bespricht Goethe im Postverkehr mit Amtskollegen Christian Gottlob Voigt. Johann Heinrich Meyer bleibt erster Austauschpartner im künstlerischen ­Bereich. Die befreundeten Herders, Carl Ludwig von Knebel und Friedrich Justin Bertuch werden darüber hinaus als Weimarer Korrespondenzpartner ebenso wenig vernachlässigt wie Friedrich Heinrich Jacobi in Düsseldorf. 


Wie in bisherigen Bänden gehören Register zu Personen und Werken, biographische Einleitungen zu den Korrespondenzpartnern, präzise Überlieferungsdarstellungen, integrierte Quellendokumente im Kommentar sowie die zahlreichen Abbildungen zum Grundstandard der Anlage.


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Heft 22 (2020)
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der Wissenschaften

ISSN:
1867-7061

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