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Anmerkungen zur Stellungnahme des Wissenschaftsrates zum Akademienprogramm

Es sei einleitend ausdrücklich betont: Ich bin ein bekennender Freund des Wissenschaftsrates. Er ist ein einzigartiger Ort des Dialogs zwischen Wissenschaft und Politik. Von ihm gehen immer wieder wichtige Impulse für die Rahmenbedingungen und für die innere Vitalität der Wissenschaft in Deutschland aus. Und seine Rolle bei der Erneuerung der Wissenschaftslandschaft im Osten Deutschlands war ganz überwiegend positiv und hilfreich. Darum betrachte ich es nach wie vor als bedauerlich, dass ihm die unselige Föderalismusreform durch den Wegfall der Hochschulbauförderung als Gemeinschaftsaufgabe von Bund und Ländern eine meist sinnvoll genutzte Möglichkeit zum Einfluss auf die Gestaltung des wissenschaftlichen Lebens in Deutschland genommen hat.

Eine herausragende Stellung kann allerdings auch dazu verführen, aus einem Dialogpartner in der Wissenschaft zu einer Instanz zu werden, die vorgeben will, wo es lang geht, und die darum über ihre eigenen, weil in der Tat vielfach bewährten Kriterien nicht mehr wirklich nachzudenken bereit ist. So hat der Wissenschaftsrat z. B. leider auch einen kräftigen Anteil an der in Deutschland fast unumstritten dominierenden Vorstellung, Internationalisierung und Globalisierung seien identisch mit Anglisierung und vor allem mit Amerikanisierung. Und im Gegensatz zur krisengebeutelten Wirtschaft gibt es bei ihm wie in der deutschen Wissenschaft und Wissenschaftspolitik generell nicht einmal schwache Ansätze zur Selbstkritik.

Mit anderen erfolgreichen Instanzen teilt der Wissenschaftsrat die Neigung, das, was eigenständig ist und ihm eigenartig erscheint, nach standardisierten Normen ausrichten zu wollen. Dafür liefern seine Empfehlungen zum Akademienprogramm ein eindrückliches Beispiel. Beim Lesen drängt sich mir jedenfalls der Gedanke auf, hier stünde im Hintergrund die Vorstellung, eigentlich seien Akademien überholte Einrichtungen aus vorigen Jahrhunderten, die, wenn sie denn überhaupt noch einen Nutzen haben sollen, mit einer Zuchtrute auf Trab gebracht werden müssen. Dass die Akademien an einer solchen Einstellung nicht ganz unschuldig sind, muss man freilich fairerweise hinzufügen.

Woran kann man nun einen solchen Verdacht fest machen? Vor allem an der Vorgabe, die wissenschaftlichen Projekte der Akademien auf die Geisteswissenschaften zu begrenzen. Und dies, obwohl die dahinterstehende Absicht im klaren Widerspruch steht zum Selbstverständnis der Akademien und zur Zusammensetzung ihrer Mitgliedschaft. Irgendwie beschleicht mich das Gefühl, die Autoren dieser Empfehlung meinten, den Geisteswissenschaften sei ohnehin – rheinisch gesagt – nicht einmal mit gesegnetem Wachs zu helfen und darum sei es eh’ egal, was sie dort so trieben. Das Argument gegen die naturwissenschaftlichen Projekte, ihr Anteil sei ohnehin »nicht einmal marginal «, ist rein quantitativer Natur und sagt nichts über deren wissenschaftlichen Wert aus. Natürlich können Langfrist- oder gar Dauerprojekte in den heutigen Naturwissenschaften nur eine marginale Rolle spielen. Sind sie darum überflüssig? Oder ist nicht gerade wegen ihrer Spezifik ihr Platz in den Akademien?

Inzwischen hält der Wissenschaftsrat auch die Sozial-, Rechts- und Wirtschaftswissenschaften nur noch dann für Akademieprojekte geeignet, wenn sich ein interdisziplinärer Bezug zu den Geisteswissenschaften ergibt. Inhaltlich ist Interdisziplinarität ein eher fragwürdiges Kriterium, das überdies durch Übernutzung entwertet ist. Real finde ich als Begründung eigentlich nur die Behauptung, die »Langfristforschung in den Sozial, Rechts- und Wirtschaftswissenschaften « sei »in den von Bund und Ländern gemeinsam institutionell geförderten außeruniversitären Wissenschaftsorganisationen verankert«. Mich erinnert diese lapidare Aussage fatal an Kartellversuche in der Wirtschaft. Der Wissenschaftsrat scheint gar nicht zu bemerken, dass eine solche Monopolidee zu seinen nachdrücklichen Empfehlungen, das Zusammenwirken zwischen Akademien, Universitäten und außeruniversitärer Forschung müsse intensiviert werden, in einem unübersehbarem Widerspruch steht. Man hätte sich ja auch mal die Mühe machen können, an konkreten Projekten nachzuweisen, dass solche Strukturempfehlungen inhaltlich sinnvoll sind. Eine solche Analyse sucht man aber vergeblich. Das trifft noch mehr auf die überraschende Empfehlung zu, die Akademien sollten ihre Zusammenarbeit mit den deutschen Geisteswissenschaftlichen Instituten im Ausland »erkennbar intensivieren «. Es wäre hilfreich gewesen, vom Wissenschaftsrat zu erfahren, wie er sich das eigentlich vorstellt! Ich halte eine solche Empfehlung für wenig sachgemäß.

Überhaupt zeigen die Empfehlungen zum Akademieprogramm die Tendenz, den Akademien Handlungsschritte vorzugeben, die deren Selbstverständnis zuwiderlaufen, und ihnen anschließend Vorwürfe zu machen, dass ihnen die erwünschten Änderungen nicht gelungen seien. Ganz grundsätzlich hat der Wissenschaftsrat offenbar größte Schwierigkeiten, den Sinn von Langfristund Dauerprojekten in der heutigen Wissenschaft überhaupt zu verstehen, wie nicht zuletzt seine wiederholte Kritik am Streben nach »Vollständigkeit« deutlich offenbart. Unbestreitbar liegen hier in einer Zeit stürmisch voranschreitender und sich fast täglich ändernder Erkenntnisse auch echte Probleme – bis hin zum Qualitätsanspruch. Dennoch sollte es zum wissenschaftlichen Selbstverständnis gehören, auch gegenüber dem heute in der Wissenschaft vorherrschenden Zeitgeist kritisch zu bleiben. Davon sehe ich in den Empfehlungen so gut wie nichts. Stattdessen hat man das Akademienprogramm der Kontrolle einer Wissenschaftlichen Kommission unterstellt, die zur Hälfte von der DFG besetzt wird, und fordert jetzt dringend, die Geschäftsstelle der Union der Akademien zur zentralen Antragsstelle für Projekte zu machen, was dem Selbstverständnis der Akademien klar entgegengesetzt ist. Irgendwie erinnert mich diese Vorgehensweise ein wenig an den Umgang der DDR mit der Sächsischen Akademie der Wissenschaften. Es gab sie nun mal, und sie abzuschaffen wäre international peinlich gewesen. Also reduzierte man sie zu einer Filiale innerhalb des großen Wissenschaftskombinats, dem man den Namen Akademie der Wissenschaften der DDR gegeben hatte.

Wer wenig oder keinen Sinn in Dauer- und Langfristprojekten sieht, der kann natürlich nicht verstehen, dass Menschen gerade in dieser Arbeit ihre wissenschaftliche Erfüllung suchen und finden. Also misst der Wissenschaftsrat diesen Zustand an seinem – übrigens ja auch sonst keineswegs unumstrittenen – Ideal, dass eigentlich nur Professoren eine Dauerstellung haben sollten. Die zeitliche Begrenzung wissenschaftlicher Arbeitsverhältnisse ist eine zugegebenermaßen komplexe und nach meiner Auffassung auch nicht generell über alle wissenschaftlichen Disziplinen und Institutionen in gleicher Weise zu regelnde Angelegenheit. Ausdrücklich unterstütze ich jedenfalls die Empfehlung des Wissenschaftsrates, die Mitarbeiter der Akademieprojekte stärker in das wissenschaftliche Leben einzubeziehen und ihnen dadurch die Chance zu geben, nicht ein für allemal auf die Arbeit an einem bestimmten Akademieprojekt festgelegt zu sein. Die Absicht des Wissenschaftsrates scheint mir jedoch viel weiter zu gehen. Er will mehr Flexibilität und zeitliche Begrenzung, so wie bei den von der DFG geförderten Projekten, weil er dies für ein Wesensmerkmal von Forschung und für eine Voraussetzung ihrer Effektivität hält. Damit wird er aber den Anforderungen typischer Akademieprojekte nicht gerecht. Denn deren Qualität hängt typischerweise von einer hohen Spezialisierung der dort tätigen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ab. Wer das Akademieprogramm faktisch zu einem Förderprogramm der DFG macht, der, so muss man befürchten, schafft es ab. Das hielte ich für einen großen Verlust.

Trotz aller Kritik enthalten die Empfehlungen des Wissenschaftsrates auch uneingeschränkt zu begrüßende Punkte, so, wenn er die von den Ländern zu erfüllenden Finanzierungsnotwendigkeiten klar benennt oder wenn er vor der Verlagerung der sogenannten kleinen Fächer in die Akademien eindringlich warnt. Mehr Verständnis für die Arbeit der Akademien und für den Wert ihrer Projekte im wissenschaftlichen Leben muss man ihm gleichwohl dringend wünschen.

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Heft 3 (2009)
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1867-7061

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