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Christian Fürchtegott Gellert

Schriftsteller und Universitätslehrer in Sachsens goldenem Zeitalter

Der Autor Christian Fürchtegott Gellert war der einflussreichste Schriftsteller der mittleren Aufklärung in Deutschland. Mit seinen Fabeln hat er entscheidend zur Stärkung des bürgerlichen Bewusstseins und zur Ausbildung einer modernen deutschen Literatursprache beigetragen. Von seinem Roman Leben der Schwedischen Gräfinn von G*** sind wichtige Impulse für die Entwicklung dieser Gattung im achtzehnten und neunzehnten Jahrhundert ausgegangen.1 Gellerts bedeutendste literarische Leistung ist jedoch der Versuch, durch radikale Säkularisierung die Literatur zum Ort des öffentlichen Diskurses über die vernünftige Ordnung der Gesellschaft zu machen. Deshalb ist er von seinen Zeitgenossen als »Lehrer der ganzen Nation« gepriesen worden. Dennoch wurden seine Werke schon bald nach seinem Tode im Jahre 1769 als Musterbeispiele einer seichten, minderwertigen Literatur verachtet, er selbst zur dichterischen Unperson erklärt. Heute ist Gellert im kulturellen Gedächtnis der Deutschen so gut wie nicht mehr präsent.

Diese Ablehnung und das aus ihr resultierende Vergessen haben einen doppelten Grund. Zunächst einen ästhetischen: Im Jahr 1770, also unmittelbar nach Gellerts Tod, setzt die Genieästhetik die bis dahin geltenden Regeln der Dichtkunst außer Kraft. Ihr wird Gellert zum exemplarischen Vertreter einer überholten, veralteten Auffassung von Dichtkunst und einer empfindsamen Moral, für die sie kein Verständnis mehr hat. 1771/72 erscheint anonym die zweibändige Schrift Ueber den Werth einiger Deutschen Dichter und über andere Gegenstände den Geschmack und die schöne Litteratur betreffend, verfasst von Jakob Mauvillon und Ludwig August Unzer, die sich so gut wie ausschließlich mit Gellert befasst. Die Autoren verkünden als ihr Glaubensbekenntnis die ästhetischen Grundsätze des Sturm und Drang: »Ich schätze den Dichter bloß nach dem Genie, und das Genie besteht hauptsächlich in der Kraft zu schaffen.« Aus dieser Perspektive wird Gellert als »mittelmäßiger Schriftsteller« abgeurteilt. Sein Werk erscheint den Autoren als »matt, schaal, wäßrig«.2

Dasselbe Urteil wiederholt Goethe, der in den Jahren 1765/66 bei Gellert in Leipzig studiert hatte, im Siebten Buch von »Dichtung und Wahrheit«, das den Ausgangspunkt der neuzeitlichen Literaturgeschichtsschreibung deutscher Sprache darstellt. Damit kommen wir zum zweiten Grund der Verdrängung Gellerts aus der deutschen Kulturgeschichte. Er ist politischer Natur. Goethe präsentiert in seiner Autobiographie eine höchst eigenwillige historische Konstruktion, deren Ausgangsthese aufs Engste dem Zeitgeist des Jahres 1812 und damit dem eben im Kampf gegen Napoleon entstehenden deutschen Nationalgefühl verpflichtet ist. Aus dieser Warte beurteilt er die Werke Wielands und Klopstocks, aber auch die seines Lehrers Gellert als unzureichend: »Betrachtet man genau, was der deutschen Poesie fehlte, so war es ein Gehalt, und zwar ein nationeller«. In dieser Situation sei es – so Goethes Urteil – darum gegangen, »aus der wässrigen, weitschweifigen, nullen Epoche sich herauszuretten«.3

Umso überraschender nimmt sich das aus, was Goethe als den Ursprung der deutschen »Nationaldichtung« identifiziert: »Der erste wahre und höhere eigentliche Lebensgehalt kam durch Friedrich den Großen und die Taten des Siebenjährigen Krieges in die deutsche Poesie.«4 Aus heutiger Perspektive ebenso unerwartet sind die Namen der Autoren, die er zum Beleg seiner These anführt. An erster Stelle nennt er die »Kriegslieder« des Anakreontikers Johann Wilhelm Ludwig Gleim. Nach ihm »behaupten [sie] deswegen einen so hohen Rang unter den deutschen Gedichten, weil sie mit und in der Tat entsprungen sind«.5 Damit führt er die Fiktion weiter, die Gleim selbst in die Welt gesetzt hatte, als er seine Oden auf die Schlachten des Siebenjährigen Krieges in Einzelblattdrucken veröffentlichte. Gotthold Ephraim Lessing übernahm sie, als er die Gedichte 1758 gesammelt und mit einem von ihm verfassten Vorwort versehen unter dem Titel Preussische Kriegslieder in den Feldzügen 1756 und 1757 von einem Grenadier bei dem Berliner Verleger Christian Friedrich Voß herausgab. In insgesamt zwölf Liedern hat Gleim die Siege Friedrichs II. verherrlicht, wobei er selbst die fiktive Identität eines am Krieg beteiligten einfachen Soldaten annahm. Die erste Ode mit dem Titel »Bey Eröffnung des Feldzuges. 1756« setzt mit der martialischen Strophe ein:


»Krieg ist mein Lied! Weil alle Welt
Krieg will, so sey es Krieg!
Berlin sey Sparta! Preussens Held
Gekrönt mit Ruhm und Sieg!«6


Verständlich wird die Literaturgeschichte des Siebten Buches erst, wenn man berücksichtigt, dass Goethe – wie überall in Dichtung und Wahrheit – die Geschichte als einen auf seine eigene Person und sein Werk zulaufenden, in ihm gipfelnden Prozess begreift. Deshalb stellt er einer unbedeutenden mittleren Aufklärung, zu der nach ihm Klopstock, Wieland und vor allem Gellert zählen, den Beginn einer gehaltvollen »Nationalliteratur« gegenüber, die schließlich abgelöst wird von der eigenen, auf der inneren Erfahrung gegründeten Bekenntnisliteratur. In diesem Zusammenhang fällt dann das immer wieder zitierte Wort, alle seine Werke seien nur »Bruchstücke einer großen Konfession«.7

Die preußisch-deutsche Literaturgeschichte des neunzehnten Jahrhunderts hat aus diesem höchst diffizilen Geflecht, in dem die Geschichte vom aktuellen Interessenstandpunkt Goethes im Jahre 1812 aus gedeutet wird, vergröbernd eine »fritzische« Legende gemacht. Exemplarisch so in Erich Schmidts Lessing-Biographie. In Wien, der Stadt des damaligen Kriegsgegners der Preußen, geschrieben, 1884 in Berlin publiziert, lässt sie in dem Kapitel »Leipziger Verkehr« Gellert als »siechen Moralphilosophen« erscheinen, der »sein mattes Auge auf irgend einem christlichen Tröster ruhen ließ«.8 Dessen »Wasserflut, von der uns Goethe erzählt«,9 stellt er Lessings Enthusiasmus für Friedrich II. und Preußen gegenüber, wobei er aus Lessings Einleitung zu Gleims Grenadierliedern zitiert. Gellert hat, wie noch zu zeigen sein wird, dem Kriegsherrn Friedrich II. mannhaft widersprochen. Für die kleindeutsch-preußische Literaturgeschichte wurde er so zur Unperson.

Der Universitätslehrer in Leipzig

Wer war nun dieser weitgehend in Vergessenheit geratene Gellert? Als neuntes von dreizehn Kindern des Pastors Christian Gellert und seiner Frau Johanna Salome Schütz am 4. Juli 1715 in Hainichen geboren, begann er mit 14 Jahren seine höhere Schulbildung an der Fürstenschule St. Afra in Meißen, unterstützt durch ein Stipendium. Danach absolvierte er ein Studium der Philosophie, Geschichte, Literatur und Theologie an der Universität Leipzig, das er aus finanziellen Gründen abbrechen musste. Zwei Jahre arbeitete er als Hauslehrer der beiden Söhne von Magnus Heinrich von Lüttichau in Dresden und kehrte im Herbst 1740 in Begleitung eines anderen Zöglings an die Leipziger Universität zurück.

Hier wurde er Mitglied der Gruppe junger Autoren, die sich um die literarische Monatsschrift Belustigungen des Verstandes und des Witzes gesammelt hatten. In der Diskussion und im Wettstreit mit ihnen – zu nennen sind vor allem Gottlieb Wilhelm Rabener, Johann Andreas Cramer und Johann Adolf Schlegel – entstanden seine ersten literarischen Werke, zunächst Lieder und Fabeln, dann auch ab 1745 seine ersten Theaterstücke, Die Betschwester und Das Loos in der Lotterie. Zugleich arbeitete er für seinen Lehrer Johann Christoph Gottsched an der Übersetzung des Vierten Bandes von Pierre Bayles Dictionnaire historique et critique mit. Daneben übernahm er die Aufsicht über die Studien des jungen Reichsgrafen Friedrich Gottlieb von Holzendorf, dessen Vater eine einflussreiche Stelle am Dresdener Hof bekleidete. Hier zeichnet sich ein im Leben Gellerts immer wiederkehrendes Motiv ab. Als Erzieher ist er aufs Engste mit dem sächsischen Hochadel verbunden. Als sich im Juni 1750 Hans Moritz von Brühl, der Neffe des sächsischen Premierministers, Heinrich Reichsgraf von Brühl, in Leipzig immatrikulierte, wurde Gellert sein Erzieher. Er nennt ihn seinen »geliebtesten Schüler« und verfasst ein Huldigungsgedicht zu seinem vierzehnten Geburtstag. (GS II. 89 f.)10

Neben diesen Tätigkeiten, die dem Gelderwerb dienten, verfolgte er auch seine eigene akademische Karriere. Am 30. Dezember 1744 habilitierte er sich mit der öffentlichen Verteidigung seiner Dissertation De poesi apologorum eorumque scriptoribusÜber die Fabeldichtung und ihre Autoren. (GS V. 1 ff.) Seitdem hielt er als Privatdozent Vorlesungen über Poesie, Beredsamkeit und Moral. Im April 1751 wurde er zum Außerordentlichen Professor der Philosophie mit einem Gehalt von 100 Talern ernannt. Nach seiner Berechnung brauchte er damals allerdings 680 Taler jährlich für seinen Lebensunterhalt, die er durch Gelegenheitsgedichte und Privatunterricht verdiente. Seine Antrittsvorlesung als Professor hat den Titel De vi atque utilitate optimarum artium ad morum elegantiam vitaeque communis suauitatem. Oratio Inauguralis – auf deutsch: Von dem Einflusse der schönen Wissenschaften auf das Herz und die Sitten. Eine Rede, bey dem Antritte der Profession. (GS V. 175 ff.) Zehn Jahre später sollte er auf Betreiben seines früheren Zöglings Moritz von Brühl zum Ordentlichen Professor ernannt werden. Er lehnte jedoch aus Gesundheitsgründen ab. Allerdings wurde seine jährliche Pension auf 487 Taler erhöht. Seitdem hielt er seine Moralischen Vorlesungen und seine Vorlesungen über die schönen Wissenschaften in jährlich wiederkehrendem Turnus. Wie noch Goethe bezeugt, waren seine Vorlesungen außerordentlich beliebt und viel besucht.

Der Fabeldichter

Gellerts literarische Buchpublikationen fallen alle in den Zeitraum zwischen 1746 und 1757, also in die kurze Friedensperiode nach Beendigung des Zweiten Schlesischen Kriegs und vor Beginn des Siebenjährigen Kriegs. In diesen zehn Jahren, die man als Höhepunkt und Abschluss des Augusteischen Zeitalters in Sachsen bezeichnen kann, hat Gellert parallel und zugleich im Gegensatz zu der unter August III. und seinem Premierminister Heinrich von Brühl in aller barocken Pracht sich entfaltenden Hofkultur Dresdens – Harald Marx hat sie erst kürzlich mit seiner großartigen Ausstellung »Wunschbilder« der Öffentlichkeit wieder vor Augen geführt11 – in Leipzig ein Zentrum bürgerlicher literarischer Kultur geschaffen, das auf den dortigen Verlagen und der Universität als den sie tragenden Institutionen aufbaute und mit seiner empfindsamen Aufklärung auf ganz Europa ausstrahlte. Mit ihr zielte er darauf, dem herrschenden Adel durch seine Tätigkeit als Lehrer und Erzieher die moralischen Werte des Bürgertums nahezubringen und ihn dadurch ›aufzuklären‹.

1746 publizierte Gellert den ersten, 1748 den zweiten Teil der Fabeln und Erzählungen, die sein berühmtestes Werk und eines der meistgelesenen Bücher des achtzehnten Jahrhunderts wurden. Thomas Abbt hat in seiner Abhandlung Vom Verdienste aus dem Jahre 1765, also noch zu Lebzeiten Gellerts, über sie gesagt: »Allein für ganz Deutschland ist es ohne Widerspruch Gellert, dessen Fabeln wirklich dem Geschmacke der ganzen Nation eine neue Hülfe gegeben haben.«12 In den Texten dieser Sammlung hat Gellert seinen eigenen Stil des »natürlichen« Erzählens zum ersten Mal voll ausgebildet. In seiner Programmschrift De poesi apologorum stellt er fest, dass es eher »die Vortrefflichkeit des Genies« als die Befolgung der poetologischen »Vorschriften« sei, die zur leichten, fließenden Schreibart führe. (GS V. 43)

Die Berufung auf eine neue Poetologie ist auch in den Texten der Fabeln selbst allenthalben gegenwärtig. Schon im Eröffnungsgedicht der Sammlung, Die Nachtigall und die Lerche, lässt Gellert den Vogel, den er zu seiner Identifikationsfigur gemacht hat, gegen den Vorwurf, er singe »das ganze Jahr nicht mehr, als wenig Wochen«, zu seiner Verteidigung vorbringen:


»Ich singe kurze Zeit. Warum? Um schön zu singen.
Ich folg im Singen der Natur;
So lange sie gebeut, so lange sing ich nur;
So bald sie nicht gebeut, so hör ich auf zu singen;
Denn die Natur lässt sich nicht zwingen.« (GS I. 58)


Damit setzt sich Gellert von der bis dahin herrschenden und auch von ihm noch bis in die vierziger Jahre hinein praktizierten Dichtungsauffassung ab, nach der das Schreiben von Gedichten eine handwerkliche Tätigkeit sei, die nach bestimmten Regeln zu einem gegebenen Anlass poetische Gebrauchstexte verfertigt. Stattdessen beschreibt er es im Sinne einer künftigen Poetik als eine von der Inspiration durch die Natur abhängige, vom Menschen nicht willkürlich aufzurufende Fähigkeit.

Während die erste Fabel der Sammlung so den Dichter neuen Typs dem gelehrten Gelegenheitsdichter gegenüberstellt, konfrontiert die zweite die Sängerin Nachtigall mit dem buntgefiederten Zeisig. Dabei geht es Gellert um eine Neudefinition der Stellung des Dichters in der Gesellschaft. Selbstbewusst stellt er die Sängerin mit dem unscheinbaren Äußeren über den, dem »Farb und Kleid ein Ansehn geben«. (GS I. 59) Mit diesem Vergleich wertet er die soziale Rolle des Dichters gegenüber der des Adels und des reichen Bürgertums auf, weil dessen Stellung auf dem eigenen schöpferischen Vermögen beruht, während ihre gesellschaftliche Geltung vornehmlich durch äußerliche Repräsentation bestimmt wird.

Das Motiv der Nachtigall, gekoppelt mit dem des Sängerwettstreits unter den Vögeln, ist mit betontem Rückbezug auf das Anfangsgedicht des ersten Bandes im ersten Gedicht des zweiten Bandes unter dem Titel Die beiden Schwalben wieder aufgenommen. Hier wird der Streit zweier Schwalben darüber, wer von beiden die schönste Stimme habe, durch den Verweis der Lerche auf »das Lied geistreicher Nachtigallen« entschieden. In der ausführlichen Moral rechnet der Autor anhand dieser Erzählung mit den »mittelmäßigen Skribenten« ab und stellt ihnen mit Mosheim, Leibniz und Hagedorn drei Vorbilder vor Augen, die in den für ihn zentralen Gattungen der geistlichen Beredsamkeit, der Philosophie und der Dichtung kanonische Geltung beanspruchen können. (GS I. 134) An dieser Aufzählung ist nicht nur abzulesen, wen Gellert als den bedeutendsten und für sein eigenes Werk wichtigsten Fabelautor der älteren Generation ansieht, an ihr zeigt sich auch, dass er mit seinen poetologischen Fabeln sich zunächst und vor allem an ein sachverständiges Publikum von Schreibenden wendet. Eine zusätzliche Pointe bekommt der Text dadurch, dass die Lerche, die 1746 im Streit mit der Nachtigall unterliegt, inzwischen dazugelernt hat und zwei Jahre später die Partei der Nachtigall ergreift. Hinter diesen Differenzierungen steht unausgesprochen der Anspruch Gellerts, der führende Vertreter der lyrischen Poesie unter den mit ihm befreundeten Autoren zu sein.

Schließlich stellt auch die letzte Fabel des zweiten Buches unter dem Titel Die Nachtigall und der Kukuk noch einmal die Idealfigur eines Dichters den mittelmäßigen Autoren gegenüber. In der Erzählung vom Kuckuck, der sich damit brüstet, dass sein Gesang den »Knaben« gefalle und von ihnen nachgeahmt werde, und der Nachtigall, deren Lied das zärtliche Liebespaar Damoet und Phyllis zu Tränen rührt, schreibt Gellert abschließend seiner Dichtung ein ideales Publikum zu. Die Fabeln und Erzählungen wenden sich an dieselben jungen Menschen als an ihre Leser, die als Helden und vor allem Heldinnen im Mittelpunkt seiner Komödien und seines Romans stehen und das Geschehen durch ihre empfindsame Liebe bestimmen. So sind die letzten drei Zeilen der Fabel und damit der ganzen Sammlung:


»Der Ausbruch einer stummen Zähre
Bringt Nachtigallen weit mehr Ehre,
Als dir der laute Beyfall bringt.« (GS I. 190)


auch als Hinweis des Autors an sein Publikum zu verstehen, wie die Fabeln zu lesen und in welcher Haltung sie zu rezipieren seien. Durch die Platzierung des Motivs der Nachtigall an den betonten Anfangs- und Schlusspositionen der beiden Bücher seiner Fabelsammlung gibt Gellert dieser Identifikationsfigur ihre poetologische Tiefendimension.

Insgesamt befasst sich gut ein Drittel der etwa hundert Fabeln Gellerts – häufig in deutlich satirischer Färbung – mit Fragen der Dichtung, des Dichterberufs und des Publikums. Die Fabel Die Biene und die Henne etwa gibt mit den Schlusszeilen ihrer Moral eine Funktionsbestimmung der Gattung, wenn sie den Nutzen der Poesie darin sieht,


»Dem, der nicht viel Verstand besitzt,
Die Wahrheit, durch ein Bild, zu sagen.« (GS I. 100)


Allerdings sind die Fabelerzählungen Gellerts meist reichhaltiger, als die dürre und abstakte Moral vermuten lässt. So auch hier, wo der nützlichen, aber prosaischen Henne die Biene gegenübergestellt wird, die durch ihre Arbeit nicht nur ein nützliches Lebensmittel hervorbringt, sondern auch anderen einen Genuss bereitet.


»Wir sammeln Saft, der Honig macht,
Um fremde Zungen zu vergnügen«,


sagt sie von sich selber (GS I. 99). In der Erzählung findet sich so Gellerts traditionsorientierte Definition, mit der er seine Schrift De poesi apologorum eröffnet, in ein sinnliches Bild umgesetzt: »Eine kurze und auf einen gewissen Gegenstand anspielende Erdichtung, die so eingerichtet ist, dass sie zugleich ergötzet und zugleich nutzet, nennt man eine Fabel.« (GS V. 5) Schließlich wird auch der Stachel der Biene noch allegorisch als die satirische Fähigkeit des Fabeldichters gedeutet, mit der er die Unverständigen bestraft.

Eine zusätzliche Dimension gewinnt die Fabel dadurch, dass das »Vergnügen« der Biene, die von Blüte zu Blüte fliegt, um ihren Honig zu sammeln, hervorgehoben wird, auch wenn dies nur negativ in der Anklagerede der Henne geschieht. Damit macht Gellert das Verfahren des Fabeldichters, der aus vielerlei Quellen das Eigene einbringt, und zugleich – über die zeitgenössische Theorie hinausgehend – dessen Vergnügen an der eigenen produktiven Tätigkeit einsichtig. Diese Erfahrung der Lust an der eigenen Kreativität und damit der Autonomie des schöpferischen Individuums, die der Alltagsmensch, die Henne, der Biene neidet, ist es, die die soziale Vorrangstellung des Autors begründet und Gellerts Auffassung von der besonderen gesellschaftlichen Rolle des Dichters mit der späteren der Sturm-und-Drang-Generation verbindet.

Eine weitere Motivreihe innerhalb beider Fabelbücher stellen die sozialkritischen Fabeln dar, die ihre bedeutendste Ausprägung in der groß angelegten Erzählung von Inkle und Yariko finden. (GS I. 70 ff.) Den Modestoff von der guten Wilden in Amerika, die einem englischen Kaufmann das Leben rettet, nur um von ihm bei seiner Rückkehr nach Europa als Sklavin verschachert zu werden, hat Gellert, wie er im Inhaltverzeichnis seiner Sammlung angibt, dem ersten Band der Moralischen Wochenschrift Der Zuschauer entnommen. Wie die zahlreichen zeitgenössischen Bearbeitungen desselben Stoffes belegen, bringt die Erzählung mit dem Gegensatz zwischen Herz und Liebe auf der einen und Verstand, Berechnung und Kalkül auf der anderen Seite zwei zentrale Kategorien aufklärerischen Denkens ins Spiel.13 Im Gegensatz zu seiner Vorlage und zu anderen Bearbeitungen betont Gellert jedoch nicht so sehr die sentimentale Seite des Motivs, das beklagenswerte Schicksal der Yariko, als vielmehr die Herzlosigkeit des Engländers Inkle, die er mit dessen »Kaufmannsgeist« und »Hunger nach Gewinn« begründet. (GS I. 72. V. 20 u. 25) In der die Moral der Fabel eröffnenden Anrede »O Inkle! du Barbar« wird der Kontrast zwischen dem menschlichen Verhalten der Wilden und dem unmenschlichen des zivilisierten »Briten« auf den Begriff gebracht. (GS I. 72. V. 56) Eine provozierende Verteilung von Licht und Schatten, wonach dem Europäer, mit dem Autor und Leser durch ein mehrfach wiederholtes »wir« identifiziert werden, die negative Rolle dessen, der aus Geldgier seine Geliebte verrät, zufällt, während die schöne Wilde sich durch ihr »treues Herz« auszeichnet.

Die Sphäre der bürgerlichen Handelswelt, die in der ersten Strophe am Beispiel eines Vertreters der kapitalistischen Nation par excellence mit Begriffen wie »Liebe zum Gewinnst«, »Begriff von Vortheil und Verlust«, »Handeln« und »Rechnen« als eine des ökonomischen Kalküls gekennzeichnet wird (GS I. 70. V. 29 ff.), erscheint dabei in ihrem heuchlerischen Kontrast zur herrschenden Ideologie christlicher Nächstenliebe. Am Beginn der zweiten Strophe wird von Inkle gesagt:


»Ihn lockt das reiche Land, das wir durchs Schwerdt bekehrt,
Das wir das Christenthum und unsern Geiz gelehrt.« (GS I. 70. V. 13 f.)


In diesen zwei Verszeilen ist der innere Widerspruch dessen, was als »protestantische Werkethik« den Antrieb bürgerlichen Handelns und Denkens ausmacht, auf das Bündigste formuliert.

Gellert stellt die von ihm geübte Kritik an kapitalistischer Gewinnmaximierung und Kolonialismus jedoch zugleich in den Dienst einer positiven Aussage über die Ordnungsprinzipien der bürgerlichen Gesellschaft. Hinter der extremen, sich sogar im Versmaß des Alexandriners niederschlagenden Opposition von Herz und Verstand steht für ihn die Forderung nach einer Synthese der beiden Prinzipien und damit nach einer »vernünftigen« Ordnung des privaten Raumes. Der Text zeugt also nicht von der »Krise der Aufklärung«14, sondern von deren Triumph. Im Medium der exotischen Erzählung wird die Arbeitsteilung im Schoß der bürgerlichen Kleinfamilie vorgeführt und durch Überspitzung kritisiert. Dabei wird in der schönen Wilden paradoxerweise das Ideal einer bürgerlichen Ehefrau verkörpert: Sie »schmückt sein kleines Haus« (GS I. 71. V. 31), sie sichert die biologische Reproduktion der Familie, indem sie ein Kind von Inkle empfängt (GS I. 72. V. 31), sie lebt die neuen, eine Liebesehe erst ermöglichenden Tugenden vor, besitzt »ein treues Herz« und »zärtliches Erbarmen« (GS I. 71. V. 30 u. 37).

Wenn die Beziehung zwischen Mann und Frau in diesem Falle dennoch scheitert, so liegt der Grund nach Gellerts Darstellung darin, dass die beiden Partner zu ausschließlich auf ihre Lebenssphäre fixiert sind, der Mann auf die ökonomischen und die Frau auf die häuslichen Tugenden. Es geht also hier, wie auch sonst in Gellerts Fabeln, um die Darstellung antagonistischer Gegensätze und um deren Vermittlung, nicht um die negative oder positive Charakterisierung einer einzelnen Position. Hinter der kritischen Attitüde des Textes steht als positives Ziel die Forderung nach einem harmonischen Zusammenwirken beider Prinzipien in jedem Menschen, in Mann und Frau, wodurch erst ein ideales Paar ermöglicht würde.15

Der Schriftsteller zwischen Krieg und Frieden

Gellert war schon als junger Mann ein entschiedener Kriegsgegner. Das belegen die Episoden, die er selbst aus dem Zweiten Schlesischen Krieg erzählt. Sachsen, das mit Österreich verbündet war, wurde in der letzten, den Krieg entscheidenden Schlacht von Kesselsdorf bei Dresden am 15. Dezember 1745 von den Preußen unter Friedrich II. besiegt. Gellert hielt in seiner Naivität die »Schanzen«, mit denen Leipzig verteidigt werden sollte, für uneinnehmbar und war deshalb umso überraschter, als die Preußen »frisch und gesund« in die Stadt einmarschierten (GS V. 316). Zehn Tage später wurde Sachsen von den siegreichen Preußen im Frieden von Dresden zu einer hohen Kontribution verurteilt, um die Kriegskosten der Sieger zu decken. Darauf spielt Gellert in seiner 1746 entstandenen Komödie Das Loos in der Lotterie an, in der er seinen Helden Damon sagen lässt: »Die Preussische Kontribution verwinde ich Zeitlebens nicht. Ach der Himmel behüte uns doch vor Krieg und theurer Zeit!« (GS III. 135)

In seiner 1757, also während des Siebenjährigen Krieges, geschriebenen fragmentarischen Autobiographie Unvollständige Nachrichten aus meinem Leben erzählt er von der eigenen Reaktion auf den damaligen Einmarsch der Preußen und die drohende Plünderung der Stadt, die für sein Selbstverständnis als Autor außerordentlich charakteristisch ist. »Alles war in Bestürzung und suchte zu verbergen. Ich hatte damals den ersten Theil meiner Fabeln meistens zum Drucke fertig und es war mir sehr bange, dass er mir geplündert werden könnte. Ich trug ihn also, wo ich stund und gieng, in der Tasche; denn wie leicht hätte er nicht einem Preuß. Grenadier in die Hände fallen können?« (GS V. 316) In dieser Anekdote stellt Gellert seine Fabeln, in denen die vernünftige Ordnung des privaten Raumes zum zentralen Gegenstand der bürgerlichen Dichtung gemacht wird, der kriegerischen Propagandalyrik gegenüber, die zur Zeit der Abfassung der Unvollständigen Nachrichten mit den Kriegsliedern des Preußischen Grenadiers ihren ersten Höhepunkt erreichte.

Den Gegensatz zwischen friedlicher literarischer Betätigung und Kriegshandwerk überträgt Gellert in einer weiteren Anekdote aus den Unvollständigen Nachrichten auch auf das eigene Leben. In der Stube des Dichters und Gelehrten haben sich die »Verfasser der Bremischen Beyträge« in fröhlicherrdinand von Zedtwitz gehörte. Mitte Juli reiste er zu einer vierzehns sie von einem preußischen Offizier gestört werden, der nach dem sächsischen General Sybilski fragt. Der Kontrast zwischen den sich »critisch zankenden« jungen Dichtern und dem martialisch auftretenden Militär, der einen Kriegsgegner sucht, um ihn gefangen zu nehmen, gestaltet im autobiographischen Zusammenhang ein Motiv, das auch Gellerts Selbstdarstellung als Autor in seinen Briefen nebst einer praktischen Abhandlung von 1751 bestimmt.16 Den Beginn seiner Briefsammlung mit dem ersten und die Mitte mit dem fünfunddreißigsten bis vierzigsten Brief nehmen Gellerts Schreiben an einen Offizier ein, an den sächsischen Rittmeister Christian August Friedrich von Bülzingsleben. Ihm, der 1742 mit der sächsischen Armee an der Seite Friedrich II. am Feldzug gegen Österreich in Böhmen teilnahm, hatte der Dichter schon seine Ode Sendschreiben an den Hrn. Rittmeister v. B., ins Lager nach Böhmen, im Monat Februar gewidmet, die er im selben Jahr in den Belustigungen des Verstandes und des Witzes veröffentlichte. Sie ist Ausdruck seiner Freundschaft zu Bülzingsleben und gleichzeitig ein Dokument seiner Furcht, dass des Freundes »Blut die Furchen füllt« (GS II. 17). Der Brief, mit dem Gellert die Übersendung des Manuskripts seines Gedichts begleitet, enthält eine durch Ironie kaum verhüllte Warnung an den Freund vor dem Kriegshandwerk: »Es haben mich schon viele Officiere versichert, der Feldzug in Böhmen hätte Sie so entstellt, dass Sie sich kaum mehr ähnlich sähen.« Aus dieser Mitteilung entfaltet er die Schreckensvision, mit der er den Brief eröffnet: Er sieht den Rittmeister »als General«; »und in den Minen, wo sonst Liebe und Zärtlichkeit gewohnt haben, herrschten itzo das Alter und der Krieg.« (GS IV. 194)

Gellert sucht den adeligen Militär ins bürgerliche Leben einzubinden, indem er ihn in seine väterliche Familie nach Hainichen einlädt, wo er wie der verlorene Sohn der Bibel mit einem Festmahl empfangen werden soll, und er ermuntert ihn immer wieder zum Schreiben, wobei er betont, dass nicht die Neuigkeiten, die sie einander mitzuteilen hätten, von Wichtigkeit seien. Vielmehr sind für ihn die Briefe reiner Ausdruck der zwischenmenschlichen Kommunikation, auf die sich Freundschaft und Liebe gründen. Drei Jahre später – Bülzingsleben ist immer noch Rittmeister eines sächsischen Regiments, das inzwischen im Zweiten Schlesischen Krieg jedoch auf Seiten der Österreicher gegen die Preußen kämpft – reagiert Gellert in einem Brief auf »die Nachricht von dem unglücklichen Treffen in Schlesien«, gemeint ist der Sieg Friedrichs II. über die Koalition in Hohenfriedberg am 4. Juni 1745. In diesem Schreiben, das zusammen mit den beiden vorhergehenden an denselben Adressaten die Mitte seines Briefstellers einnimmt, formuliert er seine Kriegsgegnerschaft mit einer bis dahin ungewohnten Grundsätzlichkeit und Radikalität: »So lange Sie im Felde stehen, das ist, so lange Sie sich auf den ersten Wink eine Ehre daraus machen müssen, Ihren Feind entweder umzubringen, oder von ihm umgebracht zu werden: so lange habe ich noch alles Ihrentwegen zu fürchten. […] Kann man nicht anders berühmt werden, als wenn man der Liebe zum Leben entsagt: so will ich lieber hinter dem friedfertigen Pfluge verzagt leben, als auf dem fürchterlichen Bette der Ehren mit Tapferkeit sterben. […] Ist es möglich, so vergessen Sie den Lorbeer, den man durch sein Blut erkaufen muß« (GS IV. 193).

Ganz bewusst und entgegen der historischen Abfolge ihrer Abfassung rahmt Gellert diese unbedingte Verurteilung des Krieges durch die idyllische Schilderung seines Familienlebens und die fast karikaturale Betonung der kommunikativen und emotionalen Qualitäten des Briefeschreibens ein, wie er sie programmatisch in seinem Brief an Bülzingsleben formuliert, den er an den Anfang seiner Briefsammlung gestellt hat: »Es ist wahr, meine Briefe an Sie, enthalten beynahe einerley: immer Versicherungen, daß ich Sie von Herzen liebe, daß ich Sie hoch schätze; immer Danksagungen und gute Wünsche. […] Mögen doch andre ihre Blätter mit täglichen Neuigkeiten anfüllen, wir wollen mit den Empfindungen unsers Herzens anfangen und beschließen.« (GS IV. 155) Hier ist paradigmatisch das utopische Gegenmodell zum blutigen Morden der Kriegergesellschaft formuliert, das auf Austausch und gegenseitiger Mitteilung der Gefühle beruht.

Gellert und Sachsen

Gellert war ein sächsischer Patriot. Das wurde öffentlich sichtbar, als er im Sommer 1751 die Hauptstadt Preußens besuchte. Dorthin war er Anfang Juni 1751 auf Einladung seines Brieffreundes, des Königlich Preußischen Hofrats Ernst Samuel Jacob Borchward, gereist (B I, 80–82).17 Der Besuch verlief nicht so, wie sich Gastgeber und Gast das gewünscht hatten. Nach seinem Berliner Aufenthalt ließ Gellert eine fast viermonatige Pause in seinem Briefwechsel mit Borchward eintreten und obwohl er in seinem Brief vom 15. Oktober 1751 behauptete, dass er »an keinem Orte in ganz Deutschland so viele Freunde und Gönner habe, als eben in Berlin« (B I. 90), sah sich sein Berliner Freund veranlasst zu bemerken, Gellert habe bei seinem Besuch »die bekanndte finstre Miene etwas zu mercklich« zur Schau getragen (B I. 91).

Die wahre Ursache dieser Verstimmung ist dem Bericht zu entnehmen, den Gellert in den Unvollständigen Nachrichten von einem Gespräch in Borchwards Haus gibt. Er habe, berichtet er, in Berlin einer Gesellschaft beigewohnt. »Man redte von der Schlacht bei Kesselsdorf. Ich sagte nicht viel. Man schob die Schuld des preußischen Verfahrens auf unser Bezeigen. Ich sagte nicht viel. Ja, fieng ein alter Mann zu mir an: wenn sie nichts Böses im Sinne gehabt; warum haben sie dann das Grünische Corps an sich gezogen? Das Grünische Corps, antwortete ich hitzig, ich weis den Teufel vom Grünischen Corps! […] In der That war ich als ein Sachse über das Kesselsdorfische Gespräch aufgebracht; und so viel Ehre man mir damals in Berlin erwiesen, so sehr hat man mich als einen Sachsen gedemüthiget.« (GS V. 316) Deutlicher kann Gellerts sächsischer Patriotismus nicht zum Ausdruck kommen, als in dieser hoch emotionalen Reaktion auf die offensichtlich chauvinistischen Bemerkungen seiner preußischen Gesprächspartner über die Schlacht, in der Sachsen eine Niederlage hinnehmen musste.

Wie Gellerts Nähe zum Hause Brühl und die in den letzten Lebensjahren für den seit 1768 regierenden Kurfürsten Friedrich August III. gehaltenen Privatvorlesungen (GS V. 418 u. GS V. 422–427) sowie seine Widmung der Sämmtlichen Schriften (GS V. 222 f.) an ihn ahnen lassen, war seine Laufbahn als Dichter wie als akademischer Lehrer aufs Engste mit der Geschichte Sachsens und seiner Herrscher verbunden. Deswegen war er persönlich aufs Äußerste betroffen, als Friedrich II. den Siebenjährigen Krieg im August 1756 mit einem Angriff auf Sachsen begann und nach dem Sieg bei Lobositz im Oktober desselben Jahres die kurfürstlichen Truppen zur Kapitulation zwang. Am 28. März 1757 berichtet er Hanns Moritz von Brühl nach Paris über die Lage in Leipzig: »Daß wir itzt viel leiden, daß ich und hundert wackere Leute keine Pension mehr bekommen, daß unsere Universität täglich mehr abnimmt, o das versteht sich.« (B II. 100) Im April und Mai 1757 floh er, nachdem er im März seine Geistlichen Oden und Lieder zum Druck gebracht hatte, vor den Kriegswirren auf das Landgut Bonau, das der befreundeten Familie des Kammerherrn Christianem blutigen Kriegsmann noch eine zweite Figur gegenübergestellt, die desätigen Kur nach Lauchstädt, von wo er nicht nach Leipzig zurückkehrte, sondern wieder nach Bonau auswich.

Sein zehnmonatiger Aufeinhalt dort von Anfang August 1757 bis Mitte Mai 1758 stellt einen entscheidenden Einschnitt in seinem Leben dar. Gellert erkrankte schwer an einer Pleuritis, so dass er mehrere Tage dem Tode nahe war. Gleichzeitig wurde das Gut von österreichischen Husaren und später von der mit den Österreichern verbündeten Reichsarmee als Quartier genutzt. In den Unvollständigen Nachrichten berichtet er über diese Tage: »ein General logierte neben mir und die Hauptwache war im Hofe – Ein beschwerliches Schauspiel für einen Sterbenden!« (GS V. 337) Einige Tage später, als der Dichter schon wieder auf dem Wege der Besserung war, geriet das Gut zwischen die Fronten, so dass Gellert die Schlacht bei Rossbach am 5. November 1757 aus unmittelbarer Nähe miterlebte: »Ich hörte die fürchterlichen Donner der Canonen, die Zimmer erschütterten, ich wollte für die Sterbenden und Lebenden beten, und konnte nicht; ich wollte wissen, was ich fühlte, und ich fühlte nichts als Starrheit der Seele. Ich glaubte, daß die Preussen siegen würden und erschrack doch unendlich, als ich hörte, dass sie Sieger waren.« (GS V. 337)

Die Reaktion Gellerts auf den Sieg Friedrich II. war der allgemeinen Stimmung in Deutschland diametral entgegengesetzt. In der Schlacht bei Rossbach hatte Friedrich der Reichsarmee und den mit ihr verbündeten Franzosen eine schwere Niederlage beigebracht. Das wurde in Preußen und darüber hinaus als der entscheidende Schlag gegen die verhassten Nachbarn im Westen gefeiert. In einem anonymen Spottvers hieß es: »Und kommt der große Friedrich, und klopft nur auf die Hosen, / dann läuft die ganze Reichsarmee, Panduren und Franzosen.« Gleim schrieb ein langes Siegeslied, das er später in den Kriegsliedern eines preußischen Grenadiers veröffentlichte, und verspottete darin Franzosen, Pfälzer, Schwaben, Württemberger und andere deutsche Landsleute, die an der Seite der Franzosen an der Schlacht teilgenommen hatten. Für die Zukunft sagte er voraus, dass Friedrich das »stolze Wien« bändigen und »Deutschland frey« machen werde.18 Johann Wilhelm von Archenholz hat in seiner Geschichte des Siebenjährigen Krieges von 1793 die damalige Stimmung in den deutschsprachigen Ländern zusammengefasst: »Alle Deutsche Völkerschaften, groß und klein, ohne Rücksicht auf Partei, Reichs-Beschlüsse und eigenes Interesse, waren mit diesem Siege gegen die Franzosen zufrieden, den man als einen National-Triumph ansah.«19 Schon hier deutet sich der vom Franzosenhass getragene deutsche Nationalismus an, der 1813–15 im Krieg der mitteleuropäischen Alliierten gegen Napoleon sich erst voll entfalten sollte.

Gellert lagen solche chauvinistischen Töne völlig fern. Im Gegenteil, seit seiner Krankheit, die ihn an den Rand des Grabes gebracht hatte, und der gleichzeitigen Anschauung des Sterbens und Leidens der Soldaten in der Schlacht von Rossbach artikuliert er immer deutlicher die Nähe des menschlichen Lebens zum Tod. An seinen Freund und Vertrauten Andreas Wagner schreibt er am 15. November 1757: »Ich starb, und siehe, ich lebe noch.« Aus dieser krisenhaften Erfahrung zieht er den Schluss, dass es notwendig sei, »daß ich noch besser sterben lerne« (B II. 133). Drei Tage später vertraut er einem Brief an Hans Moritz von Brühl an, wie tief die existenzielle Erschütterung durch die schwere Krankheit für ihn gewesen ist: »O liebster Moritz, was ist der Schritt in die Ewigkeit für ein feyerlicher, bebender Schritt! Welch ein Unterschied zwischen den Vorstellungen des Todes bey gesunden Tagen und am Rande des Grabes!« (B II. 136) In den Unvollständigen Nachrichten, die den unmittelbaren Niederschlag seines Aufenthalts in Bonau darstellen, zieht er daraus die Schlussfolgerung für die Nachwelt: »Wer du auch bist, der du einst dieses ließt, für so melancholisch du mich halten wirst: so laß es doch dein Geschäfte seyn, dir den Tod sinnlich zu machen, solange du noch eine lebhafte Einbildungskraft hast« (GS V. 320). Was für Gellert zuvor eine von der Religion inspirierte, eher theoretische Perspektive war, ist nun für ihn eine »sinnliche« Erfahrung geworden. In den Jahren zwischen 1757 und 1769 ist die Vergegenwärtigung des eigenen Todes denn auch in den Mittelpunkt seines seelischen Lebens gerückt, wie sein Tagebuch von 1761 sowie die zahlreichen Selbstbefragungen und Gewissenserfahrungen belegen, die er als Gebetstexte zur Vorbereitung auf die Beichte oder das Abendmahl niedergeschrieben hat und die sich in seinem Nachlass erhalten haben.20

Die Friedensbotschaft

Im Mai 1758 kehrte Gellert nach Leipzig in seine Wohnung im »Schwarzen Brette« zurück, obwohl die Stadt noch immer von den Preußen besetzt war. Im Dezember desselben Jahres besuchte ihn ein Husarenleutnant aus dem Gefolge des preußischen Generalmajors Paul Joseph Malachowsky von Malchow. Gellert schildert diese Begegnung mit ironischem Unterton in seinem Brief vom 5. Dezember 1758 an Johanna Erdmuth von Schönfeld. Der Text ist ganz nach dem Muster des »Landkutschenbriefs« stilisiert.21 Wie er sich dort als Schriftsteller einem Henker gegenüber sieht, dem »das Schwerdt unter einem blauen Mantel hervorragt« (GS IV. 156), so hier einem »hagren, schwarzen Mann mit drohenden Augen, kothigen Stiefeln und blutigen Sporen«, der »seinen fürchterlichen Sebel […] den Stock, ein Paar Pistolen, die Mütze und die Korbatsche « in Händen hält (B II. 193). Dieses Monstrum scheint geradewegs aus der Schlacht bei Zorndorf zu kommen, in der Friedrich II. am 25. 8. 1758 die Russen besiegt hatte, und so bietet er dem Dichter aus seiner Beute, die er »mit seinem Blute erfochten« hat, einen Rubel und ein Paar Pistolen als Geschenk an. Gellert hingegen führt ihn ostentativ an seine »Bücherschränke« und kommentiert: »Dieses ist mein Gewehr, Herr Lieutenant« (B II. 194). Deutlicher lässt sich der Kontrast zwischen dem blutigen Kriegshandwerk und der dem Frieden dienenden Tätigkeit des Schriftstellers nicht herausstellen. Wie sehr es dem Autor in seinem Text auf diese Gegenüberstellung ankommt, lässt sich auch daran ablesen, dass der Husar, als er sich »mit seinen Pistolen u. seiner Knutpeitsche« verabschiedet, sich als Bewunderer von Gellerts Roman Leben der Schwedischen Gräfinn von G*** zu erkennen gibt. In diesem Text wird der russische Staat als barbarische Tyrannei geschildert, die vor Gericht die Wahrheit durch die Prügelstrafe zu erzwingen sucht und so die englischen Kriegsgefangenen zu Tode bringt (GS IV. 53). Wenn Gellert einen Vertreter der preußischen Armee mit der Knute in der Hand auftreten lässt, die er im blutigen Kampf einem russischen Kosaken abgenommen hat, charakterisiert er damit indirekt auch die preußischen Besatzer in Sachsen als blutrünstige Barbaren. So ist es nicht verwunderlich, dass der Dichter aufs Äußerste beunruhigt war, als der »Husarenbrief« bald in Abschriften in ganz Sachsen zirkulierte und zwei Jahre später sogar ohne Genehmigung des Autors gedruckt wurde.22

In demselben Brief wird dem blutigen Kriegsmann noch eine zweite Figur gegenübergestellt, die des jungen Grafen Dohna, der als Adjutant bei seinem Vater, dem preußischen General von Dohna, dient. Gellert schildert ihn als »ein gutes Kind von neuzehn Jahren mit einer sanften frommen Miene« und unterstreicht diese positive Charakterisierung dadurch, dass er ihn als Leser der Geistlichen Oden und Lieder vorstellt.23 Zudem erzählt er, dass die »sämtlichen Oberofficier« aus dem Husarenregiment des Generals Malachowsky sich angemeldet hätten, um seiner Vorlesung zur Moral beizuwohnen. Seinen Bericht schließt er mit der Feststellung: »Ich musste also vor der halben Armee lesen.« (B II. 195) Wie schon bei seinem Werben um den Rittmeister von Bülzingsleben stellt er sich auch hier als Lehrer dar, der die Kriegsleute zu einem besseren Leben führt. Damals, in den vierziger Jahren bezog sich seine Lehre noch auf die bürgerliche Moral, jetzt nach den existenziellen Erfahrungen des Jahres 1757 vertraut er nur noch seiner christlichen, pietistisch gefärbten Religiosität.

Im selben Monat, aus dem der »Husarenbrief« stammt, schreibt er einem weiteren Offizier aus dem Malachowskischen Husarenregiment, dem Obersten Otto Ernst Heinrich von Gersdorf, der einige seiner Geistlichen Oden und Lieder ins Französische übersetzt hatte: »Möchten doch viele Officiere durch Ihr rühmliches Beyspiel zu der Liebe der Wissenschaft und der Religion ermuntert werden« (B II. 200). Und als Postskriptum fügt er an: »Die Erinnerung des Todes halte ich für das schönste Stück.« Mit diesem Hinweis auf den von ihm bevorzugten Text aus den Geistlichen Oden und Liedern unterstreicht er ein weiteres Mal, dass nur die Erfahrung des Todes es vermag, den Menschen, wie es im Lied heißt, »zur Weisheit zu erwecken« (GS II. 121).

Im letzten Lebensjahrzehnt Gellerts wird der Hinweis auf seine Geistlichen Oden und Lieder und seine Moralischen Vorlesungen zum ständig wiederkehrenden Topos, mit dem er die Erziehung der Militärs zum Frieden bewirken zu können glaubt. So auch in der Unterredung mit Friedrich II. in Leipzig, zu der er am 12. Dezember 1760 auf Empfehlung des englischen Gesandten am Preußischen Hof, Sir Andrew Mitchell, geladen wurde und über die er am nächsten Tag mit wörtlichen Zitaten in einem Brief an seine Konfidentin Johanna Erdmuth von Schönfeld ausführlich berichtet. Er beschließt seine Erzählung mit der Versicherung, er werde »die Ehre der christlichen Religion auch gegen alle Könige« verteidigen. Und über den als Religionsspötter und Freigeist bekannten Friedrich II. glaubt er feststellen zu müssen: »Er mag wohl schon wissen, daß ich geistliche Lieder gemacht habe; u. das ist mir sehr lieb. Wenn er spotten will, so werde ich ihm sagen: Sire, diese Lieder werden bey Ihren Armeen gesungen u. gebetet u. die christlichen Gedichte machen gute Bürger und treu Soldaten.«24 (B III. 81)

Die Unterredung zwischen dem sächsischen Dichter und dem preußischen König fällt in eine Zeit, in der Friedrich II. nach der Schlacht bei Torgau und dem verlustreichen Sieg über die Österreicher am 3. November 1760 Leipzig zu seinem Hauptquartier gemacht hatte. Die Stadt wurde in ein großes Heerlager verwandelt und damit rückten die Folgen des Krieges erneut in den unmittelbaren Wahrnehmungsbereich des Dichters. Mit Emphase schildert er dem jungen Moritz Wilhelm zu Dohna am 17. November 1760 seine Empfindungen: »Die Unruhen des Krieges, ja, liebster Graf, sie sind groß, und ich beklage Sie und uns und bitte Gott, o möchte er ihn uns bald geben, um Frieden, um Frieden. Seit gestern habe ich ein Lazaret zur Rechten und eins zur Linken, und das eine stößt unmittelbar an mein Kammerfenster. Welche angstvolle Nachbarschaft! Ich kann sie nicht aushalten, das sehe ich.« (B III. 71)25 Seine hier zum Ausdruck kommende Friedenssehnsucht bekennt er auch im Angesicht des Königs aufrecht, wenn er ihn darum bittet, daß er »uns bessre Zeiten geben« möge (B III. 79). Gellerts mutige Antworten in dieser für ihn zentralen Frage verdienen es wörtlich zitiert zu werden:


»Der König: Sind itzt böse Zeiten?
Ich: Das werden Ew. Majestät besser bestimmen können, als ich.
Ich wünsche ruhige Zeiten. Geben Sie uns nur Frieden, Sire.
Der König: Kann ich denn, wenn Dreye gegen Einen sind?
Ich: Das weis ich nicht zu beantworten. Wenn ich König wäre,
so hätten die Deutschen bald Frieden.« (B III. 79)


Friedrich II. plädiert hier auf Notwehr – ungerechtfertigterweise, da er es gewesen ist, der durch seinen Angriff Österreich, Frankreich und Russland zum Kampf provoziert hat. Hingegen vertritt der sonst so ängstliche Dichter im Angesicht des mächtigen Kriegsherrn tapfer und unnachgiebig seinen Standpunkt und verteidigt seine politische Überzeugung von der Notwendigkeit des Friedens gegenüber der damaligen Kabinettspolitik, die den Krieg als gerechtfertigtes Mittel der politischen Auseinandersetzung ansah.

Aber auch auf seinen ästhetischen Anschauungen besteht er gegenüber dem König, der die französische Literatur der deutschen vorzieht, mit erstaunlichem Selbstbewusstsein. Zu Beginn der Unterredung weist Gellert mit seiner Bemerkung: »Vielleicht fehlen uns noch Auguste und Ludwige qvatorce« darauf hin, dass für ein Aufblühen der Künste ruhige Zeiten und ein großzügiges Mäzenatentum notwendig seien. Auf diese Anspielung auf den römischen Friedenskaiser und den französischen Sonnenkönig antwortet Friedrich II. mit einer ironischen Replik: »Aber Sachsen hat ja schon zween Auguste gehabt.«26 Was dem Dichter Gelegenheit gibt, die Ehre der deutschen Literatur zu verteidigen: »Und wir haben auch in Sachsen schon einen sehr guten Anfang in den schönen Wissenschaften gemacht. Ich rede nicht von Sachsen allein; ich rede von ganz Deutschland.« (B III. 79) Im Vergleich mit den vierzig Jahre später geschriebenen Bemerkungen Goethes über die Exzellenz der norddeutschpreußischen Literatur erweist sich Gellerts Standpunkt nicht nur als überaus selbstbewusst, sondern als historisch zutreffender.

Ein Selbstbewusstsein, das er auch für die eigene Person unter Beweis stellt. Auf die Einflüsterung des Adjutanten Friedrichs, Gellert werde in Paris »der deutsche Lafontaine« genannt, und die Frage des Königs: »Hat er den Lafontaine nachgeahmet?«, gibt er zur Antwort: »Nein, Sire, ich bin ein Original« (B III. 79 f.). Was er dadurch unter Beweis stellt, dass er am Ende der Unterredung auf Bitten des Königs seine »Fabel vom Maler in Athen« vorträgt. Dieser Text, der das Ende des Ersten Buches der Fabeln und Erzählungen markiert, ist zunächst poetologisch zu verstehen und damit repräsentativ für die Mehrzahl der in diesem Buch enthaltenen Fabeln.27 Gellert plädiert in ihm für eine natürliche Ausdrucksweise und spricht sich damit gegen den allzu überladenen rhetorischen Schmuck aus, der die französischen Fabeln kennzeichnet.28 In dieser neuen Einfachheit, die ihm auch eine neue Leserschaft, die des einfachen Volkes, erschließt,29 sieht er offensichtlich seine »Originalität« begründet.

Aber die Fabel richtet sich auch gegen den Stil der barocken Hofkunst in Dresden, die in der manieristischen Darstellung mythologischer Sujets ihren Höhepunkt findet. Der Künstler der Fabel hat ein in der damaligen Malerei beliebtes Sujet gewählt, er hat ein Bild des Mars gemalt. Als es vom »Kenner« wegen seiner Künstlichkeit kritisiert und vom »jungen Gecken« hoch gelobt wird, vernichtet er sein Gemälde. In der bürgerlichen Literatur haben die Götter der antiken Mythologie keinen Platz mehr. Deshalb lautet die letzte Zeile der Fabel: »So strich er seinen Kriegsgott aus.« (GS I. 130) Über seine ästhetische Aussage hinaus, kommt diesem Satz im aktuellen Kontext auch eine politische Bedeutung zu. Indem Gellert vor Friedrich II. gerade diesen Text rezitiert, unterstreicht er noch einmal sein kompromissloses Eintreten für den Frieden. Man kann vermuten, dass der von Gleim, Ramler und Kleist als »Kriegsgott« verehrte König von Preußen das vernichtende Urteil verstanden hat, das in dieser Anspielung Gellerts versteckt war.

  1. 1Die Werke Gellerts werden im Folgenden zitiert nach der Ausgabe: Christian Fürchtegott Gellert, Gesammelte Schriften. Kritische, kommentierte Ausgabe, hg. von Bernd Witte, Bd. I – VII, Berlin / New York 1988–2008. Im Text selbst nachgewiesen mit der Sigle GS und Band- und Seitenzahl. Zum Roman vgl. Bernd Witte, »Die andere Gesellschaft. Der Ursprung des bürgerlichen Romans in Gellerts Leben der Schwedischen Gräfin von G***«, in Bernd Witte (Hg.), »Ein Lehrer der ganzen Nation«. Leben und Werk Christian Fürchtegott Gellerts, München 1990, S. 66–85.
  2. 2Anonym [Jakob Mauvillon und Ludwig August Unzer], Ueber den Werth einiger Deutschen Dichter und über andere Gegenstände den Geschmack und die schöne Litteratur betreffend. Ein Briefwechsel, Frankfurt/Leipzig 1771 f.
  3. 3Johann Wolfgang Goethe, Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit, in Werke. Hamburger Ausgabe, überarbeitete Aufl. Bd. 9, München 1974, S. 269.
  4. 4Ebd., S. 279.
  5. 5Ebd., S. 280.
  6. 6[Johann Wilhelm Ludwig Gleim], Preussische Kriegslieder in den Feldzügen 1756 und 1757 von einem Grenadier, Berlin 1757, Neudruck Heilbronn 1882 (= Deutsche Literaturdenkmale des 18. Jahrhunderts 4), S. 7.
  7. 7Goethe, Dichtung und Wahrheit (Fn. 3), S. 283.
  8. 8Erich Schmidt, Lessing. Geschichte seines Lebens, Berlin 1884, S. 308.
  9. 9Ebd., S. 309.
  10. 10Gellert selbst veröffentlichte dieses Gelegenheitsgedicht unter dem Titel »An den Herren Grafen Hanns Moritz von Brühl, bey seinem vierzehnten Geburtstage« im »Anhang « seiner Lehrgedichte und Erzählungen von 1754.
  11. 11Harald Marx, Sehnsucht und Wirklichkeit. Malerei für Dresden im 18. Jahrhundert, Köln 2009.
  12. 12Thomas Abbt, Vom Verdienste, Goslar und Leipzig 1765, 2. Aufl. 1766, S. 300. In GS I. 418.
  13. 13Zur Geschichte des Motivs vgl. Lawrence Marsden Price, Incle and Yarico Album, Berkeley 1937.
  14. 14So die Interpretation von Peter Pütz, »Die Herrschaft des Kalküls«, in Alexander von Bormann (Hg.), Wissen aus Erfahrungen. Festschrift Hermann Meyer, Tübingen 1976, S. 107–121.
  15. 15In diesem Sinne wird die Schwedische Gräfin zur idealen Ehefrau erzogen. Von ihr heißt es gleich im ersten Satz des Romans: »Vormittage […] soll das Fräulein als ein Mann, und Nachmittage als eine Frau erzogen werden.« (GS IV. 3)
  16. 16Zu Gellerts Briefen nebst einer praktischen Abhandlung vgl. Bernd Witte, »Die Individualität des Autors: Gellerts Briefsteller als Roman eines Schreibenden«, in German Quaterly 62 (1989) No 1, S. 5–14.
  17. 17John F. Reynolds (Hg.), C. F. Gellerts Briefwechsel Bd. I–IV, Berlin / New York 1983–1996. Im Text nachgewiesen mit der Sigle B und Band- und Seitenzahl.
  18. 18Preussische Kriegslieder (Fn. 6), S. 18-26.
  19. 19Johannes Kunisch (Hg.), Aufklärung und Kriegserfahrung. Klassische Zeitzeugen zum Siebenjährigen Krieg, Frankfurt/M. 1996, S. 115.
  20. 20Jetzt zum ersten Mal aus dem Nachlass publiziert in GS VII.
  21. 21Vgl. hierzu Witte, »Die Individualität des Autors« (Fn. 16).
  22. 22Am 13. Juni 1759 schreibt Gellert an Johanna Erdmuth von Schönfeld: »Der Brief mit der Geschichte von dem Husarenrittmeister, den ich ehedem an Sie geschrieben, läuft in dem ganzen Gebirge, bey nahe in allen Städten und Dörfern, dieses ist den Worten nach wahr, in Abschrift, und vermuthlich ziemlich verstümmelt, herum […] Ich zittere, Gnädiges Fräulein, wenn ich denke, dass er einem gewinnsüchtigen Buchführer in die Hände fallen kann.« (B II. 255) Zwei Jahre später erschien der Brief ohne Gellerts Genehmigung tatsächlich im Druck: Zwey Briefe. Leipzig u. Dresden 1761 und Vier Briefe, von Gellert und Rabener. Frankfurt und Leipzig 1761. Im Oktober 1761 erschien eine französische Übersetzung im Journal étranger. Gellerts Befürchtung war umso gerechtfertigter, als die preußische Besatzungsmacht eine strenge Zensur über schriftliche Äußerungen zum Krieg verhängt hatte. (Vgl. B II. 128: »Schreiben – ja auch das darf man nicht, denn wer kann schreiben, ohne zu klagen?«)
  23. 23Im Fall des Grafen Moritz Wilhelm zu Dohna hat sich die Hoffnung Gellerts auf einen Bekehrung des Kriegsmannes offensichtlich erfüllt. Er schied aus der Armee aus und heiratete die Tochter des Gründers der pietistischen Brüdergemeinde, Marie Agnes Gräfin von Zinzendorf.
  24. 24Vgl. das Memorial an Friedrich II, ein in Erwartung einer weiteren Audienz, die dann nicht mehr stattfand, gefertigtes Memorandum Gellerts, in dem er naiverweise glaubt, den König mit »Gründen« zum christlichen Glauben zurückführen zu können. In dieser Argumentation spielen seine Geistlichen Oden und Lieder eine zentrale Rolle: »Sire, die christl. Religion, die Ihnen so verdächtig vorkommt, ist die Stütze der Könige, sie macht gute Bürger, fleißige Unterthanen u. rechtschaffne treue Soldaten. Ihre Armee ist der Beweis. Eben die christl. Gedichte lesen u. singen Ihre Soldaten; ich kann es erweisen. Ihr Berlin singt sie. Es ist vielleicht von General Hülsen bis auf den Feldjäger herab kein deutscher Officier unter Ihrer Armee, der mich nicht gelesen hat u. wohl auch auswendig weis.« (GS VII. 144 f.)
  25. 25Ähnlich am selben Tag an Johann Heinrich von Grabowski (B III. 72) und am 3. 12. 1760 an Johanna Erdmuth von Schönfeld: »Nun bin ich vollkommen gedeckt. Ich habe Infantrie u. Reiterey, die Grenadier, die Garde, ich habe alles; denn ich habe vier Lazarete, so nahe als man haben kann, und mein ganzer Hof ist mit Soldaten angefüllt, […] Der Eine redt von der Schlacht bei Torgau u. hält sie für die blutigste, der Andre zieht die von Collin noch vor.« (B III. 77 f.)
  26. 26Gemeint sind August der Starke und sein Sohn Friedrich August II.
  27. 27Vgl. Bernd Witte, »Die Wahrheit durch ein Bild zu sagen.« Gellert als Fabeldichter, in Witte (Hg), »Ein Lehrer der ganzen Nation« (Fn. 1), S. 30–50.
  28. 28»Der Kenner sagt ihm frey heraus, Daß ihm das Bild nicht ganz gefallen wollte, Und dass es, um recht schön zu seyn, Weit minder Kunst verrathen sollte.« (GS I. 130)
  29. 29Zur Leserschaft der Fabeln in einer »hypoliteralen« Gesellschaft vgl. Bernd Witte, »Emblematische Bilder. Die deutschsprachige Fabeln des achtzehnten Jahrhunderts zwischen Oralität und Literalität«, in Daphnis 25 (1996), S. 713–738.
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Heft 4 (2010)
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