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Sächsisch-magdeburgisches Recht in Ungarn und Rumänien. Autonomie und Rechtstransfer im Donau- und Karpatenraum


Von Katalin Gönczi und Wieland Carls unter Mitarbeit von Inge Bily (IVS SAXONICO-MAIDEBVRGENSE IN ORIENTE. Das sächsisch-magdeburgische Recht als kulturelles Bindeglied zwischen den Rechtsordnungen Ost- und Mitteleuropas, Band 3), De Gruyter, Berlin 2013, VII + 223 Seiten, 1 Karte, Fest­einband


Zu den gemeinsamen Traditionen der europäischen Rechtskultur gehört das sächsisch-magdeburgische Recht. Dessen historische Rolle in Ostmitteleuropa wird unter der Leitung von Prof. Dr. Heiner Lück seit einigen Jahren im Rahmen eines interdisziplinären Forschungsprojektes an der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig untersucht. Als Teilergebnis dieser rechtshistorisch und sprachwissenschaftlich durchgeführten Forschungen1 ist vor Kurzem der Band zum Untersuchungsgebiet Ungarn und Rumänien erschienen. Um ein differenziertes Bild vom Verbreitungsgebiet des sächsisch-magdeburgischen Rechts in Ostmitteleuropa zu erhalten, untersucht Katalin Gönczi die Wege des Rechtstransfers im Donau- und Karpatenraum, während Wieland Carls die für den Rechtstransfer relevanten Quellen vorstellt. Ausgehend von der Vielfalt der Rechtskulturen im Donau- und Karpatenraum schildern die Autoren den komplexen Transfer des sächsisch-magdeburgischen Rechts.


Die Grundzüge der Rechtsentwicklung im mittelalterlichen Königreich Ungarn werden in der Einleitung anhand des Rechtspartikularismus und der Kodifikationsbestrebungen dargestellt, sowie die Rolle des ius commune im Königreich Ungarn, zum Beispiel die Rezeption des römischen Rechts bei den Siebenbürger Sachsen. Bei der Untersuchung werden rechtshistorische sowie wirtschafts- und sozialgeschichtliche Aspekte einbezogen, beispielsweise wird die königliche Politik gegenüber Gästen (hospites), der Landesausbau und auch dessen Auswirkung auf die Stadtentwicklung geschildert. Die Südostsiedlung der Deutschen konnte dabei in Zusammenhang mit der Rechtsstellung der Zipser und Siebenbürger Sachsen erörtert werden: Die in den Privilegien anerkannte freie Richterwahl sorgte für die autonome Rechtsstellung der Hospes-Gemeinden, da sie nach ihren alten und mitgebrachten Rechtsgewohnheiten leben konnten. Diese Hospes-Gewohnheiten bildeten die früheste Schicht des Stadtrechts im Königreich Ungarn.


In der späteren Phase der Stadtentwicklung waren im Königreich Ungarn Kaufleute aus süddeutschen Städten tätig, deren Rechtsgewohnheiten das Stadtrecht entscheidend prägten. Durch den Handel mit deutschen und polnischen Städten kamen dann jene Rechtsbeziehungen zustande, die zur Vermittlung von Normen aus deutschen Rechtsquellen führten.


Die Rechtsquellen der königlichen Freistädte Ofen und Pressburg, das Stadtrecht der Bergstadt Schemnitz sowie die Rechtsaufzeichnung der Zipser Sachsen wurden in die Untersuchung des Rechtstransfers einbezogen. Ein ausdrücklicher Hinweis auf das Magdeburger Recht am Anfang des Ofner Stadtrechtsbuches zeigt, dass das Magdeburger Recht im 15. Jahrhundert im Lande bekannt war. Auch Übernahmen aus dem Sachsenspiegel und dem Magdeburger Recht lassen sich an mehreren Stellen nachweisen. Etliche Quellen des sächsisch-magdeburgischen Rechts waren im Untersuchungsgebiet vorhanden – 
wie Wieland Carls’ Darstellung zeigt. So enthielt zum Beispiel der Hermannstädter Codex Altemberger, eine Handschrift aus dem 15. Jahrhundert, das Magdeburger Weichbild.


Mit der Forschungsgeschichte vom 19. Jahrhundert bis zur Gegenwart setzt sich das Buch ebenfalls auseinander. Vorgestellt werden die entscheidenden Tendenzen, Schulen und Thesen sowie die von der zeitgenössischen Politik geprägte Beurteilung des Einflusses des deutschen Rechts in Ungarn und Rumänien. Diese Analyse zeigt, dass gerade in der jetzigen intensiven Phase des europäischen Einigungsprozesses eine rege Auseinandersetzung mit dem Rechtstransfer vor Ort stattfindet, auf deren Erkenntnissen die Autoren jetzt aufbauen können.


Die Publikation wurde unter Mitwirkung von Inge Bily erstellt und zudem in Zusammenarbeit mit dem Leibniz-Institut für Länderkunde Leipzig um eine Basiskarte zum Untersuchungsgebiet und ein ausführliches Register der Orte, Personen, Sachen, Rechtsquellen und Handschriften ergänzt.


In jener multikulturellen Region Ostmitteleuropas, deren verfassungsrechtlichen Rahmen seit dem 11. Jahrhundert das Königreich Ungarn bildete, kann die jüngste Forschung Anknüpfungspunkte der damaligen europäischen Rechtskultur wiederfinden. Wie aus dem jetzt publizierten Länderband Ungarn und Rumänien ersichtlich ist, ist der Sachsenspiegel Eikes von Repgow zusammen mit dem Magdeburger Recht auch in den Rechtsordnungen im Donau- und Karpatenraum als ein »kulturelles Bindeglied« nachweisbar. Durch die hier beschriebenen Wege des Rechtstransfers wurde das sächsisch-magdeburgische Recht ein Teil der Rechtskultur und somit ein gemeinsames historisches Erbe in Ungarn und Rumänien.


  1. 1Siehe die vorherigen Projektbände: Ernst Eichler und Heiner Lück (Hg.), Rechts- und Sprachtransfer in Mittel- und Osteuropa. Sachsenspiegel und Magdeburger Recht. Internationale und interdisziplinäre Konferenz in Leipzig vom 31. Oktober bis 2. November 2003, Redaktion: Wieland Carls, Berlin 2008 (Ivs saxonico-maidebvrgense in oriente, Bd. 1); Inge Bily, Wieland Carls und Katalin Gönczi, Sächsisch-magdeburgisches Recht in Polen. Untersuchungen zur Geschichte des Rechts und seiner Sprache, Berlin/Boston 2011 (Ivs saxonico-maidebvrgense in oriente, Bd. 2). Weitere Publikationen des Projekts sind zugänglich unter http://www.magdeburger-recht.eu (6.2.2014).
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Heft 12 (2014)
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1867-7061

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