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Jüdische Kultur als europäische Tradition

Die Enzyklopädie jüdischer Geschichte und Kultur im Kontext

Das Vorhaben der Sächsischen Akademie der Wissenschaften »Europäische Traditionen – Enzyklopädie jüdischer Kulturen«, seit 2007 im Akademienprogramm gefördert, widmet sich der Erschließung der jüdischen Lebenswelten Europas von der Frühen Neuzeit bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts. Hierzu greift das im Simon-Dubnow-Institut für jüdische Geschichte und Kultur angesiedelte Projekt die Forschungsagenda des Instituts auf und entwickelt diese weiter. Ausdruck dessen ist die im Modul 1 (Laufzeit sieben Jahre) des Vorhabens konzipierte Enzyklopädie jüdischer Geschichte und Kultur, die sieben Bände umfasst und in den Jahren 2010–2013 in Zusammenarbeit mit dem Verlag J. B. Metzler, Stuttgart, in deutscher Sprache veröffentlicht wird. Ihr Herausgeber ist Dan Diner, Direktor des Simon-Dubnow-Instituts. 800 alphabetisch geordnete Einträge in der Länge von einer bis zu zehn Druckseiten, ergänzt um Verweise, Abbildungen und Karten, verteilen sich auf sechs Bände von jeweils 600 Seiten; hinzu kommt ein ausführlicher Registerband, der ein Personen-, ein Orts- und ein Sachregister enthält.

Die Erarbeitung der Enzyklopädie steht im Zentrum des Vorhabens. Hinzu kommen die Editionen von Werken und Quellensammlungen, die in den Modulen 2 und 3 (Laufzeit fünfzehn bzw. achtzehn Jahre), den Publikationsreihen Bibliothek bzw. Archiv jüdischer Geschichte und Kultur, mittels Werkverträgen an externe Bearbeiter vergeben werden. In der Reihe Bibliothek werden Werke der jüdischen Wissensgeschichte ediert. Ihre Themen betreffen das Staats- und Völkerrecht ebenso wie die Gesellschafts-, Geistes- und Naturwissenschaften. Das Archiv dient der Erschließung von ausgewählten Quellenbeständen (Dokumenten, Manuskripten, Briefen, o. ä.). Grundsätzlich werden die Editionen parallel zu den Themengebieten oder gar exakt zu den Themen einzelner Einträge der Enzyklopädie konzipiert und erarbeitet.1

Ein solches im weiteren wie engeren Sinne enzyklopädisches Unterfangen steht innerhalb der internationalen Jüdischen Studien – ihren Traditionen und ihrer Gegenwart – nicht allein. Doch weist es Spezifika auf, mit denen es sich von früheren wie aktuellen Werken vergleichbarer Art signifikant unterscheidet.

1. Zur Publikationsgeschichte jüdischer Enzyklopädien

Um bei modernen Enzyklopädien zum Judentum und zu jüdischer Geschichte und Kultur zu bleiben: Die Ideen zu solchen Werken reichen in das 19. Jahrhundert zurück. Ihre Umsetzung fanden sie in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts, in denen gleich mehrere große jüdische Enzyklopädien erschienen.

Bereits das erste moderne Werk dieser Art, The Jewish Encyclopedia (s. u.), gab ebenso einen schon vorliegenden Kanon wieder, wie sie einen solchen in neuer Form etablierte. Exemplarisch und besonders deutlich lassen sich bereits an diesem Beispiel Aspekte benennen, die auch für alle anderen Enzyklopädien von Interesse sind: der Aspekt der Entstehungszeit, des Kontexts und der Motive der Begründung eines Werks; der Aspekt der behandelten Zeit, des Korpus, der Auswahl und der Präsentation der Stoffe. Vor allem der zur Geltung gebrachte (zugrunde gelegte, verdichtete oder neu generierte) Kanon ist wesentlich für die Bedeutung einer Enzyklopädie; stets sind solche Werke Teil und Ausdruck eines Diskurses. Immer kommunizieren sie mit anderen wissenschaftlichen Textarten (Aufsätzen, Monographien) oder eben auch untereinander. Gerade für das große, jedoch noch überschaubare Feld der Judaistik, moderner: der Jüdischen Studien, ist das Phänomen der Intertextualität gut beobachtbar. Am Grad der Identität, der Nähe oder des Revirements der in verschiedenen jüdischen Enzyklopädien abgedruckten Texte werden Kontinuitäten, Aktualisierungen und Akzentverschiebungen oder Brüche und Neukonstituierungen des Kanons ersichtlich.

Die Nähe der in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts publizierten enzyklopädischen Werke zu Judentum, jüdischer Geschichte und Gegenwart untereinander ist offenkundig.2 Sie greifen auf Wissensbestände des Jahrhunderts zuvor zurück, übersetzen diese in andere Sprachen und die Struktur von Artikeln und fügen neue und aktuelle Informationen hinzu. Wie die Geschichte der drei Fassungen der Encyclopaedia Judaica (Berlin 1928–34, Jerusalem 1971, Detroit 2006) zeigt, finden Teile dieser Textbestände wörtlich gar bis ins 21. Jahrhundert hinein Verwendung.

Den Anfang machte die in den Jahren 1901–1906 in New York veröffentlichte The Jewish Encyclopedia.3 Mit ihren 12 Bänden, 8 570 Seiten, 16 600 Einträgen und 2 460 Abbildungen ist sie, von einer Redaktion von mehreren Gelehrten angeleitet und von 600 Autoren verfasst, ein Monument der Durchdringung und Erschließung der Geschichte und der zeitgenössischen Gegenwart des Judentums und der Juden. In enzyklopädischer Form handelt es sich um die Quintessenz der – vor allem deutschsprachigen – Wissenschaft des Judentums in englischer Sprache. Die seit dem zweiten Drittel des 19. Jahrhunderts betriebene Wissenschaft des Judentums stellt das Projekt einer von Juden betriebenen Judaistik dar. Von Anfang an verstand sie sich als Antwort auf die Herausforderungen einer neuen Ära. Dem Zeitalter der Emanzipation entsprungen und verpflichtet, suchte sie ein modernes Bild des Judentums zu entwerfen. Dabei griff sie das als Signum der Epoche verstandene wissenschaftliche und insbesondere das historische Denken auf, um mittels solcher Neudefinitionen ein integrales jüdisches Selbstverständnis zu bewahren. Während die aufwendige, kostenintensive Lexikalisierung dieser Wissensbestände in Europa zunächst nicht zustande kam, gelang es dem Wiener jüdischen Journalisten Isidore Singer (1859–1939), in den Vereinigten Staaten Förderer für ein solches Projekts zu gewinnen. Die entsprechend in Amerika publizierte erste große jüdische Enzyklopädie der Moderne erschloss am Anfang des 20. Jahrhunderts einer breiten Leserschaft die in den Jahrzehnten zuvor entstandene Tradition. Ebenso wie die Wissenschaft des Judentums nie ein statisches Gebilde war, sondern sich implizit oder explizit stets den Fragen der Zeit gestellt hatte, so bezog auch The Jewish Encyclopedia unverkennbar die zeitgenössischen Herausforderungen ein: die christlich dominierte Bibelwissenschaft, den Rassediskurs, die christliche Unkenntnis des Judentums wie den Antisemitismus. Die Tatsache der Existenz einer solchen Enzyklopädie war von hoher zeitgenössischer Wirkung und Bedeutung für das jüdische Selbstverständnis. Noch heute überzeugt sie als herausragendes Dokument ihrer Zeit ebenso wie aufgrund der Permanenz ihrer Inhalte.4

Nicht zuletzt motivierte sie zur Publikation von vergleichbaren Werken in weiteren von Juden verwendeten Sprachen. Während das in Russland unternommene Projekt einer jiddischen Enzyklopädie scheiterte, erschienen wenig später eine hebräisch- sowie eine russischsprachige Enzyklopädie. Ebenfalls in New York wurde in den Jahren 1907–1913 in zehn Bänden die hebräische Enzyklopädie Otsar Yisrael publiziert. Ihr Herausgeber, Judah David Eisenstein (1854–1956) war im Alter von achtzehn Jahren aus Polen nach Amerika eingewandert. Für die von ihm vollständig edierten Bände verpflichtete er über 200 Autoren, griff aber auch auf große Textteile der Jewish Encyclopedia zurück. Trotz einiger Mängel verkaufte sich diese Enzyklopädie gut, wohl nicht zuletzt aufgrund ihrer allgemeinverständlichen Anlage, und erfuhr mehrere Nachdrucke.

Zeitgleich erschien in den Jahren 1908–1913 die Evreiskaia Entsiklopediia. Sie weist in 16 Bänden auf insgesamt 7 600 Seiten 12 000 Einträge auf, die von 150 Autoren verfasst wurden. In St. Petersburg im Verlag Brockhaus-Efron veröffentlicht, richtete sie sich an die potentiell größte jüdische Leserschaft jener Zeit – die Juden des Russländischen Reichs. Aus ihrem amerikanischen Vorgänger übernahm sie zahlreiche Artikel; konzentrierte sich aber vor allem auf authentische Informationen über osteuropäische jüdische Geschichte. Die Tradition der Wissenschaft des Judentums wurde so bereits durch spezifische historische wie politische Gesichtspunkte der osteuropäischen Judenheiten erweitert; dafür steht auch Simon Dubnow als Mitherausgeber des ersten Bandes. Zum Teil fanden ihre Artikel wiederum in der Berliner Encyclopaedia Judaica Verwendung.

Ein Jahr vor deren Publikationsbeginn erschien 1927 der erste Band des Jüdischen Lexikons, das im Jüdischen Verlag Berlin veröffentlicht und bis 1930 abgeschlossen wurde. Seine fünf Bände weisen 3 900 Seiten mit 15 000 Einträgen auf. Mit dieser kleinteiligen Lemmatisierung orientierte es sich somit vor allem am Konversationslexikon, etwa dem Brockhaus. Das Lexikon verstand sich als Referenzwerk zu Fragen jüdischer Geschichte und der zeitgenössischen Situation der Juden nach dem Weltkrieg. Unverkennbar kommen hier, neben der gebotenen lexikalischen Objektivität, postassimilatorische wie zionistische Perspektiven zum Ausdruck; der längste Artikel galt mit fast fünfzig Seiten Umfang »Palästina«. Der Initiator und durchgängige Herausgeber Georg Herlitz (1885–1968) war Archivar der zionistischen Bewegung und Biograph Herzls; bewusst wurden des Weiteren sieben Fachherausgeber unterschiedlicher Provenienz eingestellt, um für eine repräsentative Ausrichtung des Werks Sorge zu tragen. So klärte das Werk deutschsprachige Juden über die wichtigsten Aspekte des Judentums wie über jüdische politische Angelegenheiten auf, würdigte die Judenheiten Osteuropas genauso wie die Amerikas und Westeuropas und stellte bedeutende jüdische Persönlichkeiten heraus.

Um den gleichen Markt rivalisierte die in den Nachkriegsjahren von Jakob Klatzkin (1882–1948) und Nahum Goldmann (1895–1982) ersonnene und realisierte Encyclopaedia Judaica. Die Erfahrungsgeschichte der Herausgeber wurde für das Werk charakteristisch. Goldmann wie Klatzkin entsprangen noch einem traditionellen religiösen Hintergrund, waren vom östlichen Europa nach Deutschland migriert, waren zionistisch gesonnen (Klatzkin weit entschiedener als Goldmann) und wiesen ebenso ein ausgeprägtes historisches Bewusstsein für die osteuropäisch-jüdische Erfahrung auf wie sie mit der deutsch-jüdischen Kultur vertraut waren. Ihrer Einigung mit den Betreibern des Jüdischen Lexikons über eine gemeinsame Marketing-Strategie verdankt sich eine klar unterscheidbare Anlage der beiden Werke. Gegenüber der populäreren Anlage des Mitstreiters wurde für die Encyclopaedia Judaica eine auf fünfzehn Bände berechnete monumentale Ausrichtung vorgesehen. Inhaltlich stand sie für eine aktualisierte – eben auch politisch motivierte – Fortführung der Wissenschaft des Judentums. Allerdings konnte das Werk nicht mehr vollständig veröffentlicht werden. In den Jahren 1928–1934 erschienen im ansonsten nur in hebräischer Sprache publizierenden Eschkol-Verlag zehn Bände (Aach–Lyra); von der von vornherein geplanten hebräischsprachigen Version wurden nur noch die ersten beiden Bände publiziert. Im nationalsozialistischen Deutschland war die Fortsetzung der Produktion unmöglich. Bereits zuvor hatte es für das kostenintensive Projekt angesichts der Weltwirtschaftskrise schlecht gestanden. Überhaupt hatte das Unternehmen nur aufgrund der großzügigen Finanzierung deutsch-jüdischer Bankiers sowie der Gewinnung zahlreicher jüdischer Gemeinden als Subskribenten begonnen werden können; nach 1931 stellte noch einmal Salman Schocken erhebliche finanzielle Unterstützung zur Verfügung. Die letztlich erschienenen zehn Bände zu je 500 Seiten wurden unter der Chefredaktion von Klatzkin von zwanzig Abteilungsherausgebern betreut und in der Zentralredaktion in Berlin von mehreren Mitarbeitern redigiert. Nach dem Anspruch der Initiatoren entstand hier eine »panjüdische nationale Enzyklopädie«, deren über 300 in Amerika, im östlichen wie westlichen Europa und bereits in Palästina ansässigen Autoren das Spektrum jüdischer religiöser wie politischer Orientierungen repräsentierten. Unter ihnen befinden sich heute berühmte, ihrerseits erforschte Gelehrte wie Salo Baron, Franz Rosenzweig, Cecil Roth, Gershom Scholem oder Ignaz Schipper. Den Herausgebern zufolge diente das vermittelte Wissen vor allem der jüdischen nationalen Erneuerung. Das galt insbesondere für die akkulturierten Juden Westeuropas, die unterstützt werden sollten, ihre jüdischen Wurzeln und Traditionen wiederzuentdecken. Angeregt von Ideen Achad Haams (1856–1927)5 und Chaim N. Bialiks (1873–1934) über die Etablierung eines neuen Kanons, sollte das Korpus der publizierten Texte eine Einheit verkörpern, mit dem die Einheit einer Nationalität (unterschiedlicher, aber einander verbundener Judenheiten) korrespondierte. Nicht zuletzt Einträge zu jüdischen Persönlichkeiten entsprachen diesem Konzept. Generell sind sie in fast allen jüdischen Enzyklopädien und Lexika (nicht aber in der der Frühedie jüdischer Geschichte und Kultur) anzutreffen und machen dort einen erheblichen Teil des Stichwortgutes aus.

Den – nur vorläufigen – Abschluss einer Ära markiert die in den Jahren 1939–1943 wiederum in New York veröffentlichte Universal Jewish Encyclopedia. Hervorgegangen aus der Initiative des Rabbis und Herausgebers Isaac Landman (1880–1946), wählte sie das Jüdische Lexikon zum Vorbild. Aus diesem übernahm sie, wenn auch einer anderen Agenda – dem jüdisch-christlichen Ausgleich – verpflichtet, größere Teile. In zehn Bänden und 10 000 Artikeln fasste sie noch einmal den Wissensstand jener Zeit in einem vergleichsweise populären Stil zusammen.

Mehrere kleinere jüdische Enzyklopädien und Lexika erschienen in den Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg. Nunmehr galt es nicht zuletzt, die Katastrophe der Shoa, ferner auch die Tatsache der Gründung des Staates Israel zu reflektieren. Zum bedeutendsten Werk wurde hier die nun in englischer Sprache 1971/72 in Jerusalem (Keter Verlag) veröffentlichte Encyclopaedia Judaica. Die vollständig und zeitgleich veröffentlichten 16 Bände wurden unter anderem von Cecil Roth herausgegeben und von 2 000 Abteilungsredakteuren und Mitarbeitern erarbeitet. Bewusst wurde der Titel des Berliner Vorgängers übernommen. Die israelische Version rezipierte dessen Textkorpora und brachte das einst unvollendet gebliebene Werk zum Abschluss. Nicht zuletzt über Nahum Goldmann, der sich für die Neufassung einsetzte, war sie mit der deutschsprachigen Ausgabe der Weimarer Ära verbunden. Mit ihren 25 000 Artikeln auf 12 000 Seiten war die Jerusalemer Encyclopaedia Judaica bis zum Ende des 20. Jahrhunderts die maßgebende Institution zu Judentum und Juden in Geschichte und Gegenwart.

2. Zu aktuellen jüdischen Enzyklopädien

Wie andere Enzyklopädien und Lexika auch, sind entsprechende Werke zu Judentum und Juden auf eine lang währende Gültigkeit berechnet. Zugleich ist von Zeit zu Zeit der Bedarf der Aktualisierung spürbar. So ist für die gegenwärtige Ära jüdischer Enzyklopädien zum einen kennzeichnend, dass sie durch Neuauflagen sowohl die Kontinuität etablierter Wissensbestände, ja anerkannter Autorenschaft wahren, diese aber behutsam ergänzen und durch neue Beiträge erweitern. Dies gilt für die Encyclopaedia Judaica, die somit den Anspruch des Leitmediums aufrecht erhält. Abzuwarten bleiben die Ergebnisse der Initiative, die ein Jahrhundert alte, heute vollständig und kostenfrei im Internet verfügbare Jewish Encyclopedia durch ihre Leser aktualisieren zu lassen. Zum anderen besteht offenkundig der Bedarf, neben der allumfassenden, eigentlich Vollständigkeit beanspruchenden Enzyklopädie noch solche zu erarbeiten, die es vermögen, bestimmte Akzente zu setzen und größere Ausführlichkeit und Konsistenz in Bezug auf ein spezifisch zugeschnittenes Thema zu erzielen. Jüngere Werke kennzeichnet hierbei zum einen das Interesse an der Religion, zum anderen das der Würdigung jüdischer historischer Präsenz in einer bestimmten Region.

Fraglos sind alle jüngeren Werke Reflexion einer neuen Ära. Das Ende des Kalten Krieges hat das Interesse an älteren Räumen und ihren Zeiten wieder hervortreten lassen. Das gilt nicht zuletzt für die Regionen Ost-, Ostmittel- und Mitteleuropas als den jahrhundertelangen Hauptsiedlungsgebieten der Juden. Hinzu kommt die anhaltende Herausforderung des Holocausts; dessen Reflexion zeitigt eine Erweiterung des Interesses, das sich über die engere Geschichte der Shoa hinaus zunehmend den vormaligen – traditionellen wie modernen – Lebenswelten der Juden zuwendet.

Maßstab aller enzyklopädischen Publikationen zu Judentum und Juden bleibt die Encyclopaedia Judaica, die 2006 in Detroit (Thomson/Gale) in zweiter Auflage (bezogen auf den Jerusalemer Vorgänger) erschien. In 22 Bänden weist sie nun auf 17 000 Seiten mehr als 21 000 Einträge auf. Von diesen sind nach den Angaben der Herausgeber ca. 2 600 vollständig neu, 11 000 Artikel wurden aktualisiert. Die Bibliographien der Einträge wurden, wo sinnvoll, ergänzt. Die Ergänzung bestehender Artikel und die wörtlich unveränderte Übernahme von über 7 000 Einträgen, die somit ein Drittel dieser Auflage ausmachen, können als Bestätigung des Anspruchs aller Enzyklopädien gelten, zeitlos gültiges Wissen zu präsentieren. Es wäre eine Aufgabe der Forschung, diese Tradition über die Jerusalemer bis auf die Berliner Encyclopaedia Judaica, ja noch bis auf deren Vorgänger, zurückzuverfolgen.

Judentum vor allem verstanden als jüdische Religion ist das Thema der Encyclopedia of Judaism, die 2000 in drei Bänden (Leiden: Brill) erschien. Mit einer geringen Zahl von 115 Einträgen, verteilt auf insgesamt ca. 1 600 Seiten, ging es den Herausgebern Jacob Neusner, Alan J. Avery-Peck und William Scott Green darum, die jüdische Religion in Geschichte und Gegenwart in einer Differenziertheit und Tiefe darzustellen, die in den größeren Werken nicht erreicht wurde.

Die 2008 veröffentlichte YIVO Encyclopedia of Jews in Eastern Europe beabsichtigt, das Referenzwerk zu allen Aspekten der Geschichte und Kultur der Juden im östlichen Europa vom Beginn der Ansiedlung bis zur Gegenwart zu sein. Indem die 1 800 Einträge, die sich auf zwei Bände und 2 400 Seiten verteilen, spezifisch die Perspektive der osteuropäischen Judenheiten einnehmen, bringen sie ihre Geschichte und Kultur stärker als zuvor zur Geltung. Herausgegeben von Gershon David Hundert und von 450 Gelehrten verfasst und ediert, vermitteln die Beiträge Hinweise auf das Leben jüdischer Ahnen. Darüber hinaus ist eine breite Leserschaft angesprochen, die an der ›World Before‹, der Welt osteuropäischer Juden vor ihrer Zerstörung durch das nationalsozialistische Deutschland, interessiert ist.

Ein enzyklopädisches Werk, das spezifisch den Juden in den Ländern des Islams gilt, hat bisher gefehlt. Diese Lücke wird die von Norman A. Stillman herausgegebene Encyclopedia of Jews in the Islamic World schließen, die ab 2009 in fünf Bänden (Leiden: Brill) erscheint. Mit ihren ca. 2 750 Einträgen ergänzt sie die intensive enzyklopädische Erschließung des Islam um die Perspektive jüdischer Geschichte, Religion und Kultur in dieser Region. Fraglos erinnert dieses Pionierwerk implizit an die lange Präsenz von Juden in den muslimischen Ländern – eine Tradition, die durch den Nahostkonflikt weitgehend abbrach und um so dringlicher zu vergegenwärtigen ist.

3. Vor dem Erscheinen: Die Enzyklopädie jüdischer Geschichte und Kultur

Die im Rahmen des Akademieprojekts im Simon-Dubnow-Institut in Leipzig konzipierte Enzyklopädie jüdischer Geschichte und Kultur (EJGK) nimmt im Kontext der vergleichbaren älteren wie jüngeren Werke einen genau bestimmten Ort ein. Mit ihrem relativ kleinen Stichwortgut von 800 Einträgen sucht sie weder die Religion noch einzelne Regionen oder wichtige Persönlichkeiten des Judentums und der Judenheiten vollständig und im Detail zu erfassen. Doch ist sie vor allem in einer Hinsicht sehr wohl einem umfassenden Ansatz verpflichtet: der Intention, die Geschichte und Kultur der Juden in ihrer Bedeutung für das Verständnis der Moderne zu erschließen. Zwar geht es auch um das Judentum, um Juden und Judenheiten an sich, vor allem aber darum, jüdische Geschichte von der Frühen Neuzeit bis in die Zeitgeschichte hinein hinsichtlich ihres allgemeinen Erkenntnispotentials darzulegen. Im Kreis der zuvor skizzierten Enzyklopädien ist sie in dieser Absicht womöglich die universellste.

Ganz wie das Leipziger Forschungsinstitut eine intensive Erforschung der jüdischen Geschichte und Kultur betreibt, diese aber vor allem hinsichtlich ihrer Bewandtnis für die allgemeine Geschichte befragt, so ist die hier entstehende Enzyklopädie eben diesem Gedanken verpflichtet. Zugleich entspricht sie auf diese Weise ganz dem Akademienprogramm der Erschließung, Sicherung und Vergegenwärtigung des europäischen kulturellen Erbes. Nicht zuletzt anhand der jüdischen Vergangenheit, des jüdischen – historischen, kulturellen wie materiellen – Erbes scheint sich Europa selbst zu befragen und zu spiegeln. So wie ein Erbe stets aufgrund von Gedächtnissen und Fragestellungen, die in einer neuen Zeit neu aufscheinen, von Interesse ist, so nimmt die EJGK die vorrangig behandelte neuere Geschichte der Juden (1750–1950) aus einem zeitlichen Abstand wahr, der Phänomene aufscheinen lässt, die den Zeitgenossen in dieser Form sehr wohl präsent sein konnten, aber nicht unbedingt mussten. Gegenüber den großen jüdischen Enzyklopädien vom Anfang des 20. Jahrhunderts liegt ihre Zeitgebundenheit nicht im Motiv jüdischer Selbstbehauptung gegenüber Nationalismen und Antisemitismen oder der Selbstverortung zwischen Assimilation und Zionismus. Vielmehr geht es um die Vergegenwärtigung von Lebenswelten einer transnationalen Bevölkerungsgruppe, die in besonderer Weise die Moderne mit ihren Herausforderungen und Chancen wie ihren Gefahren erfuhr.

Einer solchen Absicht entspricht die intensive Auseinandersetzung um das Stichwortgut. Der Projektleiter und Herausgeber Dan Diner und die als Fachredakteure tätig werdenden Mitarbeiter des Vorhabens haben hierzu intensive Diskussionen geführt und dezidierte thematische Recherchen unternommen. Unter anderem kam die Verfahrensweise des ›bottom up‹ zur Anwendung: Die Tradition sowie der größtmögliche Kanon wurden anhand der Stichwortliste des Jüdischen Lexikons6 und des Artikelverzeichnisses der jüngsten Auflage der Encyclopaedia Judaica rezipiert. Ausschlaggebend war jedoch die Bestimmung leitender Fragestellungen und thematischer Zugänge. Aufgrund der hier getroffenen Vorgaben (›top down‹) wurden wesentliche Stichworte, vor allem die Schlüsseleinträge und um diese herum die wichtigsten Themengebiete benannt. Ließ der Abgleich mit dem Stichwortgut der genannten Werke die Zahl potentieller Einträge zwischenzeitlich auf weit über 1 500 anwachsen, wurde diese im Zuge der fortlaufenden Präzisierung des Charakters der EJGK auf die Hälfte reduziert. Wesentlich war die Frage, inwieweit ein möglicher Eintrag die für das Judentum als signifikant erachteten Merkmale der Textualität und des Wissens sowie der autonomen Institutionen und ihrer modernen Entsprechungen zum Ausdruck bringt. Von Bedeutung war hierbei die Vergegenwärtigung von traditionellen und sakralen sowie modernen und profanen Lebenswelten, der zwischen ihnen auftretenden Brüche ebenso wie der durch Transformationen bewirkten Kontinuitäten.

Damit einher geht die spezifische Gestalt der Artikel. Diese weisen nicht selten die Funktion einer Trope auf: Der gewählte spezifische, oft ikonische Begriff steht für einen größeren, tieferen Zusammenhang, den der Artikel, ausgehend von der durch das Lemma erzeugten Resonanz, entfaltet. Herausgeber und Redaktion haben die Vorgehensweisen und Arbeitsabläufe in einer ausführlichen Information für die Autorinnen und Autoren der Enzyklopädie zusammengestellt. Hieraus werden im Folgenden unter 4. wesentliche Teile zur weiteren Erläuterung der Ziele und Methoden wiedergegeben.

Nach der Bestimmung der Konzeption und des Bestandes an Einträgen hat die Redaktion seit dem Sommer 2008 geeignete Autorinnen und Autoren in Europa, Nordamerika und Israel kontaktiert; bis Februar 2009 wurden für das erste Drittel aller Einträge die Autorenverträge geschlossen. Die Artikel werden von voraussichtlich 500 Autorinnen und Autoren verfasst. Jeweils etwa die Hälfte aller Manuskripte wird auf Deutsch bzw. Englisch geschrieben. Hinzu kommen einzelne Manuskripte in französischer, hebräischer und russischer Sprache. Mit dem Redigieren der eingetroffenen Artikel für Band 1 und 2 wurde im März 2009 begonnen.

4. Aus der Autoreninformation der Enzyklopädie jüdischer Geschichte und Kultur7

4.1 Zeitlicher und räumlicher Fokus

Der Schwerpunkt der Enzyklopädie liegt auf den Jahrhunderten der neueren Geschichte der Juden (1750–1950), wobei das 19. Jahrhundert eine Art epistemischen Fluchtpunkt darstellt – sei es in politischer, wissensgeschichtlicher oder religionsgeschichtlicher Hinsicht. Über diesen Periodisierungsrahmen hinaus werden auch vorausgegangene Zeiten einbezogen, die hinsichtlich des Verständnisses und der Interpretation der religiös geprägten Lebenswelten wie der vormodernen Geschichte der Juden unentbehrlich sind. Berücksichtigt werden daher das Korpus und die Auslegungen der sakralen Literatur ebenso wie spezifische jüdische Epochen und ihre Räume: So stehen die Einträge »Diaspora« für die Spätantike; »Islam« für die vornehmlich hermeneutische arabisch-jüdische Symbiose des Mittelalters; »Aschkenas« für die rheinischen und nordfranzösischen Lebenswelten des Mittelalters und ihre rabbinische Wissensproduktion; »Sefarad« für den Übergang vom Mittelalter in die Neuzeit im Kontext der Vertreibung der Juden von der Iberischen Halbinsel und für die Orte ihrer Neuansiedlung. Ihren zeitlichen Abschluss findet die Enzyklopädie in dem Jahrzehnt nach der Shoa. Anhand des Blicks auf die zerstörten Lebenswelten der europäischen Judenheiten nach dem Zweiten Weltkrieg, auf die Lage der Displaced Persons, die Nachkriegsprozesse, die Bemühungen um Restitution, die expliziten wie impliziten Reflexionen des Holocaust in Literatur und Theorie sowie die Verlagerung der Zentren jüdischen Lebens nach Amerika und Israel wird das Ende einer Ära der Juden in Europa thematisiert, die in der Zeit der Aufklärung ihren Anfang genommen und europäische Traditionen ausgebildet hatte.

Der räumliche Fokus der Enzyklopädie richtet sich auf Europa – auf die westeuropäischen Nationalstaaten ebenso wie auf die Räume der multiethnisch und multikonfessionell gefügten Imperien der Habsburger, der Romanows und der Osmanen sowie ihrer Nachfolgestaaten, in denen die große Mehrheit der Judenheiten lebte. Darüber hinaus werden die Siedlungsräume der Juden im Vorderen Orient und Nordafrika angemessen berücksichtigt; insbesondere über die von Europa ausgehende Migration, über Transfer und Transformationen lebensweltlicher wie intellektueller Traditionen werden Amerika und weitere außereuropäische Räume erschlossen.

4.2 Ausgangsfrage

Grundlegend für die Enzyklopädie ist das Phänomen der Säkularisierung. Die neuere Geschichte der Juden wird insbesondere hinsichtlich des Verhältnisses von Tradition und Moderne, Sakralität und Profanität befragt. Von besonderem Interesse ist das Heraustreten von Juden aus der traditionellen Autonomie in die Staatsangehörigkeit, aus der Hermeneutik des sakralen Texts in die Wissenschaften, aus dem Gesetz (der Offenbarung) in die Geschichte, aus dem Glauben (am yisra’el) in ethnische Kategorien (am yehudim als auch die geg kommen die vormoderne Verfasstheit des Judentums als Religion, die moderne Geschichte der Juden als Individuen sowie die vormoderne wie moderne Geschichte der kollektiven oder unterschiedlich ethnisch geprägten Judenheiten in den jeweiligen regionalen Kontexten.

Diese Leitfragen wurden entlang folgender Themenfelder recherchiert: Alltagskultur/Lebenswelt, Antisemitismen, Autonomie, Bildende Kunst und Architektur, Buchdruck/Verlagswesen, Diplomatie, Gender, Geschichte, Haskala, Hermeneutik, Holocaust, Islam, Kino/Film/Radio/TV, Literatur, Musik, Philosophie, Politik, Räume und Zeiten, Recht, Religiöse Strömungen, Ritus, Sakralität und Tradition, Sport, Sprachen, Theater, Theorie, Wirtschaft und Soziales, Wissenschaft, Zeitschrift/Zeitung/Presse.

4.3 Darstellungsweise und Methoden

Die Enzyklopädie jüdischer Geschichte und Kultur ist nicht als Realenzyklopädie intendiert. Sie weist eher den Charakter eines Handbuchs auf. In ihrem Zentrum steht, entlang der Ausgangsfrage, die Interpretation jüdischer Geschichte und Kultur. Sie bietet nicht nur Informationen zu den nachgeschlagenen Themen an, sondern will darüber hinaus den Leser(inne)n neue und überraschende Blicke auf den Gegenstand vermitteln, sie auf zuweilen unerwartete Einträge verweisen und zu neugierigem Blättern einladen.

Alle Beiträge sind stets dem Signifikanten und Emblematischen verpflichtet. Aufgrund dieser Konzeption sind die Stichworte in vielen Fällen gerade so ausgewählt, dass sie ein Phänomen auf den Begriff, nicht unter einen Begriff bringen. Das Lemma wird als Prisma verstanden, in dem sich der Gegenstand bündelt und zugleich in seiner Vielschichtigkeit darstellt. Es setzt Assoziationen und geschichtliche Bedeutungen frei. Auf diese Weise lassen sich Phänomene zusammenfassend darstellen, die ansonsten dem enzyklopädischen Blick entgehen. Hierzu wurden auch ungewöhnliche Lemmata ausgewählt, die eine produktive Spannung zwischen Stichwort und Gegenstand erzeugen (Bsp.: »Auferstehung« für Mahler; »Judenfrage« für Marx, »Autoemanzipation« für Pinsker und autoemanzipatorische Bestrebungen im Zarenreich). Bereits die Exposition, die am Anfang jeden Artikels steht, soll in 2–3 Sätzen die Bedeutung des Gegenstandes entfalten.

Personennamen werden nicht als Lemmata aufgenommen, da dem Konzept der Enzyklopädie gemäß nicht die Biographie einer Person im Vordergrund steht. Wesentlich für die Auswahl und Benennung von Einträgen, die Personen behandeln, sind vielmehr ihre signifikanten Werke (oeuvres de mémoire), Denkfiguren und Theorien, von ihnen geprägte Begriffe oder Metaphern sowie Institutionen oder Orte ihres Wirkens. Beispiele für solche Einträge, die in der Regel den Umfang von Dachartikeln aufweisen, sind »Bi’ur« (für Mendelssohn), »Dialektik der Aufklärung« (für Horkheimer / Adorno), »Altneuland« (für Herzl), »Board of Deputies of British Jews« (für Montefiore) oder »Prag« (für Kafka).

Ortsnamen werden nur dann aufgenommen, wenn sie als jüdische lieux de mémoire gelten können. Es handelt sich hier also um geographische Orte, an denen jüdische Erinnerung aufgespeichert ist. Die entsprechenden Einträge bezeichnen bedeutende jüdische kulturelle Zentren (Mantua, Safed, Wien), Durchgangs- und Zielpunkte von Migrationsbewegungen (Bremerhaven, Ellis Island, Buenos Aires, Mexiko-City), negative Erinnerungsorte (Auschwitz, Theresienstadt, Drancy), Orte und Ereignisse der jüdischen Diplomatiegeschichte (Genf, Evian) oder der Theoriegeschichte (Pacific Palisades) u. v. m. Stets handelt es sich dabei um Kristallisationspunkte jüdischer Geschichte und Kultur, die zusammen genommen eine mental map jüdischer Erfahrung in der Moderne ergeben.

Auch die Abbildungen sollen das Konzept der Enzyklopädie widerspiegeln. So sollen einerseits bekannte Erinnerungsikonen, andererseits unerwartete oder eher unbekannte Abbildungen verwendet werden. Neben ihrer ästhetischillustrativen Qualität sollen die Abbildungen grundsätzlich als Text lesbar sein. Sorgfältige Bilderläuterungen vermitteln die Bedeutung der jeweiligen Abbildung und setzen sie in Beziehung zum zugehörigen Eintrag.

Die Enzyklopädie ist genderspezifischen Fragestellungen an die jüdische Geschichte verpflichtet. Die Autor(inn)en werden gebeten, ihr Thema bezüglich geschlechtsspezifischer Aspekte zu prüfen und diese ggf. zur Darstellung zu bringen.

4.4 Aufbau, Artikelstruktur, Stil und Form

Die Auswahl und inhaltliche Bestimmung der 800 Lemmata (zuzüglich vieler Verweiseinträge) erfolgte anhand der oben genannten Themenfelder. Alle Themenfelder und ihre Lemmata stehen in einem präzise abgeglichenen Verhältnis zueinander. Dies betrifft die Auswahl, aber auch den Aufbau und Inhalt der Artikel. Um diese Festlegungen zu kommunizieren, wurden vom Herausgeber und der Fachredaktion für alle Artikel Schreibhinweise formuliert, die Bestandteil der Vereinbarung mit den Autor(inn)en sind.

Die Enzyklopädie jüdischer Geschichte und Kultur weist verschiedene Artikeltypen auf, die die konzeptionelle Gewichtung innerhalb des Werks spiegeln und die auf jeweils unterschiedliche Orientierungs- und Informationsbedürfnisse zugeschnitten sind. Generell wird der Vermittlung von Zusammenhängen der Vorrang vor der faktenorientierten Darstellung eingeräumt. Diese Kontextualisierung benötigt einigen Raum, weshalb die meisten Artikel der Enzyklopädie einen vergleichsweise großen Umfang erhalten werden.

Dennoch sollen die Artikel nicht essayistisch, sondern enzyklopädisch angelegt sein: Auf eine Exposition von wenigen Sätzen folgen, abhängig von Artikeltyp und konkretem Artikel, eine begriffsgeschichtliche Darlegung, analytische, chronologische, historiographische oder forschungsgeschichtliche Ausführungen; den Abschluss bildet eine Auswahlbibliographie. Alle Artikel sind über Verweise und Querverweise verbunden und erschließbar. Hinzu kommen Personen-, Orts- und Sachregister.

Schlüsselartikel dienen dazu, Grundphänomene der jüdischen Geschichte und Kultur ausführlich darzulegen und in ihrer Komplexität zu erschließen. Diese thematischen Artikel (wie »Diaspora«, »Gesetz«, »Liturgie«, »Zedaka«) weisen einen Umfang von bis zu 10 Druckseiten auf. Ihre Zahl ist auf 40 beschränkt.

Dachartikel bilden den Hauptbestand der Enzyklopädie. In ihrer Anlage den Schlüsselartikeln verwandt, behandeln auch die über 500 Dachartikel einzelne Phänomene in analytischer und kontextualisierender Weise. Sie weisen einen Umfang von 3 bis 6 Druckseiten auf. Beispiele für Dachartikel sind Einträge wie »Ahasver«, »Alliance Israélite Universelle«, »Bann«, »Zensur«, »Żydokomuna«.

Einzelartikel dienen der Präsentation von spezifischen Einzelaspekten im Umfang von 1 bis 2 Druckseiten. Sie sind vorwiegend faktographisch orientiert, größere Kontexte lassen sich mittels Verweisen auf korrespondierende Dach- oder Schlüsselartikel erschließen. Vorgesehen sind ca. 200 Einzelartikel, Beispiele sind »Anglo-Jewish Association«, »Borscht Belt«, »Yung Yidish«.

Stil und Argumentationsniveau der Artikel sollen so gestaltet sein, dass sie sowohl ein akademisches Fachpublikum als auch die gebildete Öffentlichkeit ansprechen. Den Leser(inne)n sollen auch komplexe Zusammenhänge nachvollziehbar vermittelt werden.

  1. 1Eine ausführliche Darstellung zu den beiden Editionsreihen des Vorhabens wird in einem separaten Beitrag derDenkströme erfolgen.
  2. 2Arndt Engelhardt, »Palimpsests and Questions of Canonisation. The German- Jewish Encyclopedias in the Weimar Era«, inJournal of Modern Jewish Studies 5 (2006), S. 301–321. Ich danke Arndt Engelhardt für weitere Hinweise.
  3. 3Die folgende Übersicht versteht sich als Auswahl einschlägiger Werke, um anhand dieser bestimmte Gesichtspunkte aufzuzeigen, die eine Verortung derEnzyklopädie jüdischer Geschichte und Kultur in der entsprechenden Publikationsgeschichte und Gegenwart ermöglichen. Für eine (bis in die 1980er Jahre) vollständige Übersicht siehe Shimeon Brisman, A History and Guide to Judaic Encyclopedias and Lexicons, Cincinnati 1987. Hieraus auch alle Daten zu den unter 1. genannten Werken.
  4. 4The Jewish Encyclopedia ist vollständig und kostenlos im Internet verfügbar: http://www.jewishencyclopedia.com/.
  5. 5Ahad Ha’am, »Über eine jüdische Enzyklopädie in hebräischer Sprache«, in ders., Am Scheidewege. Gesammelte Aufsätze, Bd. 1, Berlin 1923, S. 393–433.
  6. 6Diese wurde freundlicherweise vom Verlag Metzler zur Verfügung gestellt.
  7. 7Die Autoreninformation ist hervorgegangen aus der von Professor Diner vorgelegten Konzeption und spiegelt die redaktionelle Diskussion unter den Mitarbeitern Philipp Graf, Ulrike Kramme, Christian Otto, Regina Randhofer, Frauke von Rohden und Philipp von Wussow. Für weitere Hinweise danke ich Oliver Schütze vom Metzler-Verlag.
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Heft 2 (2009)
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1867-7061

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