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»Sapere aude« oder die Notwendigkeit der autonomen Vernunft 


Erwiderung auf den Beitrag von Johannes Bronisch


Johannes Bronisch, der 2010 eine herausragende Dissertationsschrift über den Wolffianismus in Mitteldeutschland veröffentlicht hat,1 verfolgt in seinem Aufsatz einige Intentionen, die ich durchaus teilen kann. So neigt die seit Jahren betriebene, in ihrem Anliegen durchaus berechtigte Klandestinenforschung dazu, das Bild zu vermitteln, dass radikales und heterodoxes Denken das geistige Profil des Aufklärungsjahrhunderts maßgeblich bestimmt habe. Die »Modernen aus dem Untergrund« (so der Titel eines Buches von Martin Mulsow) seien die tatsächlich dominierenden Köpfe der Zeit gewesen, ihre Schriften hätten das Feld beherrscht und eben die Moderne eröffnet. Dass Bronisch dieses Bild korrigiert, ist gut und richtig. Weniger überzeugend ist allerdings der von ihm vermittelte Eindruck, die heutige Forschung würde die Aufklärung auf die Dimension ihrer angeblich oder tatsächlich geübten Religionskritik reduzieren. Das etwas unglücklich gewählte Zitat des Bundesverfassungsrichters Udo Di Fabio am Beginn des Aufsatzes, das wahrscheinlich gar nicht das historische Phänomen Aufklärung meint, kann einen solchen Befund jedenfalls nur schwerlich belegen. Die seit einigen Jahrzehnten auch in Deutschland relativ intensiv betriebene Aufklärungsforschung ist thematisch wesentlich breiter aufgestellt. 


Worum es Bronisch jedoch hauptsächlich geht, ist der Beweis, dass es in der Aufklärung, von radikalen Gruppierungen abgesehen, keine Spannungen zwischen der Vernunft und der Religion gegeben habe (wobei ganz unreflektiert immer die christliche Religion gemeint ist). Repräsentanten der Aufklärung sans phrase sind für ihn die Vertreter der Leibniz-Wolffschen Philosophie, die wenigstens in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts die Universitäten und höheren Schulen Deutschlands (teilweise auch die des Auslandes) beherrscht hatten. Jegliche Behauptung, diese den Begriff der Aufklärung auf ihrer Fahne tragende Philosophie sei religionskritisch und letztendlich religionszerstörerisch gewesen, wird entschieden zurückgewiesen. Die Philosophie Christian Wolffs sei vielmehr »mit dem überkommenen Christentum und seiner Dogmatik kongruent« gewesen, so Bronischs Kernaussage. Der »ungeschmälerte Fortbestand christlicher Glaubensüberzeugungen« sei damit im Wolffianismus gesichert gewesen. Durch ein so gezogenes Verhältnis zwischen Vernunft und Religion hätte Wolff schließlich die Gefahren gebannt, die von einem »eindimensionalen Progressivismus und einem seine eigenen Grenzen ignorierenden Rationalismus« ausgehen, die die Folgen einer sich selbst nicht mehr beschränkenden Aufklärung bilden würden. Es gibt somit für Bronisch eine gute, weil religiös eingebundene Aufklärung und eine eher negativ besetzte (radikale) Aufklärung, die ihre Grenzen verkennt. Ich komme darauf nochmals 
zurück.


Auf die eben skizzierte These, die im Übrigen, das sei parenthetisch angemerkt, Positionen der katholischen Kirche nahesteht,2 soll im Folgenden eingegangen werden. Es sei das Ergebnis schon vorangestellt: Ich halte die Argumentation von Johannes Bronisch für eine Konstruktion, die sich auf isolierte Aussagen stützt, ohne den historischen Kontext hinreichend zu beachten. Überdies wird eines der Grundgesetze des Historiographie außer Acht gelassen: das Gebot der neutralen, nicht wertenden Darstellung. Es sollte für den Historiker keine »guten« und »schlechten« Formen der Aufklärung geben.


Einen m. E. untrüglichen Zugang zur Beurteilung des tatsächlichen Verhältnisses zwischen Vernunft und Glauben bei Wolff und seinen Anhängern bietet ein Blick auf die Reaktion der Zeitgenossen. Da es hier, Bronisch gibt die Stichworte vor, um überkommenes Christentum, überkommene Dogmatik, ungeschmälerten Fortbestand der Glaubensüberzeugungen geht, sind zuerst die entsprechenden »Fachleute« gefragt, d. h. die Theologen. Sicher hat es wolffianisch gesinnte Theologen gegeben. Ihre Zahl nahm im Laufe der Jahre sogar zu. Dominiert wurde die protestantische Kirche aber von Geistlichen, die man (etwas pauschal formuliert) der orthodoxen oder der pietistischen Richtung zuordnen kann. Sie sahen sich in einem besonderen Maße mit der »neuen Philosophie« konfrontiert, darauf mussten sie reagieren – und das taten sie auch. Ich greife ein Gutachten heraus, das vom Oberkonsistorium, also der obersten Kirchenbehörde Sachsens, 1723 verfasst wurde und eine Antwort auf die Frage geben sollte, ob man Wolff, der gerade aus Halle vertrieben worden war, an die Universität Leipzig berufen solle.3 Zu diesem Zwecke sollten Wolffs Schriften studiert werden. Die Antwort des Oberkonsistoriums entspricht in der ersten Feststellung der Grundthese von Johannes Bronisch: Man »habe bei der ­eigenen Lektüre der Wolffischen Texte keine Atheistische und Landes­verderbliche Principia« finden können. Damit wird eine klare Anfrage des Kurfürsten/Königs, die sich auf den Nachweis solcher angeblich vorhandenen Prinzipien richtete, beantwortet. Dann heißt es jedoch weiter, es würden gleichwohl ­»allerley ­verführende Säze« vorkommen, durch die die »Studiosi und andere Junge Leute … zu gefährlichen Dingen und Schlüßen können verleitet, und auch allerhand schlipfferische Wege gesezet werden …«. Aufschlussreich ist dann die folgende Bemerkung: Gegen das Beschreiten dieses verderblichen Weges würde »des gedachten Wolffens schwere und intricate Mittel und LehrSäze die er dagegen brauchen will, und die offt auf blose Worte hinauslauffen, keinen wiederstand thun.« Wolff warnt also vor bestimmten von ihm nicht ­intentierten Konsequenzen, die man aus seinen Lehren ziehen könnte, aber das wirkt nach Eindruck der Gutachter nicht gerade überzeugend. 


In diesen »verführenden Säzen«, gegen deren Wirkung Wolff selbst keinen Damm errichten kann, liegt das Problem. Dass sich bei Wolff keine anti­religiösen oder gar antichristlichen Aussagen entdecken lassen, dürfte nicht dem geringsten Zweifel unterliegen. Auch die von Bronisch besonders heraus­gestrichene persönlich fromme Lebensführung des Philosophen (z. B. regel­mäßiger Gottesdienstbesuch) soll keineswegs in Abrede gestellt werden. Gleichwohl gab es die »verführenden Säze«. Das sind nicht die radikalen Aussagen, die Wolff heimlich in sein System eingeschoben haben soll, wie das, so Bronisch, manche Forscher behauptet haben, die von der Existenz eines sogenannten Links-Wolffianismus ausgehen. Die »verführenden Säze« sind vielmehr die Kernsätze der Wolffschen Philosophie selbst. Die Sprengladung par excellence bildet der Satz vom zureichenden Grund.4 Der besagt, dass nichts in der Welt ohne prinzi­piell erkennbare Ursache geschieht. Alles Geschehen greift ineinander über, eines verursacht das andere. Ein solches rational orientiertes Weltbild ist wenigstens in der Tendenz mit der christlichen Religion nur schwer vereinbar. Das gilt insbesondere für den von Bronisch explizit erwähnten Glauben an Wunder, Engel und himmlische Hierarchien, der von den Wolffianern angeblich hochgehalten worden sein soll. Die Wunder-Frage erhitzte übrigens in einem besonderem Maße die Gemüter der Zeitgenossen und die hilflosen Antworten von Leibniz und Wolff, die die Wunder noch irgendwie retten sollen, belegen nur umso nachdrücklicher, wo ihre Philosophie münden musste.5 Sie bestätigen aber auch die Feststellung des Oberkonsistoriums: Die »blosen Worte« der Schulhäupter können die Konsequenzen nicht verhindern, die sich aus ihren Sätzen ziehen ließen.


Das von Bronisch suggerierte Bild, beim Wolffianismus handele es sich um nichts anderes als um eine Neuauflage der mittelalterlichen Scholastik mit ihrem harmonischen Verhältnis zwischen Vernunft und Glauben, ist irrig. Wolffs gute Kenntnisse der Scholastik, die er sich vor allem über seine eingehende Beschäftigung mit der katholischen Theologie erworben hat, sind bekannt. Wolff ist aber nicht der letzte Scholastiker (was Bronisch in dieser Direktheit auch nicht behaupten will), sondern ein Denker der Neuzeit. Bei aller verbalen und subjektiv sicher ehrlich gemeinten Anerkennung der Religion stößt er doch das bisherige Verhältnis zwischen beiden Größen um. Die Vernunft ist dem Glauben nicht mehr untergeordnet, sie dominiert vielmehr. Leibniz formuliert das in der Theodizee, sozusagen im »Grundlagenwerk« der Leibniz-Wolffschen Philosophie, deutlich bei der Erörterung der Frage, wie ein denkbarer Widerspruch zwischen Vernunft und Glaube zu lösen ist: »… si les objections de 
la raison contre quelque article de foi sont insolubles, il faudra dire que ce ­prétendu article sera faux et non révéle: ce sera une chimère de l’esprit hu-
main …«.6 Löscher, der letzte große Vertreter der lutherischen Orthodoxie, hat die Konsequenzen, die sich aus einer Zuordnung von Vernunft und Glauben, wie sie Leibniz und Wolff vertreten, klar gesehen: »Unstreitig ist es, daß die wahre geoffenbahrte Religion keine herrschende Philosophie leiden, noch sich derselben accommodiren, viel weniger unterwerffen köne. Daß sie ohne wahre Geheimnisse, welche in diesem Leben nicht zu ergründen sind, nicht bestehen könne, und daß demnach eine Philosophie, die alles mathematisch demonstriren will, sich mit derselben nicht vertragen könne.«7 Ein anderer Weg tut not. Erscheint ein Dogma als unverständlich, so hat man ohne jedes Vernünfteln daran zu glauben: »Nun so thue man auch eben dieses bey andern klahr genung geoffenbahrten Glaubens-Puncten und suche ihre Möglichkeit nicht in sich, als wäre man allwissend, sondern in Gott: Der Befehl zu glauben und die Vernunfft gefangen zu nehmen ist ja klar genung da.«8

Was bei einer solchen Umkehrung des früheren Verhältnisses zwischen Vernunft und Glaube ins Wanken geraten musste, das waren nicht wenige christlichen Dogmen, die nach Bronisch bei Wolff ungeschmälert erhalten geblieben sein sollen. Wenigstens ist dies bei der Gesellschaft der Alethophilen, die uns als Kerntruppe originärer Wolffianer vorgestellt wird, die »eindeutig religionsapologetisch« wirkte, nicht der Fall gewesen. Was anderes soll man von einer Aussage des Alethophilen Johann Friedrich May halten, wonach die Theologie (also das Dogmensystem) überflüssig sei: »Er meint daß die religion mit der theologie mal a propos seÿ confundirt, und in dieselbe so viel unnüz und überflüßig zeüg gebracht worden. Die religion bestehe in wenig säzen, die der geringste faßen könne.«9 Das ist das Konzept der natürlichen Theologie, die sich per Vernunft begreifen lasse und keiner göttlichen Offenbarungen bedarf. Das Haupt der Leipziger Alethophilen, Johann Christoph Gottsched, ist ein Verfechter der natürlichen Theologie: »Er meint, daß die Christliche religion nur seÿe eine bestätigung der natürlichen; und daß sie nur neüe gründe anbringe.«10 Zentrale Dogmen, wie die Erbsündenlehre, die Satisfaktionslehre, die Offenbarung überhaupt, verwirft Gottsched oder hält sie wenigstens für unwichtig. Priorität, und zwar absolute, habe die Vernunft. Diese weise der Religion den Weg: »Es wäre vortreflich, wenn alle junge leüte die ad theologiam aspiriren zu erst gute fundamenta in humanioribus und in der philosophie legten. alles liegt nur daran. fängt man nicht so an, so ist alles vergeben; würde die Theologi erst so gezogen, so würde man bald mit vernunfft die religion tractiren.«11 Dass die Alethophilen einschließlich Wolff, wenn auch nur heimlich, den Bibelübersetzer Johann Lorentz Schmidt unterstützten, der in seiner Übertragung des Pentateuchs sämtliche Wunderhandlungen eliminierte, spricht ebenfalls eine deutliche Sprache. 


Wenn man will, kann man die obigen Zitate als religionsapologetisch bezeichnen, denn jeder der Alethophilen hätte, wäre er befragt worden, natürlich mit Nachdruck erklärt, er verteidige selbstverständlich die Religion und halte das Christentum für die beste oder einzige Religion. Es sollte aber hinterfragt werden, welches Christentum da gemeint ist. Eines, das mit seiner »überkommenen Dogmatik« mit der Philosophie »kongruent« ist, kann es eigentlich nicht sein. Spätestens hier stellt sich die Frage, was Johannes Bronisch eigentlich unter Religion und speziell unter Christentum versteht. Mit dem Begriff wird munter hantiert, aber wofür steht er? Das Verhältnis zwischen Vernunft und Glauben, wie es von den Alethophilen als erklärten Wolffianern vertreten wurde, war nicht von gegenseitiger Ergänzung bestimmt, sondern trug dazu bei, den Weg in das 20. Jahrhundert zu öffnen. Die Vernunft soll wohl den Glauben stützen, gemäß der von Bronisch betonten Einheit von Révélation und Raison, aber das war nur der Anfang einer Entwicklung. Deren Ergebnis ist schon von Ernst Troeltsch vor fast 100 Jahren gut beschrieben worden: »So schien die moderne weltliche Ethik in Übereinstimmung mit der christlichen, die christliche Religions- und Offenbarungslehre im harmonischen Kontakt mit der allgemeinen Religionswissenschaft und ihrem Grundbegriff der natürlichen Religion, die Metaphysik des christlichen Gottesbegriffes versöhnt mit den von der modernen mechanischen Naturphilosophie inspirierten Philosophieen.«12 Den Gegenschlag gegen diesen Zustand bildete bekanntlich die Dialektische Theologie, aber die ist hier nicht unser Thema. 


Das eben berührte Thema des Verhältnisses zwischen Vernunft und Religion in der Zeit der historischen Aufklärung bildet aber wohl nur eine, sozusagen die historische Dimension des Aufsatzes von Johannes Bronisch. Seine Ausführungen und Feststellungen zielen sehr erkennbar auch auf die Gegenwart. Der Text will eine ganz aktuelle Aussage vermitteln: Der Begriff Aufklärung fände heute als »simple Parole« eine falsche Verwendung, um Entwicklungen zu recht­fertigen, die aus der historischen Aufklärung nicht abgeleitet werden könnten, vorausgesetzt man erkenne deren genuine Intentionen. Ich kann das an ­dieser Stelle nur mit wenigen Worten andeuten. Bronisch will die Aufklärung vor sich selbst schützen, denn sie werde missbraucht, um Grenzen zu überschreiten, die zu respektieren seien. Genaueres lässt sich hier jedoch nicht greifen. Manches bleibt seltsam dunkel und verschwommen. Was z. B. haben wir uns unter einem »eindimensionalen Vernunftbegriff«, einem »eindimen­sionalen Progressivismus« und einem »universalen Rationalismus« vorzustellen? Jedenfalls sind das Erscheinungen, die der Autor eindeutig negativ konnotiert. Sogar die Schrecken des 20. Jahrhunderts werden ihnen, wenn auch wieder nur in diffusen Andeutungen, zugeschrieben. Werden Schlüsselbegriffe der Moderne (Vernunft und Rationalismus) auf diese in einer merkwürdigen Schwebe gehaltenen Art und Weise angegriffen bzw. in Frage gestellt, sollte Vorsicht am Platze sein. Man wird wohl auch fragen dürfen, welche Widerstände Johannes Bronisch meint, die eine sich ihrer Selbstbeschränkungen entledigende Aufklärung als überkommen und traditionsverhaftet »diskreditiert«? Wogegen sich die Aufklärung richtet, das ist bekanntlich »das Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedienen.« An der Überwindung dieses Unvermögens sollten wir festhalten, und zwar um jeden Preis. Die Unabhängigkeit des Denkens besitzt einen schlechthin zentralen Wert, der übrigens auch den Alethophilen bewusst war. Ihr Wahlspruch »Sapere aude« bedeutete nicht, wie Bronisch uns suggerieren will, man möge sich der Lehrautorität von Leibniz und Wolff unterwerfen, sondern man solle die Weisheit suchen, so wie es die beiden Philosophen beispielgebend angestrebt hätten.13

  1. 1Johannes Bronisch,Der Mäzen der Aufklärung. Ernst Christoph von Manteuffel und das Netzwerk des Wolffianismus, Berlin / New York 2010.

  2. 2Das zeigt die Lektüre entsprechender Reden und Verlautbarungen der Päpste ­Johannes Paul II. und Benedikt XVI. Dort wird klar formuliert, dass Vernunft und Philosophie immer in Zuordnung zum Glauben und zur Religion gesehen werden müssen. 

  3. 3Sächsisches Hauptstaatsarchiv Dresden, Loc. 1774, Acta die Professions-Ersetzungen bey der Philosophischen Facultaet zu Leipzig betr. Vol. 2, Bl. 71 ff. Dem Oberkonsistorium gehörten nicht nur Theologen an, aber bei der Beantwortung der Frage nach Wolffs Rechtgläubigkeit werden sie die entscheidende Stimme geführt haben.

  4. 4Das soll nicht heißen, dass der Satz vom zureichenden Grund konstitutiv für die gesamte Aufklärung war. Er gilt aber unbedingt für die Wolffsche Variante der Aufklärung und um die geht es im Bronisch-Aufsatz.

  5. 5Das Oberkonsistorium zieht u. a. einen Text heran, in dem Wolff die Frage behandelt, ob ein starker Wind durch Gebete der Menschen gestoppt werden kann. Wolff antwortet: Gott habe in seiner Allwissenheit vorausgesehen, dass die Menschen ihn mit Gebeten um Stillung des Windes bitten werden und habe die Ordnung der Natur so eingerichtet, dass in diesem Moment Windstille eintritt. Das entspricht der Position von Leibniz, der meint, Gott habe bei der Wahl der existierenden Welt beschlossen, bestimmte Wunder zuzulassen; sie waren also von vornherein einkalkuliert. Vgl. Theodizee, 1. Teil, § 54 (Gottfried Wilhelm Leibniz,Essaias de Théodicée sur la bonte de Dieu, hg. und übersetzt von Herbert Herring, 1. Band, Frankfurt a. M. 1986, S. 285 f.). 

  6. 6»… wenn die Einwände der Vernunft gegen irgendeinen Glaubensartikel unwiderleglich sind, muß dieser vermeintliche Glaubenssatz als falsch und nicht offenbart betrachtet werden: er ist dann ein Hirngespinst des menschlichen Geistes …« (Theodizee, Discours, § 39, Übersetzung von Herbert Herring). Es ist ziemlich gleichgültig, welche Glaubensartikel für Leibniz widervernünftig erscheinen. Entscheidend ist seine hier getroffene grundsätzliche Festlegung.

  7. 74 Valentin Ernst Löscher,Quo ruitis?, zitiert nach Walther Killy und Christoph ­Perels (Hg.), Die deutsche Literatur. Texte und Zeugnisse. 18. Jahrhundert, München 1983.

  8. 85 Zitiert nach Martin Greschat,Zwischen Tradition und Neuanfang. Valentin Ernst Löscher und der Ausgang der lutherischen Orthodoxie, Witten 1971, S. 128.

  9. 96 Vgl. Rüdiger Otto, »Gesprächsprotokolle. Die Tagebuchaufzeichnungen des Schweizer Theologen Gabriel Hürner während seines Aufenthaltes in Leipzig im Mai 1738«, in Markus Cottin, Detlef Döring und Cathrin Friedrich (Hg.),Leipziger Stadtgeschichte. Jahrbuch 2010, S. 75–188, hier S. 116.

  10. 10Vgl. Otto, Gesprächsprotokolle (Fn. 9), S. 124. Entsprechend kann sich Gottsched als einen »öffentlichen Lehrer der natürlichen Theologie« bezeichnen.

  11. 11Vgl. ebd., S. 156.

  12. 12Ernst Troeltsch, »Protestantisches Christentum und Kirche in der Neuzeit«, in ­Julius Wellhausen u. a.,Geschichte der christlichen Religion (Die Kultur der Gegenwart, Teil 1, Abteilung IV. 1), Leipzig/Berlin 1922, S. 688.

  13. 13Das geht aus dem Briefverkehr zwischen den Alethophilen Manteuffel und Gottsched klar hervor. Manteuffel schreibt am 3. Februar 1740, dass »les deux Philosophes ont osé ètre Sages, et que les amateurs de leurs principes; c. a. d. les Alethophiles; osent l’ètre pareillement« (Universitätsbibliothek Leipzig, Ms 0342 VIa, Bl. 45 f.). Gottsched antwortet am 10. Februar und interpretiert dort den Spruch folgendermaßen: »Denn es heißt gleichsam: So wie Leibnitz und Wolf das Herz gehabt haben der Minerva zu dienen; also müßt ihr Alethophili es auch machen.« (Bl. 56).
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Heft 7 (2011)
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1867-7061

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