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Johann Christoph Gottsched: Briefwechsel. Historisch-kritische Ausgabe


Unter Einschluß des Briefwechsel von Luise Adelgunde Victorie Gottsched. Im Auftrage der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig herausgegeben von Detlef Döring und Manfred Rudersdorf


Band 5: 1738–Juni 1739. Herausgegeben und bearbeitet von Detlef Döring, ­
Rüdiger Otto und Michael Schlott unter Mitarbeit von Franziska Menzel. ­Walter de Gruyter, Berlin / New York 2011, LII + 580 Seiten, Festeinband


Der vorliegende Band umfasst 204 Briefe, davon sind 30 Schreiben von Gottsched und seiner Frau. Hatte in den vorangegangenen Bänden des Briefwechsels die von Gottsched geleitete »Deutsche Gesellschaft« in Leipzig ein zentrales Thema gebildet, so verschwindet 1738 die inzwischen in ganz Deutschland bekannte Sozietät ganz und gar aus dem Inhalt der Korrespondenz. Im Juni dieses Jahres legt Gottsched nicht nur sein Amt als Senior der Gesellschaft nieder, sondern er verzichtet zudem noch auf seine Mitgliedschaft. Dieser radikale Schritt erfolgt für die Außenwelt plötzlich und ist ihr nur schwer erklärbar. Die Ursache ist sicher in Spannungen zu suchen, die sich schon seit Jahren innerhalb der Sozietät aufgebaut hatten und nur noch eines Anlasses bedurften, um zur Entladung zu gelangen. In diesem Moment erscheint eine Biographie des schlesischen Dichters Johann Christian Günther aus der Feder des Breslauer Arztes Christoph Ernst Steinbach, eines Mitgliedes der »Deutschen Gesellschaft«. Dort wird Gottsched offen und mit nicht geringer Vehemenz ­angegriffen; u. a. wird ihm die Fähigkeit zum Dichten glattweg abgesprochen. Gottsched ­reagiert auf diese Publikation mit einer sofort ausgesprochenen Trennung von der Deutschen Gesellschaft. Der glücklicherweise erhaltene Briefwechsel zwischen Gottsched und der Gesellschaft bietet die Möglichkeit, das Geschehen im Einzelnen zu verfolgen. Der Senior sieht sich, aber auch die ganze Gesellschaft durch »eins ihrer alten Mitglieder« öffentlich aufs schwerste beleidigt und erwartet offenkundig eine Ächtung Steinbachs durch die Sozietät. Sein Austritt soll sie, ohne das als Forderung direkt zu formulieren, zu einem solchen Schritt bewegen. Zu Gottscheds Unwillen erfolgt eine andere Reaktion: Die Gesellschaft akzeptiert umgehend Rücktritt und Austritt ihres Leiters; man lässt auch die Auffassung durchscheinen, Gottsched habe wohl noch andere und eigentliche Gründe für seinen Schritt gehabt. Es folgen unerquickliche Auseinandersetzungen um finanzielle Fragen, um Räumlichkeiten, um die Bibliothek und um die Fortsetzung der Zeitschrift »Beyträge zur Critischen Historie Der Deutschen Sprache«. Die in diesen Monaten bei Gottsched einlaufenden Briefe spiegeln Bestürzung und Unverständnis vieler Mitglieder über die Vorgänge in Leipzig wider. Für die »Deutsche Gesellschaft« hat Gottscheds Weggang ziemlich schnell verheerende Auswirkungen. Nach wenigen Jahren versinkt sie in die Bedeutungslosigkeit.


Die Themen Literatur und Sprache treten in dieser Zeit bei Gottsched ohnehin etwas in den Hintergrund. Dafür beschäftigt ihn jetzt immer stärker das Ringen um die Philosophie Christian Wolffs, das in der gelehrten Welt die größte Beachtung findet. 1737 war Gottsched knapp einer Entlassung von der Leipziger Universität aufgrund seiner Propagierung der neuen Philosophie entronnen. Seitdem fürchtet er neue gegen ihn gerichtete Angriffe, vor allem seitens der Theologen, die er als seine ausgesprochenen Feinde empfand. In dieser Situation gewinnt für Gottsched die seit dem Sommer 1737 bestehende Verbindung zu dem Reichsgrafen Ernst Christoph von Manteuffel in Berlin eine immer größere Bedeutung. Das bezeugen die im Band enthaltenen insgesamt 52 oft sehr umfangreichen Briefe, die zwischen Berlin und Leipzig gewechselt wurden, wobei sich auch Frau Gottsched mit wachsender Intensität an dieser Korrespondenz zu beteiligen beginnt. Manteuffel ist die beherrschende Figur im Kreis der Berliner Alethophilen, die sich die Verbreitung und Verteidigung der Lehren von Leibniz und Wolff zur Aufgabe gemacht hatten. Bei dem Grafen und seiner Sozietät in Berlin finden die Gottscheds Rückhalt in ihrem Kampf für die »gute Sache«, also für den Wolffianismus. Besonders aktiv wird Frau Gottsched, die im Auftrag der Alethophilen äußerst bissige Pamphlete wider die Gegner Wolffs verfasst. Die Diskussion über diese Schriften, über ihren Inhalt und ihre Verbreitung füllt die Zeilen manchen 
Briefes. 


Im Wintersemester 1738/39 übt Gottsched erstmals das Amt des Rektors der Universität aus. Dementsprechend tauchen jetzt studentische Angelegenheiten noch häufiger als sonst in den Briefen auf. Sie stammen sowohl von Studenten als auch von Eltern, Schullehrern oder sonstigen Personen. Oft geht es darum, mittellose Studierende von diversen Gebühren zu befreien oder ihnen die Möglichkeit zu verschaffen, durch bestimmte berufliche Tätigkeiten den Lebensunterhalt zu sichern. Eher eine Ausnahme bildet die Bitte eines Studenten, ihm die Haft im Karzer zu erleichtern.


Gottscheds Briefwechsel nach Ostdeutschland einschließlich Ostpreußen geht auch in dieser Zeit weiter zurück, dagegen nimmt die Dichte des Briefverkehrs nach Nordwestdeutschland deutlich zu. Nicht selten bilden hier, wie bereits in den vergangenen Jahren, die Probleme der Einführung des Deutschunterrichtes an den Schulen den Gegenstand mancher Schreiben. In Sachsen beginnt jetzt der Briefwechsel mit Christian Clodius, dem Vorgänger Gottscheds in der Leitung der Leipziger »Deutschen Gesellschaft«. Clodius ist Rektor in Annaberg und ein leidenschaftlicher Verfechter des Schultheaters. Bei dem Theaterfreund Gottsched erhofft er sich Unterstützung, u. a. in der Suche nach geeigneten Stücken. In Süddeutschland ist und bleibt Jakob Brucker in Kaufbeuren der wichtigste Briefpartner. Der Geistliche ist intensiv mit der Abfassung seiner vielbändigen Philosophiegeschichte beschäftigt und berichtet in langen Darlegungen über die Planung und Ausführung seines Werkes, das zu Recht als die gelungenste im 18. Jahrhundert entstandene Philosophiegeschichte gilt. Aus Straßburg, das politisch zu Frankreich gehört, kulturell zu dieser Zeit jedoch noch eher Deutschland zuzurechnen ist, berichtet der Gottsched-Schüler Johann Wilhelm Steinauer in sehr lebendig abgefassten Briefen über seine dortigen Erlebnisse. In der Schweiz besteht die Verbindung zu Johann Jakob Bodmer noch fort. Die in mancherlei Hinsicht bestehenden Differenzen werden jedoch sichtbar. Das zeigt sich z. B. in einer Debatte über die Berechtigung von Mundarten, verbunden mit einer verdeckten Kritik an Gottscheds Behauptung, das Meißnische sei als das schlechthin verbindliche Deutsch anzusehen.


Band 6 wird den Briefwechsel aus dem Zeitraum Juli 1739 bis Juli 1740 enthalten. Die Aktivitäten der Alethophilen nehmen in diesen Monaten zu. Zugleich setzt man alle Hoffnungen auf einen Aufschwung von Kultur und Wissenschaft in den bevorstehenden Thronwechsel in Berlin. Der Band wird ab Frühsommer 2012 im Handel erhältlich sein.


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Heft 7 (2011)
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1867-7061

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